Gesellschaft 10.11.2017

Wir machen weiter mit radikaler Höflichkeit

Politische Bildung
Wir machen weiter mit radikaler Höflichkeit

Initiative „Kleiner Fünf“ wehrt sich nach Wahl verstärkt gegen Rechtspopulismus

Die rechtspopulistische Partei AfD sitzt im Bundestag. Das wollte die Initiative „Kleiner Fünf“ mit ihrem Engagement gegen Rechts verhindern. Doch ihre Arbeit geht weiter – auch nach dem schockierenden Wahlergebnis. Das Ziel heißt: Möglichst viele Menschen motivieren, sich gegen Rechtspopulismus einzusetzen.

  • Interview: Jessica Küppers
  • Funktion: Redakteurin im NDS Verlag
Min.

Im Interview erzählt Pressesprecherin Paulina Fröhlich wie sie Wähler*innen erreichen wollen und welche Rolle Aktionsformen im Internet dabei spielen.

Die Bundestagswahl ist vorbei. Die AfD hat einen festen Platz im Parlament. Das wolltet ihr mit „Kleiner Fünf“ unbedingt abwehren. Macht ihr trotzdem weiter?

Ja, es ist Wirklichkeit geworden. Die Geisteshaltung, die hinter Rechtspopulismus steckt, ist in Form einer Partei nun in unserem Bundestag vertreten. Sie erhalten somit institutionelle Einflussnahme, sehr viel Geld und noch mehr mediale Aufmerksamkeit als ohnehin schon. Am Wahlabend waren wir schockiert, jedoch nicht überrascht. Wir sind auf dieses Szenario sozusagen vorbereitet gewesen. Deshalb machen wir weiter mit dem, worin wir sehr gut geworden sind: radikale Höflichkeit. Wir regen sachliche Diskussionen an und führen eine dialogorientiere Suche nach den Gründen für die 12,6 Prozent.

Ihr benutzt den Hashtag #wasverlierstdu. Als moderne Demonstrationsform ist die Raute weit verbreitet. Welche Vorteile hat dieses Mittel aus deiner Sicht?

Die Kampagne #wasverlierstdu hatte zum Ziel deutlich zu machen, dass wir alle von Rechtspopulismus im Parlament betroffen sind. Wir haben zum Beispiel unterschiedliche Menschen gefragt, was sie verlieren würden, wenn Rechtspopulismus immer weiter erstarken würde. Betroffenheit scheint häufig der Motor für Engagement zu sein. Das haben wir zum Aufhänger gemacht. Das hat sehr gut funktioniert – auch wenn uns lange die Negativität daran gewurmt hat.

Hashtags sind moderne Mittel, um Diskursfelder abzustecken. Sie funktionieren wie eine Schlagwortsuche. Es lassen sich dadurch Assoziationsketten knüpfen. So kann ich zum Beispiel den Kölner Dom fotografieren und ihn unter dem Hashtag #kirche oder #römisch-katholisch ins Internet laden. Ich könnte jedoch auch #silvesternacht oder #schunkelmetropole schreiben, je nachdem welche gedankliche Verbindung ich dazu herstellen möchte. Die Vorteile sind eine schnelle Verbreitung und das Erreichen von neuen Zielgruppen. Besonders gut funktioniert hat bei uns der #wahlantrag. Deutschlandweit haben Menschen Fotos mit dem Kleiner-Fünf-Ring hochgeladen und ihn mit unserem Hashtag versehen. So konnten sie uns wissen lassen: Wir denken an euch.

Wie bewertest du die Eigendynamik, die so eine Aktionsform entwickeln kann? Kann man sie überhaupt vergleichen zum Beispiel mit traditionellen Demonstrationen?

Ich freue mich darüber, wie Randthemen, die eigentlich ins Scheinwerferlicht gehören durch moderne Aktionsformen wie Hashtags, Aufmerksamkeit erlangen. Denken wir nur an #metoo, #aufschrei oder #NotInMyName. Menschen, die sich nicht kennen, sich nie begegnen werden, können ihre Stimmen vereinen und laut werden lassen. Das geht deutlich schwerer mit klassischen Mitteln wie Straßendemos oder bemalten Plakaten.

Gefährlich an den Hashtags ist die Vereinnahmung von Begriffen, wie wir es derzeit mit „Heimat“ „Wahrheit“ oder „Volk“ erleben. Die AfD twittert im Minutentakt und verknüpft ihre teils absurden und verhetzenden Thesen mit Schlüsselworten, die somit schwer anderweitig zu besetzen sind.

In Sozialen Medien ist die Aufmerksamkeit für ein Thema meist kurzlebig. Wie kann es gelingen, ein Thema länger hochzuhalten und es aus den Sozialen Medien auf eine konkrete Handlungsebene zu heben? Oder ist das aus deiner Sicht gar nicht notwendig?

Zunächst sollten sich die online transportierten Inhalte an die kurze Aufmerksamkeitsspanne anpassen. Das funktioniert zum Beispiel, indem man mehr mit Bildmaterial arbeitet anstelle von Text. „Kleiner Fünf“ hat inhaltliche Analysen des AfD-Leitprogramms auf Emoticons heruntergebrochen und in einem Baumdiagramm dargestellt.

Um ein Thema länger aufrecht zu halten, benötigt es gute Ideen und eine professionelle Umsetzung: Wir haben ein Titelthema, also Rechtspopulismus, und ein bevorzugtes Reihenformat, unsere Videos, mit spannenden Inhalten an wechselnden Aktionsorten plus dazu eine Wiedererkennung in Form eines Jingles oder Logos.

Eine konkrete Handlungsebene zu erreichen, halte ich für eine zentrale Aufgabe von On- wie auch Offline-Aktivist*innen. Vorschläge machen, knapp und verständlich Lust auf Engagement entfachen und gute Gründe dafür liefern, unmittelbar Haltung zu zeigen. Wenn es bei Likes und Shares bleibt, ist in meinen Augen wenig gewonnen.