lautstark. 03.02.2025

Damit Sprachen Türöffner bleiben

VersorgungPrekäre BeschäftigungEntlastungChancengleichheitHonorarkräfteGehalt

Sprachlehrkräfte an Volkshochschulen besser bezahlen

Die Situation für Sprachlehrkräfte an den Volkshochschulen (VHS) ist prekär: Sie erhalten je nach kommunaler Finanzlage unterschiedliche Honorarzahlungen, müssen für verschiedene Anbieter arbeiten und sind sozial nicht abgesichert. Aus Sicht der GEW NRW muss sich das dringend ändern.

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  • Ausgabe: lautstark. 01/2025 | Sprache. Macht. Teilhabe.
  • Autor*in: Klaus F. Mautsch
  • Funktion: Dozent für DaF / DaZ sowie Mitglied im Landesfachgruppenausschuss Erwachsenenbildung der GEW NRW
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Polnisch lernen in Gelsenkirchen, Niederländisch lernen in Moers. Dazu Türkisch in Köln und Arabisch in Ahlen. Das Sprachenangebot in den Volkshochschulen des Landes verrät viel über die Gründe, im Erwachsenenalter eine Fremdsprache zu lernen. Die eigenen Wurzeln erkunden, die Menschen im Nachbarland verstehen, Interesse an den „anderen“ Sprachen in der Familie, der Wille, sich beispielsweise in der Flüchtlingshilfe zu engagieren.

Honorarsätze von Fremdsprachenlehrkräften sind in jeder Kommune unterschiedlich hoch

Sprachkurse an der VHS sind Teil eines breit gefächerten Kursprogramms. Die Kursleiter*innen sind Soloselbstständige, ihnen wird meist ein einheitlicher Honorarsatz gezahlt. Da das Budget für Honorare aus dem kommunalen Haushalt finanziert werden muss, sind die Unterschiede im Verdienst im Vergleich der Kommunen untereinander entsprechend groß. Sie reichen von aktuell 17 Euro, die teils an der VHS Castrop-Rauxel gezahlt werden, bis zu 35 Euro an der VHS Krefeld. Castrop-Rauxel zählt dabei zu den Kommunen mit dem geringsten Steueraufkommen in Nordrhein Westfalen. Aber auch dort, wo hohe Einnahmen aus Gewerbesteuern zu verzeichnen sind, geht es den Sprachlehrenden nicht viel besser.

Mit Chérif Bouharroun hat die Kölner VHS einen guten Fang gemacht. Der in Frankreich ausgebildete Geschichtslehrer kam vor 32 Jahren an die Weiterbildungseinrichtung – mit seinem frisch an der Kölner Uni erworbenen Magisterabschluss in Germanistik und Romanistik. Damals honorierte die VHS eine Stunde Sprachunterricht mit umgerechnet 16,50 Euro brutto. Ein Honorarsatz, der für Soloselbstständige einem Nettostundensatz von rund 8 Euro entspricht. In den Folgejahren musste der Französischdozent zusehen, wie das Honorar für Deutsch als Fremdsprache (DaF) immer weiter angehoben wurde. Zum Zehnjährigen der 2005 eingeführten Integrationskurse erhöhte die Bundesregierung den Honorarsatz für Deutsch als Zweitsprache (DaZ) auf 35 Euro. Daraufhin setzten die DaF-Lehrer*innen an der VHS Köln unterstützt von der GEW durch, dass Unterricht in Deutsch als Fremdsprache unabhängig vom Stundendeputat ebenfalls mit 35 Euro honoriert wird. Für Fremdsprachenunterricht hingegen wurde der Satz auf 22 Euro eingefroren. Eine Diskrepanz, die viele Sprachlehrende der VHS Köln empört (→ Infokasten).

Initiative faire Honorare am der VHS Köln

Nach einem gescheiterten Anlauf 2021 forderten Spanisch-Dozierende der Kölner VHS im November 2024 die neue Leiterin in einem offenen Brief auf, sich in der Kommune für faire Honorare einzusetzen. „Wir fühlen uns von der VHS Köln weder wertgeschätzt noch gerecht behandelt, da die DozentInnen im Bereich Deutsch als Fremdsprache ein deutlich höheres Honorar erhalten“, heißt es in dem Brief. In kurzer Zeit fanden sich 95 Unterzeichner*innen quer durch alle Fachbereiche. Doch diese Aktion ist erst der Anfang. Denn seit Langem stehen die engagierten Lehrkräfte einer politischen Mehrheit im Kölner Stadtrat aus CDU, Grünen und Volt gegenüber, die eine Beseitigung des Honorarunterschieds verweigert. Ob die Parteien diese Haltung im kommenden kommunalen Wahlkampf beibehalten wollen, wird sich zeigen.

Struktur des Weiterbildungssystems sorgt für Benachteiligung von Dozierenden in der Erwachsenenbildung

Hinzu kommt: Die Kluft zwischen dem fest angestellten Personal an den Volkshochschulen und den freien Dozierenden in der Erwachsenenbildung hat sich in den vergangenen 15 Jahren laut Studien quantitativ und hinsichtlich der sozialen Stellung enorm vergrößert. Die Hauptursache dafür ist die Struktur des Weiterbildungssystems. Die Lehrtätigkeit an Volkshochschulen wird durch das NRW-Weiterbildungsgesetz ausschließlich als „nebenberufliche“ Honorartätigkeit eingestuft. Werden die Zuweisungen des Landes erhöht, gehen die VHS-Lehrkräfte regelmäßig leer aus. Sie werden nach kommunalen Honorarordnungen bezahlt, die sich zumeist weder an Qualifikation noch an Erfahrung orientieren. Dass dies nicht so sein muss, zeigt das Beispiel Berlin. Dort werden die Honorarstufen seit den 1980er-Jahren an der Qualifikation respektive Erfahrung ihrer Lehrkräfte bemessen. Für gut 20 Prozent der freiberuflichen Lehrkräfte gilt zudem ein besonderer Status: die Arbeitnehmerähnlichkeit. Wer zu diesem Kreis gehört, erhält seit 2013 einen Aufschlag in Höhe des Arbeitgeberanteils in der Sozialversicherung, die finanzielle Abgeltung des Urlaubsanspruchs sowie Honorarfortzahlung im Krankheitsfall.

Status arbeitnehmerähnlich ist für Sprachlehrkräfte schwer erreichbar

Auch wenn dieses Vorgehen hier und dort Nachahmung gefunden hat und hilft, die prekäre Situation von Soloselbstständigen in der Weiterbildung zu verbessern, profitieren Sprachlehrkräfte allein deshalb nicht von solchen Regelungen, weil sie nicht selten für verschiedene Anbieter arbeiten müssen. Kaum eine Fremdsprache wird in dem Umfang angeboten, dass die Unterrichtsstunden sich so stark summieren, wie es für den Status arbeitnehmerähnlich notwendig wäre. Ganz abgesehen davon, dass der Status dort, wo er gilt, häufig erst erkämpft werden musste mit der Androhung, die VHS zu verlassen, oder gar durch juristische Mittel. Was muss die Politik nun tun, um die Lehrenden aus der Misere zu holen? Für freiberufliche Lehrkräfte wie Chérif Bouharroun fordert die GEW NRW, dass die Landesregierung eine angemessene Mindesthonorierung verbindlich festschreibt – analog dem Mindesthonorar in den von der Bundesregierung geförderten Integrationskursen. Für die Soloselbstständigen müssen außerdem Standards zur sozialen Absicherung etabliert werden. Dies ist im Übrigen auch eine Forderung des Landesverbands der Volkshochschulen NRW. Gelingt es nicht, deutliche Verbesserungen für die Sprachlehrer*innen herbeizuführen, verdunkelt sich die Aussicht auf eine kulturoffene, mehrsprachige Gesellschaft auch mangels Angebot an bezahlbaren Sprachkursen.