Was hat es mit dem Pride Month auf sich? Den meisten werden die Cristopher Street Days (CSDs) in Deutschland ein Begriff sein. Der Pride-Monat Juni und die eigentlich nur in Deutschland übliche Formulierung CSD für Pride-Wochenenden leiten sich ab vom folgenreichen mehrtägigen Aufstand queerer Menschen nach einer schikanösen Razzia der New Yorker Polizei im Szenelokal „Stonewall Inn“ in der Christopher Street in der Nacht vom 27. auf den 28. Juni 1969, an den ab dem Folgejahr zunächst in New York, inzwischen weltweit, mit „Gay Pride“ Demonstrationen für queere Sichtbarkeit, Bürger*innen- und Menschenrechte erinnert wird.
Pride Month: mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt
Corona-bedingt wurden in NRW auch dieses Jahr viele CSD-Planungen zunächst ins Virtuelle oder wie der ColognePride in den Spätsommer verschoben (Infos im letzten Absatz). Andererseits waren queere Jugendliche durch die Beschränkung auf ihre Familien noch stärkeren Risiken ausgesetzt als ihre Altersgenoss*innen: Nach Untersuchungen des Deutschen Jugend-Instituts zieht es etwa ein Drittel vor, sich zu Hause lieber nicht zu outen, bei einem weiteren Drittel wird ein Coming Out von der Familie halbwegs gut aufgenommen – und das dritte Drittel kommt dadurch in der Familie in massive Konflikte. Da ist es im Monat Juni von noch größerer Bedeutung, dass an mehr als an einem CSD-Tag Sichtbarkeit und Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt eingefordert wird.
Schüler*innen machen sich stark für eine Schule der Vielfalt
Einige Schulen machen solidarisch auf die weiter bestehenden Diskriminierungen und Beleidigungen von LSBTIQ* (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans-, Inter* und queere Menschen) aufmerksam. Jedoch ruft die stärkere Sichtbarkeit auch Gegenreaktionen hervor. Dies bestätigt Frank G. Pohl, Leiter der NRW-Fachberatungsstelle von Schule der Vielfalt: „Dort, wo Sichtbarkeit in den Farben des Regenbogens gezeigt wird, häufen sich derzeit die Berichte von homo- und transfeindlichen Attacken. An Schulen wurden Regenbogenflaggen verbrannt und Schüler*innen, die Accessoires in Regenbogenfarben bei sich trugen, wurden beleidigt und bedroht.“
Mehr Sichtbarkeit bringt homo- und transfeindliche Gegenreaktionen mit sich im Juni 2021
Dass es Gegenreaktionen gibt, berichtet auch die Landesschüler*innenvertretung NRW: In Social Media nutzen Schüler*innen zum Beispiel eine durchgestrichene Regenbogenfahne als Profilbild und im Klassenraum führt Sichtbarkeit vermehrt zu homo- und transfeindlichen Aussagen. Bei der NRW-Fachberatungsstelle häufen sich derzeit Anfragen von Lehrkräften, die Unterstützung wegen zunehmender Homo- und Transfeindlichkeit in ihren Klassen suchen, berichtet Frank G. Pohl von Schule der Vielfalt.
Neuer GEW-Bundesausschuss Queer auf dem Gewerkschaftstag beschlossen
Auch die GEW kann im Pride Month auf Fortschritte verweisen: Beim ordentlichen Gewerkschaftstag Anfang Juni 2021 kam der Antrag, die seit über 20 Jahren erfolgreich beim Hauptvorstand arbeitende Arbeitsgruppe (AG) LSBTI* als Bundesausschuss Queer mit eigenen Antrags- und Stimmrechten in der Satzung zu verankern, auf 74 Prozent Zustimmung und damit gut über die erforderliche Zweidrittelmehrheit. Mit dem als unstrittig angesehenen und im Block angenommenen Antrag zu „Gute Arbeitsbedingungen für queere Kolleg*innen“ hat der neue Ausschuss auch inhaltliches Programm zu bearbeiten.
Termine, Termine: ColognePride, Coming Out in der Schule, Bundestagswahl und queere Bildung
Zur ColognePride Demo am Sonntag, 29. August 2021, ist noch kein Corona-Konzept der Veranstalter*innen veröffentlicht – die queeren Lehrkräfte der GEW werden aber auch dieses Jahr in passender Form teilnehmen, wie letztes Jahr bei der Fahrrad-Demo. Bei Teilnahme-Interesse bitte Mail an bodo.busch[at]gew-nrw.de.
Am Montag, 30. August 2021, bieten die AG LSBTI* der GEW NRW und das Projekt Schule der Vielfalt im Rahmenprogramm des ColognePride wieder eine moderierte Kleingruppenveranstaltung für queere Lehrkräfte „Coming Out in der Schule!?“ an – wegen begrenzter Platzzahl bei Interesse bitte Voranmeldung per Mail an kontakt[at]schule-der-vielfalt.de.
Am Mittwoch, 1. September 2021, veranstalten GEW NRW und der GEW Organisationsbereich Frauen-, Gleichstellungs- und Geschlechterpolitik von 20 bis 22 Uhr eine Online-Podiumsdiskussion mit queerpolitischen Sprecher*innen der demokratischen Bundestagsfraktionen. Es soll darum gehen, wie sie sich nach der Wahl zu bundespolitischen Themen verhalten werden, die sich auf queere Bildung auswirken: etwa zu geschlechtlicher Selbstbestimmung für Schüler*innen mit Folgen für Zeugnis und Sportumkleide, zu Diskriminierungsschutz für queere Lehrkräfte, auch bei kirchlichen Arbeitgeber*innen, zu bundesweiter Koordination für die queeren Bildungsprojekte in den Bundesländern. Alle Infos zur Anmeldung folgen in Kürze unter gew-nrw.de/veranstaltungen.
Dass queere Bildungsprojekte in Ungarn verboten werden, ist aktuell Auslöser des Protests der europäischen Zivilgesellschaft und des geplanten Schreibens der EU-Kommission wegen Bedenken über die Verletzung der EU-Grundrechte-Charta. Zu hoffen bleibt, dass der Pride Month Juni an Schulen, in Stadien, in Organisationen, im Sport, überall und weltweit nachhaltig wirkt und für uneingeschränkte Akzeptanz sorgt.