Chancengleichheit 21.09.2017

An der Schule bin ich Frau Tenberge

ChancengleichheitMigration und Flucht
An der Schule bin ich Frau Tenberge

Teach First Fellows unterstützen Schulen in NRW für zwei Jahre

Zwei Jahre lang unterstützt Maria Tenberge eine Dortmunder Gesamtschule als Teach First Fellow. Besonders die internationalen Schüler*innen profitieren von ihrer Arbeit und ihrem Erfahrungsschatz. Dorothea Schäfer, Vorsitzende der GEW NRW, begleitet sie als Mentorin.

  • Autor*in: Maria Tenberge
  • Funktion: Teach First Deutschland Fellow an der Gustav-Heinemann-Gesamtschule in Dortmund
Min.

Ich bin Frau Tenberge. Eigentlich heiße ich Maria und mag es, beim Vornamen genannt zu werden, aber seit August 2016 bin ich noch viel mehr Frau Tenberge geworden. Seitdem arbeite ich nämlich als Teach First Deutschland Fellow – also als Lehrerin auf Zeit – in der Gustav-Heinemann-Gesamtschule in Dortmund Huckarde (GHG). Und in der Schule bin ich eben Frau Tenberge. Wenn ich durch den Gang laufe, rufen die Schüler*innen „Hallo, Frau Tenberge!“, „Frau Tenberge, ich hab’ endlich meinen Lebenslauf fertig geschrieben.“ und „Haben wir heute wieder Lerngruppe, Frau Tenberge?“. Den Schüler*innen und mir ist klar, dass ich hier Frau Tenberge bin. Meine Rolle als Teach First Fellow hingegen war anfangs sehr offen.

Kein Lehramt, aber viel Erfahrung im Ausland

Als Außenstehende kam ich vor rund einem Jahr an die Schule, um das Kollegium für zwei Jahre im Kampf um mehr Bildungsgerechtigkeit zu unterstützen. Zuvor hatte ich nicht Lehramt, sondern Migrationsstudien und Liberal Arts and Sciences studiert. Mein Studium und mein Engagement haben mich für mehrere Jahre in die USA, nach Palästina, in die Niederlande, in die Türkei, ins Baskenland nach Spanien und erst im letzten Semester wieder nach Deutschland gebracht. Meine Forschung in migrationsbezogenen Bildungsprojekten hat mich viel gelehrt, was ich jetzt gut gebrauchen kann. So helfen mir meine Sprachkenntnisse und mein interkulturelles Verständnis nun in der Schule.

Drei Monate Intensiv-Ausbildung und Begleitung durch Teach First

Das für den Schulalltag notwendige didaktische und pädagogische Handwerkszeug lernte ich in einer dreimonatigen intensiven Ausbildung in Begleitung von Teach First Deutschland. Nach der Zusage habe ich einen Online-Campus und ein Kurzpraktikum absolviert, mehrwöchige Seminare und eine Sommerschule besucht. Dort habe ich gelernt wie man Unterricht plant, strukturiert und durchführt, auf die Bedürfnisse verschiedener Schüler*innen eingeht und vor allem Begeisterung weckt.

Auch jetzt, da ich an der Schule arbeite, werde ich eng von Teach First Deutschland betreut: Ich habe einen Trainer, den ich zu herausfordernden Stunden einlade und der mir hilft, meine eigene Entwicklung zu reflektieren. Zweimal jährlich nehme ich an mehrtägigen Fortbildungen teil. Regelmäßige Treffen mit Fellows anderer Schulen bieten Input und Austausch, kollegiale Fallberatungen und die Möglichkeit gemeinsam schulübergreifende Projekte umzusetzen. Ich komme also nicht wirklich alleine in der Schule an, sondern habe viel mehr ein außerordentlich engagiertes Netzwerk im Rücken.

Den individuellen Fokus legt jede*r Fellow selbst

In der Schule selbst kommt es dann darauf an, was ich daraus mache. Ich arbeite viel mit internationalen Schüler*innen, unterstütze und ergänze den Unterricht in der Alphabetisierungsklasse und fördere Schüler*innen, die gerade im Übergang zur Regelklasse sind. Ich unterrichte Deutsch, nutze meine Kenntnisse, um mit den Schüler*innen im Sprachcafé über ihre Herkunftssprachen zu fachsimpeln und diese mit dem Deutschen zu verknüpfen.

Jeden Dienstag paukt eine Gruppe von 21 Neuntklässler*innen bei mir Projektmanagement: Die Schüler*innen organisieren in Teams zunächst einen Klassenausflug und später ein eigenes Projekt, das sie im Juni 2018 auf dem Bildungsfestival in Essen anderen Schüler*innen aus ganz Deutschland vorstellen werden. Ganz nebenbei lernen sie dabei was Stakeholder – also Personen, die von einem Projekt direkt oder indirekt betroffen sind – und Risikoanalysen sind.

Vielseitige Aufgaben: Coaching, Vorbereitungskurse und AGs

Unter den Zehntklässler*innen gibt es fünf Schüler*innen, die ich in Absprache mit ihrer Klassenleitung individuell coache. Auf Schüler*innenwunsch biete ich für den Jahrgang freiwillige Vorbereitungskurse für die Zentralen Abschlussprüfungen nach der zehnten Klasse an. In außerunterrichtlichen Bereich haben wir eine Street Art AG ins Leben gerufen.

Neben diesen praktischen Arbeitsbereichen kann ich am Rande bei der Schulentwicklung mitwirken – das ist möglich, weil Schulleitung und Kollegium mich mit offenen Armen empfangen haben. So kann ich in Gesprächen mit Kolleg*innen und in Einzelaktionen meine „Perspektive von außen“ einbringen.

Vorsitzende der GEW NRW unterstützt Fellow als Mentorin

Jeden Tag gehe ich mit einem Lächeln auf den Lippen in die Schule und wieder heraus. Mit jungen Mensch an ihrer Zukunft und an unserer gemeinsamen Zukunft bauen zu dürfen, ist für mich ein Privileg und eine große Freude.

Wie es für mich nach dem Einsatz als Teach First Deutschland Fellow weitergeht, weiß ich noch nicht genau. Aber ich bin auf dem besten Wege es herauszufinden. Dank Teach First Deutschland ist die Vorsitzende der GEW NRW Dorothea Schäfer seit Anfang des Schuljahres meine Mentorin. In gemeinsamen Treffen wollen wir meinen weiteren Weg besprechen und im gemütlichen Beisammensein ab und an vom Thema abschweifen, um Geschichten aus der Schule und Schulpolitik miteinander zu teilen.