lautstark. 07.04.2025

Was schützt und was belastet die psychische Gesundheit?

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Frühjahrsreport 2025 der GEW NRW: Befragung von Lehrkräften und pädagogischem Personal an Schulen

Wie steht es um die psychische Gesundheit von Beschäftigten an Schulen in NRW? Insbesondere mit Blick auf Rahmenbedingungen, die nicht von Schulen selbst beeinflussbar sind, wie dem Lehr- und Fachkräftemangel? Diesen Fragen widmet sich der Frühjahrsreport 2025 der GEW NRW. Die Studie zeigt, was zu emotionaler Belastung führt und worin Resilienzquellen bestehen.

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  • Ausgabe: lautstark. 02/2025 | Zwischen Mangel und Qualität: Bildung braucht Stabilität
  • Autor*in: Prof. Dr. Christian Reintjes
  • Funktion: Professor für Schulpädagogik an der Universität Osnabrück
  • Autor*in: Prof. Dr. Gabriele Bellenberg
  • Funktion: Professorin für Schulforschung und Schulpädagogik an der Ruhr-Universität Bochum
Min.

Die psychische Gesundheit des Personals ist eine bedeutsame schulische Ressource, gerade in Zeiten, in denen nicht durch die Schule selbst beeinflussbare Rahmenbedingungen wie ein hoher Lehrkräftemangel und vielfältige Transformationsanforderungen viele Kollegien herausfordern. Zur psychischen Gesundheit gehört das emotionale, soziale und kognitive Wohlbefinden. Ist dieses ausgewogen, hilft es an Schulen Beschäftigten, den Schulalltag mit seinen Anforderungen zu bewältigen, belastende Situationen zu verarbeiten und eine positive Arbeits- und Lernumgebung zu fördern. Dabei geht dieses Gesundheitsverständnis, das der Studie zugrunde liegt, über die Abwesenheit von Krankheiten deutlich hinaus.

Insgesamt haben an der von Dezember 2024 bis Mitte Januar 2025 durchgeführten Studie 6.216 Personen teilgenommen, davon 5.891 Lehrkräfte und 315 Personen des pädagogischen Personals. Auf dieser Grundlage analysiert die Studie zentrale Herausforderungen, aber auch Schutzfaktoren der psychischen Gesundheit der an Schulen in NRW Beschäftigten. Mit einem Onlinefragebogen zum psychischen Wohlbefinden sollten die Teilnehmenden zu folgenden Bereichen Auskunft geben:

  • Glücksempfinden
  • allgemeine (Arbeits-)Zufriedenheit und Erschöpfung
  • Selbstwirksamkeit und Resilienz
  • Commitment mit der eigenen Schule sowie die Wahrnehmung des Schulleitungshandelns
  • kollegiale Kooperationskultur mit Blick auf das eigene Wohlbefinden

1 | Personal an Schulen weist hoch ausgeprägte Resilienz auf.

Resilienz, also die psychische Widerstandsfähigkeit, wird als entscheidender Schutzfaktor gegen stressbedingte Belastungen angesehen. Studien zeigen, dass resiliente Lehrkräfte sich schneller von Rückschlägen erholen, weniger unter stressbedingten Erkrankungen leiden und eine positivere Einstellung zu schulischen Herausforderungen entwickeln. Die jüngst durchgeführte Studie zeigt, dass das an Schulen in NRW tätige Personal über eine vergleichsweise hohe Resilienz für die Herausforderungen ihres Berufs verfügt: Auf einer siebenstufigen Skala von 1 (sehr niedrig) bis 7 (sehr hoch) kommen Lehrkräfte (→ Abbildung 1) hinsichtlich ihrer Resilienz auf einen Mittelwert (M) von 5,4, Schulleitende auf 5,6 und das pädagogische Personal auf 5,5. Lehrkräfte an berufsbildenden Schulen (M = 5,5) und Gesamtschulen (M = 5,5) weisen leicht höhere Resilienzwerte auf als Lehrkräfte an anderen Schulformen.

Abbildung 1

2| Die Arbeitszufriedenheit ist abhängig von der Unterstützung durch die Schulleitung und der gefühlten Identifikation mit der eigenen Schule. 

Als zentrale Prädiktoren der Arbeitszufriedenheit der befragten Lehrkräfte erweisen sich auf Schulebene die wahrgenommene Unterstützung durch die Schulleitung und auf individueller Ebene das Arbeitsengagement sowie das Organizational Commitment, also die Identifikation mit der eigenen Schule. Die Arbeitszufriedenheit variiert zudem in Abhängigkeit vom Schulsozialindex: Lehrkräfte an Schulen mit einer niedrigen (1–3) und mittleren (4–6) Sozialindexstufe berichten eine signifikant höhere Arbeitszufriedenheit (M = 4,2) als ihre Kolleg*innen an Schulen mit einer hohen Sozialindexstufe (7–9); bei letzteren hat die Arbeitszufriedenheit einen Mittelwert von 3,9. 

Die Ergebnisse verdeutlichen zudem, dass die Zufriedenheit im Beruf maßgeblich durch positive Beziehungen zu Schüler*innen sowie zum Kollegium beeinflusst wird und bestätigen damit Befunde früherer Studien. Gleichzeitig stellen administrative Aufgaben, bildungspolitische Entscheidungen und herausforderndes Schüler*innenverhalten zentrale Belastungsfaktoren dar.


3| Lehrkräfte sind am Ende des Schultages moderat erschöpft, dies gilt für das pädagogische Personal weniger.

Besonders am Ende eines Arbeitstages zeigt sich bei Lehrkräften eine moderate emotionale Erschöpfung mit einem Durchschnittswert von 4,0 (von 1 sehr niedrig bis 7 sehr hoch), die beim pädagogischen Personal signifikant niedriger ausfällt (3,6). Faktoren, die für Lehrkräfte zum Schutz vor Erschöpfung beitragen, sind auf Schulebene insbesondere das Verhältnis zur Schulleitung, auf individueller Ebene vor allem das eigene Arbeitsengagement und die persönliche Regenerationsfähigkeit.


4| Lehrkräfte und pädagogisches Personal verfügen über eine moderate bis hohe Identifikation mit ihrer Schule.

Ein zentraler Aspekt des Wohlbefindens von Lehrkräften ist die affektive Bindung an den Beruf und an ihre Schule. Das Konzept des Organizational Commitment beschreibt die emotionale und kognitive Identifikation mit der eigenen Schule sowie die Bereitschaft, sich für die Ziele der eigenen Organisation einzusetzen. Empirische Studien zeigen, dass Lehrkräfte mit hoher affektiver Bindung, also einem hohen Organizational Commitment, weniger Burn-out-Risiken aufweisen, eine höhere Motivation zur kontinuierlichen Weiterentwicklung haben und eine geringere Fluktuationsneigung zeigen.  

In der Studie der GEW NRW wurden die Lehrkräfte auf einer Skala von 1 (niedrig) bis 7 (sehr hoch) zu ihrem Organizational Commitment befragt. Der Mittelwert liegt bei 4,3, was auf eine insgesamt moderate bis hohe Bindung an die Schule hindeutet (→ Abbildung 2). Als wichtigste Prädiktoren für ein stärkeres Commitment stellten sich auf der Schulebene das Verhältnis zum Kollegium sowie zur Schulleitung heraus, auf individueller Ebene ist das Arbeitsengagement ein wichtiger Prädiktor. Zudem kann gezeigt werden, dass das Commitment an Schulen mit niedriger Sozialindexstufe signifikant höher ausfällt (M = 4,5) als an Schulen mit einer mittleren (M = 4,3) und einer hohen Sozialindexstufe (M = 4,1). Beachtet werden muss dabei, dass sowohl Berufskollegs als auch Förderschulen nicht sozialindiziert sind. Das pädagogische Personal zeigt eine etwas höhere organisationale Bindung an die Schule als die Lehrkräfte. Der Mittelwert dieser Gruppe liegt bei 4,5.

Abbildung 2

5| Schulleitung und Schulaufsicht können zur Stärkung des Wohlbefindens der Lehrkräfte und des pädagogischen Personals beitragen.

Der Frühjahrsreport 2025 der GEW NRW gibt wichtige Hinweise zur Unterstützung für mehr Wohlbefinden an Schulen in NRW: Hohe Arbeitsbelastungen für Lehrkräfte gehen mit emotionaler Erschöpfung einher, während das Commitment mit der Schule, die Unterstützung durch das Kollegium und die Schulleitung wichtige Resilienzquellen sind und die Lehrkräfte nach wie vor ihre Selbstwirksamkeit anhand der guten Beziehungen zu ihren Schüler*innen und zu ihrem Kollegium entwickeln und stützen.

Eine wichtige Personengruppe für die Stärkung von Resilienz, Selbstwirksamkeit und Gesundheit in der Schule sind die Schulleitungen, die durch eine gute Kooperationskultur und die Unterstützung des Commitments mit der Schule gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen gestalten (können). Dabei sind äußere Rahmenbedingungen ebenfalls von Relevanz, die auch als Gestaltungsaufgabe der Schulaufsicht betrachtet werden sollten: Entlastungsstunden für Sonderaufgaben tragen beispielsweise zum Wohlbefinden bei. 

Zudem scheint es nach dem Frühjahrsreport 2025 der GEW NRW schwieriger zu sein, ein Commitment an Schulen herzustellen, bei denen aufgrund der Größe eine direkte Abstimmung mit der Schulleitung und dem Kollegium insgesamt nicht möglich ist. Herausfordernde soziale Lagen von Schulen sind ein weiterer Faktor, der besonderer Anstrengungen mit Blick auf die psychische Gesundheit von Lehrkräften sowie des pädagogischen Personals bedarf. Durch gezielte Maßnahmen zur Förderung des Wohlbefindens, der Kooperation und der Führungskompetenzen kann die Qualität der Bildung und das Arbeitsumfeld an Schulen weiter verbessert werden.