Studien haben gezeigt, dass sich der Kontakt gegenüber LSBTIQ*-Personen positiver auswirkt, wenn er institutionell unterstützt wird – beispielsweise von ministerieller Seite oder auf Schulleitungsebene. Auf Basis der Daten der Studie zur „Akzeptanz sexueller Vielfalt an Berliner Schulen“ entwickelte Dr. Ulrich Klocke vom Institut für Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin eine Handreichung zur pädagogischen Praxis, um Homo- und Transphobie bei Kindern und Jugendlichen abzubauen.
Leitbild gegen Mobbing in Schule entwickeln
Schulleitungen könnten ein Anti-Mobbing-Leitbild bekanntmachen und dessen Thematisierung im Schulalltag fördern. Lehrer*innen sollten, unterstützt von Vorgesetzten, Wissen zu sexueller Vielfalt vermitteln und dadurch ein solidarisches Miteinander schaffen. Arbeitgeber*innen sind außerdem verpflichtet, über das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu informieren und eine Beschwerdestelle für Mitarbeiter*innen einzurichten. Das gilt auch für Bildungseinrichtungen.
Die LSBTIQ*-Lehrkräftebefragung der Antidiskriminierungsstelle (ADS) fand heraus, dass Studienteilnehmer*innen, die von ihren Arbeitgeber*innen auf den Diskriminierungsschutz aufmerksam gemacht wurden, signifikant seltener von Diskriminierungserfahrungen anhand der LSBTIQ*-Identität berichteten, als Teilnehmer*innen, die nicht über den Diskriminierungsschutz aufgeklärt wurden.
Schüler*innen an öffentlichen Schulen sind durch das AGG nicht geschützt, ihre Rechte auf Diskriminierungsschutz sind ausschließlich im Grund- und Landesschulgesetz verankert. Eine Aufnahme in das AGG würde die Schutzpflicht für Schüler*innen deutlich erhöhen.
Forderungen an die Politik: Sichtbarkeit im Bildungsbereich erhöhen
Auf die Erkenntnisse der Studie „Akzeptanz sexueller Vielfalt an Berliner Schulen“ und den darauf basierenden Handlungsempfehlungen stützt sich ebenfalls die neue Broschüre der AG LSBTI* der GEW NRW, die angepasst an NRW-Richtlinien und Gesetze herausgegeben wird. Bodo Busch, Sprecher der AG LSBTI hat mit seinen Kolleg*innen einen drei Punkte umfassenden Forderungskatalog formuliert: Zum einen soll die Sichtbarkeit von LSBTIQ*-Personen in Curricula und Lernmitteln deutlich erhöht werden. Lehrkräfte brauchen umfassende Aus- und Fortbildungen zum inklusiven Umgang mit LSBTIQ*-Schüler*innen, denn nur so wird der kompetente Umgang mit einer „Pädagogik der Vielfalt“ sichergestellt.
Unterschiedliche Behandlung muss aus Gleichbehandlungsgesetz verschwinden
Die AG LSBTI fordert zweitens die Umsetzung des AGG für den Bildungsbereich: Unter anderem müssten Beschwerdestellen für Lehrende und Lernende eingerichtet werden. Die sogenannte Kirchenklausel nach Paragraph 9 Absatz 2 des AGG „Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung“ sollte abgeschafft werden. Diese Ausnahme vom Diskriminierungsschutz gibt Kirchen ein weitreichendes Recht, von Mitarbeiter*innen loyales Verhalten im Sinne des kirchlichen Selbstverständnisses zu verlangen. Dem entgegen stehen die Persönlichkeitsrechte homosexueller Lehrkräfte beispielsweise an bischöflichen Gymnasien.
Eine Studie zu LSBTIQ* im Bildungsbereich für NRW
Drittens fordert die AG LSBTI* eine ähnlich gelagerte Studie wie die Klocke-Studie für NRW. „Wir brauchen eine repräsentative Erhebung, die auch Konsequenzen für die Praxis haben muss. Zwar können wir vermuten, dass gewisse Ergebnisse aus Berlin auch für NRW zutreffen, das ist aber ein Analogieschluss“, so Bodo Busch. Berlin als Großstadt verfügt über einen guten Zugang zur LSBTIQ*-Szene, wohingegen weite Teile von NRW ländliche Strukturen aufweisen und viele Menschen keinen Kontakt zu LSBTIQ* Personen haben.
Dr. Ulrich Klocke betont die Notwendigkeit weiterführender Forschung zum Thema. „Wir brauchen definitiv mehr Daten dazu, welche konkreten Verhaltensweisen von Lehrkräften oder Interventionen von Schulprojekten am wirksamsten sind, um Vorurteile abzubauen. Dafür sollte es einen separaten Forschungsetat geben, der sich kein Geld bei angewandten Projekten abzwacken muss, wie die NRW-Landesregierung argumentiert“, so der Forscher.
Aus- und Fortbildung schafft Wissen und Solidarität: ZfsL Hagen geht voran
Schon während der Lehrer*innenausbildung muss das Thema Vielfalt sexueller und geschlechtlicher Identität vermittelt werden. Als erstes Studienseminar verpflichtete das Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL) in Hagen, angehende Lehrkräfte zu einem Workshop bei „Schule der Vielfalt“. „Mit diesem Modellprojekt erreichen wir schulformübergreifend alle angehenden Lehrkräfte, auch die, die erst einmal denken: Was hat das Thema mit mir und meinem Unterricht zu tun?“, sagt Frank Pohl, Koordinator bei „Schule der Vielfalt“. Nach Ende des Workshops, der mit ausführlichen Fallbesprechungen gespickt ist, ist vielen Referendar*innen klar, warum die angesprochenen Themen für alle schul- und unterrichtsrelevant sind.
„Darüber hinaus ist es wichtig, auch schon bestehendes Lehrpersonal zu schulen“, so Frank Pohl. Im Bereich der Bezirksregierung Köln ist seit dem Schuljahr 2018 eine Moderator*innengruppe im Einsatz, die schulintern und -extern Kolleg*innen mit Hilfe der Module von „Schule der Vielfalt“ weiterbildet. Die Notwendigkeit dieses Angebots wird deutlich, wenn man weiß, wie gefragt und ausgebucht die Moderator*innen von Beginn an waren und sind. Für die Zukunft sind solche Moderator*innengruppen für alle fünf Regierungsbezirke von Nordrhein-Westfalen wünschenswert und erforderlich.
In Kürze gibt die GEW NRW unter Federführung der AG LSBTI* eine Broschüre zum Thema „In meiner Klasse gibt es keine, oder? Wie können wir Homo- und Transphobie bei Kindern und Jugendlichen abbauen?“ heraus. Die Bestellung wird über unseren Onlineshop möglich sein.