Weniger vergleichen – Individualität anerkennen
Jugendliche müsse in einer flexiblen Oberstufe auf unterschiedlichsten Wegen lernen können: fachlich und interdisziplinär, handlungsorientiert und theoriebezogen, digital und analog. Teamarbeit und selbstständiges Lernen zählt ebenso dazu. Ein zukunftsorientiertes und zukunftsfähiges Konzept muss dabei die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen, Begabungen und Interessen der Schüler*innen berücksichtigen. Für uns ist klar: Das Vergleichen von Schüler*innen untereinander darf nicht im Mittelpunkt stehen. Ziel muss sein, jede*n Schüler*in auf das eigene bestmögliche individuelle Bildungsniveau zu bringen und Vielfalt als Gewinn anzuerkennen. Das ist ein großer Schritt auf dem Weg zu mehr Bildungsgerechtigkeit.
Wie soll das gehen?
Einige Schüler*innen benötigen extra Zeit zum Lernen, andere sind nach kürzerer Zeit bereit für die Abschlussprüfungen. Die gymnasiale Oberstufe sollte sich deshalb aus einer Einführungs- und Qualifikationsphase zusammensetzen. Die Einführungsphase könnten Schüler*innen verkürzen. Die Qualifikationsphase von zwei bis drei Jahren könnte jede*r Schüler*in an das individuelle Lerntempo anpassen. Der Stundenumfang der Sek II sollte sich hier nach der Anzahl notwendiger Leistungs- und Grundkurse sowie individuell benötigter Ergänzungsstunden ausrichten. Mit dieser flexiblen Gestaltung würde die Politik nicht das Niveau des Abiturs senken - wie Kritiker*innen befürchten. Vielmehr würden Jugendliche die Chancen erhalten, ihren eigenen Weg zu finden, die vereinbarten Standards zu erreichen.
KMK-Beschluss – ein starres Konstrukt
Der aktuelle Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) zur erneuten Reform der gymnasialen Oberstufe ist eine reine Reparaturmaßnahme. Unsere geforderte Flexibilität findet keinen Platz. Um das Abitur bundesweit vergleichbar zu machen, reduziert die KMK die Leistungskurse auf zwei oder drei Kurse – bisher waren es zwei bis vier Leistungskurse. Bei zwei Leistungskursen sind diese doppelt zu gewichten – bisher war das freigestellt. Zudem wird die Zahl der verpflichtenden Halbjahreskurse erhöht. Schüler*innen müssen in den vier Halbjahren der Qualifikationsphase insgesamt 40 Kurse verpflichtend belegen. 36 Kurse davon fließen in die Abiturnote ein. Derzeit können 32 bis 40 Kurse für die Durchschnittsnote angerechnet werden. Darüber hinaus werden erstmals Festlegungen zur Anzahl und Gewichtung der Klausuren in der Qualifikationsphase getroffen. Die naturwissenschaftlichen Fächer werden als Grundkurse künftig einheitlich dreistündig unterrichtet werden. Die Anzahl der Prüfungsfächer im Abitur gibt die KMK mit 4 bis 5 vor.
Enttäuschung auf ganzer Linie
Die beschlossenen Neuregelungen der KMK enttäuschen auf ganzer Linie. Sie bieten den Ländern kaum Freiheit, um den Schüler*innen einen individuellen und selbstgesteuerten Weg zum Abitur zu ermöglichen. Auch für die Schulen fehlt es an Raum für Innovation. Die KMK-Vereinbarung soll bis 2030 vollständig umgesetzt sein und noch lange darüber hinaus bestehen. Ob man auf diesem Weg die geforderte verbesserte Vergleichbarkeit des Abiturs erreicht, ist ebenfalls äußerst fraglich. Wir werden uns auch weiterhin für eine flexible gymnasiale Oberstufe einsetzen. Mit dem Bündnis für ein zukunftsfähiges Abitur kämpfen wir für notwendige Reformen und mehr Chancengleichheit.