Tarifvertrag der Länder – TV-L 10.01.2019

Tarifverhandlungen sind kein Selbstläufer

HochschullehreTarifrundeGehalt
Tarifverhandlungen sind kein Selbstläufer

Gesichter der Tarifrunde 2019: Geschäftsführer des Lehrerbildungszentrums der RWTH Aachen Mischa Meier

Mischa Meier leitet das Lehrerbildungszentrum in Aachen. Für die Beschäftigten an den Hochschulen sieht er vier Großbaustellen in der Tarifrunde 2019. Deshalb kommt es bei den Streiks auf jede*n an!

  • Interview: Jessica Küppers
  • Funktion: Redakteurin im NDS Verlag
Min.

Wofür kämpfst du in der Tarifrunde 2019?

Als tarifbeschäftigter Uni-Mitarbeiter und Personalrat erwarte ich für den Hochschulbereich Verbesserungen in vier Bereichen: Ganz grundsätzlich sollte mit einem substanziellen Gehaltsplus die Lücke zumindest zum Tarifvertrag im öffentlichen Dienst Bund und Kommunen (TVöD) geschlossen werden. Dazu zählt natürlich auch der noch ausstehende Anpassungsschritt für die Stufe 6. Mit Blick auf sprudelnde Steuereinnahmen, Wachstum der Wirtschaft und Preissteigerungsrate sind die geforderten 6 Prozent meines Erachtens auch vollkommen angemessen.

Darüber hinaus sollte es – analog zur letzten TVöD-Tarifrunde – eine Anhebung der ersten beiden Entgeltstufen geben: An den Hochschulen sind weiterhin knapp 90 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen befristet beschäftigt, regelmäßig nur für ein paar Jahre. Dieses Plus käme also insbesondere den jungen Kolleg*innen beim Berufseinstieg zugute, wenn schon die sonstigen Arbeitsbedingungen und Perspektiven häufig eher unbefriedigend sind.

Im Hochschulbereich muss die Entgeltordnung endlich adäquat ausgestaltet werden! Dabei gilt es, sowohl die Bereiche Lehre sowie Studiengangs- und Wissenschaftsmanagement neben der Forschung wie insbesondere auch Kriterien für Höhergruppierungen zu berücksichtigen. Gleichzeitig muss Ungleichbehandlungen zwischen Fachhochschule und Universität beziehungsweise den jeweiligen Absolvent*innen ein Ende gesetzt werden! Diese sind genauso unangebracht, wie im Schulbereich die Ungleichbehandlungen verschiedener Lehrämter.

Und schließlich: Die Beschäftigungsverhältnisse und Arbeitsbedingungen von studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräften müssen dringend vom Geltungsbereich des Tarifvertrags erfasst werden. Es ist skandalös, dass – abgesehen von Berlin, wo es einen entsprechenden Tarifvertrag gibt – die Bundesländer hier weiterhin kein Jota von ihrer Verweigerungshaltung abrücken.

Warum ist es so wichtig, für Tarifforderungen auf die Straße zu gehen? Wen nimmst du mit zum Streik?

Naja: Angemessene Gehaltszuwächse und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen sind ja nichts, was uns der Arbeitgeber freudestrahlend und widerstandslos zugesteht. Wenn der Vorsitzende der Arbeitgeberseite unsere Lohnerhöhungsforderung als „völlig überzogen“ einstuft, ist abzusehen, dass die Verhandlungen hart werden und es einen gewissen Druck von der Straße braucht. Dass es an den Hochschulen zu umfassenden Streikmaßnahmen kommen wird, halte ich dabei leider für eher unwahrscheinlich: Der gewerkschaftliche Organisationsgrad an den Hochschulen ist überschaubar und die Tarifverhandlungen fallen in die vorlesungsfreie Zeit. Aber es sollte durchaus gelingen, einige Kolleg*innen und GEW-Studis dazu zu bewegen, bei Aktionen Gesicht zu zeigen.

Was würdest du denjenigen sagen, die noch nie gestreikt haben oder sich an anderen Aktionen der GEW beteiligt haben? Warum sollten sie in dieser Tarifrunde dabei sein?

Es kommt auf jede*n an! Tarifverhandlungen sind kein Selbstläufer. Und die Arbeitgeberseite soll sehen, gegen wen sie sich stellt. Streik beziehungsweise Aktionen im Rahmen der Tarifrunde bedeuten darüber hinaus ja nicht „Nichtstun“, sondern gerade das Gegenteil: aktiv, kreativ und solidarisch Flagge zeigen für unsere Rechte. Außerdem dienen sie auch immer dazu, mit Kolleg*innen aus den verschiedenen Bildungsbereichen ins Gespräch zu kommen, Positionen zu diskutieren und sich zu vernetzen.

Was wünscht du dir für deinen Arbeitsbereich auch über die nächste Tarifrunde hinaus?

Auch wenn hier und da durchaus positive Entwicklungen festzustellen sind – der Befristungswahn an den Hochschulen setzt sich leider fort. Diese sind mitunter erstaunlich „kreativ“, was Qualifizierungsziele und damit Befristungsbegründungen betrifft. Nachbesserungen und Präzisierungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes sind also dringend erforderlich! Hierbei, wie auch bei der anstehenden Weiterentwicklung der verschiedenen Hochschulpakte, muss als eine zentrale Maxime gelten: Dauerstellen für Daueraufgaben. Jenseits dessen bereitet die anstehende Novellierung des NRW-Hochschulgesetzes einige Sorgen, da damit substanzielle Verschlechterungen hinsichtlich Mitwirkungsmöglichkeiten sowie Arbeits- und Studienbedingungen abzusehen sind. Bedenklich dabei sind Zersplitterungstendenzen, eigentlich grundlegende Reglungen in den Entscheidungsbereich der einzelnen Hochschule zu verlagern. Damit entzieht sich das Land seiner Verantwortung, die es für die Beschäftigten und die Studierenden seiner Hochschulen hat. Es wird noch wichtiger als bisher, die GEW-Aktiven in den Hochschulen vor Ort zu unterstützen.