Schule 29.06.2018

Weniger Schulen des Gemeinsamen Lernens geplant

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Weniger Schulen des Gemeinsamen Lernens geplant

Schulministerium fördert Inklusion an allen Schulformen nur halbherzig

Fast genau ein Jahr nach Unterzeichnung des Koalitionsvertrags gibt es die erste Einladung des Fachbeirats inklusive schulische Bildung durch das Ministerium für Schule und Bildung (MSB) NRW. GEW-Landesvorsitzende Dorothea Schäfer hat die Ergebnisse aus den Gesprächen mitgebracht.

  • Autor*in: Dorothea Schäfer
  • Funktion: Vorsitzende der GEW NRW
Min.

Mündlich werden vor rund 70 Teilnehmenden von Schulministerin Yvonne Gebauer die Eckpunkte für die „Neuausrichtung der Inklusion“ in NRW vorgestellt. Bedauernd erläutert sie, dass keine Details zu den angestrebten Klassengrößen und den zusätzlichen Stellen für die Schulen des Gemeinsamen Lernens bekannt gegeben werden könnten. Das Kabinett habe noch nicht den Haushaltsentwurf für 2019 beschlossen.

Keine zusätzlichen Ressourcen fürs nächste Schuljahr

Voraussichtlich werde der Entwurf des Landeshaushalts 2019 in der ersten Juliwoche 2018 vorgestellt. Daraus würde sich dann auch der Schlüssel für die Qualitätsstandards im Gemeinsamen Lernen ergeben. Klar ist aber schon: Schulen des Gemeinsamen Lernens (Sekundarstufe I) nehmen mindestens drei Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf je Klasse auf und zusätzliche Ressourcen gibt es erst zum Schuljahr 2019/2020.

Auch die Anzahl der Schulen des Gemeinsamen Lernens wird geringer sein. Auf eine genaue Zahl wolle man sich nicht festlegen, denn auch weiterhin solle der Elternwille für den Förderort des Kindes gelten. Die Gymnasien, auf die mehr als 40 Prozent der Viertklässler*innen wechseln, müssen ausdrücklich darum bitten, wenn sie auch Schüler*innen aufnehmen wollen, die zieldifferent zu unterrichten sind.

Gymnasien erhalten nach wie vor eine Sonderbehandlung

Es gäbe einige Gymnasien, die sich bereits gemeldet hätten. Diese Gymnasien müssten aber nur sechs Schüler*innen pro Jahrgang aufnehmen, das heißt zwei oder weniger je Klasse. Diese unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Schulformen wird nur diffus mit dem besonderen Bildungsauftrag der Gymnasien begründet.

Deutlicher als in den vergangenen Monaten wird klar herausgestellt: Diese Landesregierung verfolgt nicht das Ziel einer Ausweitung des Längeren Gemeinsamen Lernens. Deswegen sollen auch Förderschulen flächendeckend erhalten bleiben. Sollte es keine Förderschule mehr in erreichbarer Nähe geben, könne man stattdessen Förderschulgruppen an Regelschulen als Teilstandort einer Förderschule einrichten. Inklusion könne dann als Teilintegration stattfinden.

Applaus für den Erhalt der Förderschulen und gegen eine Schule für alle

Eine neue Mindestgrößenverordnung für Förderschulen sei in Arbeit. Eine klare Forderung der Landesschüler*innenvertretung nach „einer Schule für alle“ als Perspektive wird damit deutlich zurückgewiesen – unter dem Applaus mehrerer Teilnehmenden.

Wer applaudiert? Zum einen die Landschaftsverbände als Träger der Förderschulen, der Städte- und Gemeindebund, der weniger Schulen adäquat ausstatten muss, der Verband der Katholischen Lehrerinnen und andere.

Warum applaudiert die GEW NRW nicht?

Das Bekenntnis zur inklusiven Bildung für alle Kinder und Jugendlichen bleibt ein Lippenbekenntnis, solange Qualitätsstandards für Inklusion von Haushaltsentscheidungen abhängig sind, solange nur einige Schulen und bestimmte Schulformen einbezogen sind, solange die Bedingungen für die Arbeit von Sonderpädagog*innen in Förderschulen besser sind als im Gemeinsamen Lernen.

Ein Gespräch in dieser Woche hat mich in unserer Position zur Inklusion sehr ermutigt: Ich lerne eine wissenschaftliche Mitarbeiterin einer Uni kennen, deren Eltern vor vielen Jahren gegen massive Widerstände durchsetzen mussten, dass sie in eine allgemeine Schule gehen durfte. Die junge Frau kam als Frühgeburt zur Welt und hat dadurch eine Körper- sowie eine Lernbehinderung. Jetzt ist sie Promovendin nach ihrem Abitur und erfolgreichem Studium. Solche Begegnungen wünsche ich allen, die immer noch zweifeln, ob das Gemeinsame Lernen sinnvoll ist.