

Die Ergebnisse unseres Frühjahrsreports überraschen wenig, vielmehr liefern sie uns belastbare Zahlen für das, was offensichtlich war und ist. Die gute Nachricht zuerst: Wir haben die richtigen Menschen im System Schule. Unsere Lehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte sind hoch motivierte engagierte Beschäftigte, die jeden Tag mit vollem Einsatz arbeiten. Das war uns als GEW NRW schon immer klar, durch unsere Umfrage liegen nun auch belastbare Zahlen vor – sie widerlegen eindeutig alte Klischees von angeblich unwilligen, nicht belastungsfähigen Lehrkräften, „die vormittags recht und nachmittags frei haben“.
Strukturelle Defizite behindern, pädagogisches Potenzial zu entfalten
Die schlechte Nachricht: Wir haben die richtigen Menschen, aber ein mangelhaftes System. Die Differenz – so zeigt es unser Frühjahrsreport – zwischen der hohen Zufriedenheit mit der Berufswahl und der merklich niedrigeren Zufriedenheit mit der tatsächlichen Arbeitstätigkeit macht deutlich: Die Lehrkräfte wollen ihren Beruf pädagogisch didaktisch sinnvoll und aus Überzeugung ausüben, werden jedoch durch strukturelle Defizite daran gehindert, ihr volles pädagogisches Potenzial zu entfalten – ähnlich geht es den Fachkräften in Multiprofessionellen Teams.
Es ist nicht so, dass die an Schulen Beschäftigten grundsätzlich mit ihrer Tätigkeit unzufrieden sind, vielmehr sind es Teilaspekte, die die Zufriedenheit mindern. Diese Teilaspekte verdeutlichen, dass die Ursachen nicht bei den Schüler*innen liegen, sondern im System selbst: Überbordende Verwaltungsaufgaben, zu wenig Personal, zu große Klassen mit Schüler*innen mit großen Bedarfen und bildungspolitische Neuerungen ohne ausreichende Begleitung nehmen den Lehrkräften die Zeit für das Wesentliche: Pädagogik. Im Endergebnis sind die Kinder, auch die herausfordernden, nicht das Problem – es fehlt schlicht an den nötigen Rahmenbedingungen.
Das Problem ist nicht der Einsatz der Lehrkräfte, sondern ein unzureichend ausgestattetes System.
Diese Ergebnisse unseres Frühjahrsreports decken sich mit den Ergebnissen unserer Belastungsumfrage vor zwei Jahren – hier wurden als größte Entlastungsfaktoren gesehen: weniger Verwaltungstätigkeit, mehr Kolleg*innen und kleinere Klassen. Schon damals wurde deutlich, dass unsere Lehrkräfte pädagogisch arbeiten wollen, ihnen aber die Zeit dafür fehlt. Zeit, die unter anderem durch Verwaltungsaufgaben gestohlen wird. Die Lehrkräfte brennen dafür, Kinder – insbesondere auch die herausfordernden – pädagogisch zu fördern, ihnen zu helfen und bei der Entwicklung zu begleiten.
Unser Frühjahrsreport belegt, dass Resilienz, Selbstwirksamkeit und Kooperation entscheidende Schutzfaktoren für das Wohlbefinden von Beschäftigten an Schulen sind. Deshalb müssen diese Schutzfaktoren auch gezielt gestärkt werden. Die Verantwortung für gesunde Arbeitsbedingungen in Schulen ist eine zentrale Aufgabe der Landesregierung und der Schulaufsicht. Schulen brauchen Zeit, Raum und verlässliche Strukturen. Es reicht nicht aus, Engagement und Eigeninitiative der Lehrkräfte zu betonen, wenn gleichzeitig die Rahmenbedingungen fehlen, die ein gesundes Arbeiten ermöglichen.
Es braucht politischen Willen zu echter Veränderung
Es braucht deshalb endlich eine konsequente politische Priorisierung und folgende Maßnahmen:
- Schulen in herausfordernden Lagen benötigen mehr personelle, zeitliche und finanzielle Ressourcen sowie gezielte Unterstützungsangebote – und zwar verbindlich und dauerhaft.
- Eine ausreichende Ausstattung mit Entlastungsstunden und eine Schulaufsicht, die aktiv zur Gesundheitsförderung beiträgt, sind für alle Schulen unerlässlich. - Der Sozialindex muss deutlich aufgestockt werden. Unterschiedliche Ausgangslagen verlangen nach unterschiedlichen Lösungen. Wer hier Gleiches gleich behandelt, verschärft bestehende Ungleichheiten.
Das Problem ist nicht der Einsatz der Lehrkräfte sowie der pädagogischen Fachkräfte, sondern ein unzureichend ausgestattetes System. Wegschauen und Schönreden helfen niemandem – weder den Lehrkräften, den pädagogischen Fachkräften noch den Schüler*innen. Was es jetzt braucht, ist politischer Wille zu echter Veränderung. Die finanziellen Spielräume sind da. Nutzen wir sie endlich! Denn es mangelt nicht am Engagement, sondern an der politischen Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, benötigte Ressourcen zur Verfügung zu stellen und diese bedarfsorientiert zu steuern.