

Nach dem Abitur wollte Maria Störmann eigentlich eine ganz andere berufliche Richtung einschlagen. Gut sechs Monate verbrachte sie mit einer Ausbildung zur Bekleidungstechnischen Assistentin in Leipzig – und hatte schnell das Gefühl, dass ihr etwas fehlte. So entschied sie sich für ein Praktikum in einer Kindertagesstätte in ihrer Heimat in Thüringen. „Ich fand es von Anfang an toll, die Entwicklung der Kinder zu begleiten und gemeinsam mit meinem Team an denselben Zielen zu arbeiten“, erinnert sich die 32-Jährige.
Innerhalb eines Jahres absolvierte sie zunächst die Ausbildung zur Sozialassistentin. Dann stieß sie auf das Studium der Kindheitspädagogik. „Ich habe gedacht: Wenn ich einen Bachelor habe, dann kann ich später noch einen Master draufsetzen oder mich in anderer Weise weiterqualifizieren.“ Als die Zusage für den Studienplatz in Düsseldorf kam, zögerte sie deshalb keine Sekunde.
Studium vermittelt Kompetenzen, um Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten und Eltern zu beraten
Die Studieninhalte der Kindheitspädagogik enthalten Elemente aus Erziehungs- und Bildungswissenschaft, Sozialwissenschaft sowie Psychologie und Organisation. So vermittelt das sechssemestrige Studium Kompetenzen, um Kinder in ihrer Entwicklung optimal begleiten und auch Eltern in schwierigen Situationen beraten zu können. Darüber hinaus erfahren Studierende viel über Leitungsaufgaben – etwa zu rechtlichen Fragen, zur Zusammenarbeit mit anderen Fachkräften oder zum Qualitätsmanagement. Auch umfangreiche Praktika und Projekte gehören dazu. „Man lernt, sich an Prozesse heranzutasten und sich Inhalte in relativ kurzer Zeit im Selbststudium zu erschließen“, sagt Maria Störmann.
Wie viele ihrer Kommiliton*innen arbeitete sie nach dem Abschluss zunächst als Gruppenleiterin in einer Kindertagesstätte – ein klassisches Arbeitsfeld für Kindheitspädagog*innen, wie die Wahl-Essenerin berichtet. Sie habe sich darauf gefreut, administrative Aufgaben zu übernehmen und den Erzieher*innen damit mehr Zeit für die Arbeit mit den Kindern zu geben. Doch ihr Enthusiasmus scheiterte bald an der Realität. „Mir ist schnell aufgefallen, dass es im System Kita grundlegende Probleme gibt – und dass man Gefahr läuft, sich kaputtzuarbeiten.“
Durch personelle Engpässe leidet die pädagogische Qualität
Gemeinsam mit einer Ergänzungskraft habe sie als Gruppenleiterin täglich bis zu 22 Kinder betreut. „Es gibt stressige und weniger stressige Tage“, sagt Maria Störmann. „An stressigen Tagen steht ohnehin schon viel an, etwa die Vorbereitung der Entwicklungsgespräche mit Eltern.“ Bei personellen Engpässen bleibe dann wenig Zeit, pädagogische Angebote zu planen oder Prozesse zu dokumentieren. „Alles muss schnell, schnell gemacht werden. Darunter leidet die pädagogische Qualität.“
Der dauerhafte Stress setze Mitarbeitenden zu – mit gravierenden Folgen: „Es wird zwar darauf geachtet, dass man nicht komplett allein ist. Aber leider ist es häufig so, dass man krank zur Arbeit kommt, weil man seine Kolleg*innen nicht im Stich lassen will“, sagt Maria Störmann. Langfristig könne das keine Lösung sein: „Wenn man nicht fit ist, kann man die Aufsichtspflicht nicht zu 100 Prozent gewährleisten.“ Zudem müssten auch fest eingeplante Fortbildungstermine regelmäßig abgesagt werden, um den Personalausfall zu überbrücken.
Die Landesregierung möchte diese Situation unter anderem mit dem Programm Quereinstieg in die Kinderbetreuung (Qik) verbessern. Es sieht vor, Quereinsteiger*innen mit oder ohne Berufsabschluss im Kitaalltag einzusetzen und parallel zum laufenden Betrieb zu qualifizieren. Doch das Modell sei lediglich der Versuch, einen Flächenbrand an einzelnen Stellen zu löschen, betont Maria Störmann: „Aus meiner Sicht wird das System Kita nur noch mehr herausgefordert.“ Die Ausbildung der Quereinsteiger*innen müsse am Ende in den ohnehin schon überlasteten Kitagruppen umgesetzt werden. „Viele, die eine pädagogische Ausbildung haben und die Arbeit mit den Kindern lieben, werden ihre Jobs irgendwann hinschmeißen – unter anderem wegen Überlastung und aufgrund politischer Entscheidungen, die an der Realität vorbeigehen.“
Richtungswechsel muss mehr Wertschätzung und angemessene Bezahlung beinhalten
Was muss sich also ändern, damit Qualität – sowohl die pädagogische als auch in Bezug auf die Arbeitsbedingungen – in Kitas gelebte Realität wird? Maria Störmann, die sich auch im Leitungsteam der Jungen GEW NRW sowie in der Fachgruppe Sozialpädagogische Berufe der GEW NRW engagiert, fordert einen Richtungswechsel. So müssten gut ausgebildete Fachkräfte mehr Wertschätzung erfahren und entsprechend ihrer Qualifikation bezahlt werden. „Außerdem müssen wir es schaffen, ein größeres Netzwerk verschiedener Disziplinen in den Einrichtungen zu etablieren. Alle Professionen in der Kita sollten das Gefühl haben, ein gemeinsames Ziel zu verfolgen.“ Zudem sollten Arbeitgeber*innen regelmäßig Schulungen zu Stressmanagement und Selbstfürsorge anbieten. „Ebenso sollten Träger Supervision ermöglichen – gerade bei Konflikten, die innerhalb des Teams oder in der Kommunikation mit Eltern auftreten.“ Denn der emotionale Druck begleite Fachkräfte auch nach Feierabend. „Er fördert den Wunsch, dem Beruf den Rücken zu kehren.“
In einem Coaching-Seminar lotet Maria Störmann aktuell ihre beruflichen Ziele neu aus. „Ich lerne, meine Werte zu hinterfragen und stärker für meine Belange einzustehen.“ So sei der Wunsch entstanden, in Zukunft an der Schnittstelle zwischen Team und Träger einer Kita arbeiten zu wollen. „Ich habe immer wieder gesehen, wie Konflikte und Überlastung durch unklare Strukturen und fehlende Unterstützung entstehen. Mein Ziel ist, dass die Freude an der Arbeit mit Kindern in einem guten Verhältnis zu sicheren Rahmenbedingungen steht.“ Der Arbeit mit den Kindern wolle sie unbedingt treu bleiben – schließlich gehe es um die Zukunft der gesamten Bildungslandschaft. „Wer in die Qualität von Kitas investiert, legt das Fundament für lebenslanges Lernen.“