Schule 25.02.2020

Selbstwirksamkeit als Mittel gegen Schulverweigerung

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Schülerinnen lernen im Handwerkerinnenhaus Köln Wege zurück in einen geregelten Alltag

Schulabsentismus durch werkpädagogische Arbeit zu beenden ist das Ziel eines Projekts im Kölner Handwerkerinnenhaus. Giulia Trimarchi, Sozialpädagogin des Projekts, stellt den Lernort Kneifzange vor.

  • Autor*in: Giulia Trimarchi
  • Funktion: Ansprechpartnerin für das Projekt Kneifzange
Min.

Die Kneifzange ist ein außerschulischer Lernort mit einem werkpädagogischen Schwerpunkt im Bereich Holz im Handwerkerinnenhaus in Köln. Sie richtet sich an Schülerinnen des 9. und 10. Schuljahres, die nicht mehr oder sehr unregelmäßig in die Schule gehen. Einige Schülerinnen sind bis zu zwei Jahre, in Einzelfällen auch länger, nicht mehr in der Schule gewesen. Die Biografien dieser jungen Frauen sind von zahlreichen Brüchen und Belastungen geprägt, die letztlich zur Schulverweigerung geführt haben.

Wirksame Hilfe gegen Schulabsentismus

Der tägliche Stundenplan von 8:30 bis 13:35 Uhr setzt sich zusammen aus 10 Stunden Unterricht  in der Werkstatt pro Woche und Gruppenaktivitäten, wie etwa Frühstück, Gruppenstunden und Freizeitunternehmungen.

Bei dem werkpädagogischen Angebot können die Mädchen grundlegende Techniken der Holzbearbeitung erlernen und eigene Werkstücke planen und kreieren. Durch die Arbeit in der Werkstatt und die schnellen Erfolge dort erleben sich die Mädchen nach längerer Zeit des Schulabsentismus wieder oder erstmals als selbstwirksam. Auch können die Schülerinnen durch das konzentrierte Arbeiten in der Werkstatt von ihren alltäglichen Problemen Abstand nehmen und sich wieder besser auf den Unterricht konzentrieren.

Schülerinnen stärken

Der Unterricht findet in Kleingruppen statt. Durch die individuellen Lernpläne, aufgestellt von einer Förderschullehrerin, können Lernlücken geschlossen und durch greifbare Ziele die Lernmotivation wieder gesteigert werden. Erfolgserlebnisse, sowohl im Unterricht als auch in der Werkstatt, stärkt das Selbstbewusstsein der Schülerinnen, und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wächst zunehmend. In der Kneifzange haben die Mädchen zudem die Möglichkeit, den Hauptschulabschluss zu erreichen.

Die sozialpädagogische Arbeit umfasst Krisenintervention und Beratungsgespräche mit den Jugendlichen. Neben dem engen Kontakt mit den Schülerinnen nimmt auch die intensive Elternarbeit einen hohen Stellenwert ein. Weitere wichtige Aufgaben sind die Lebens- und Berufsplanung der Schülerinnen und die Entwicklung einer schulischen und beruflichen Perspektive.

Das Projekt Kneifzange steht in enger Kooperation mit der Förderschule für soziale und emotionale Entwicklung Auguststraße, die uns eine Förderschullehrerin in Vollzeit stellt, und der Gesamtschule Mülheim. Es finden regelmäßige Kooperationstreffen mit dem Schulleiter der Förderschule Auguststraße statt, um aktuelle Informationen und einen fachlichen Austausch bezüglich der Teilnehmer*innen sicherzustellen.

Förderbedarf wird häufig zu spät erkannt

Wir stellen häufig fest, dass Schülerinnen mit einem erhöhten sonderpädagogischen Förderbedarf zu uns ins Projekt kommen, bei denen es in der Vergangenheit versäumt wurde, diesen frühzeitig festzustellen. Die Problemlage der Schülerinnen entwickelt sich oft erst nach Klasse 6 und führt dann oft zu Schulabsentismus. Da laut Gesetz der sonderpädagogische Förderbedarf nur bis zur sechsten Klasse festgestellt werden darf, erhalten sie nicht die ihnen zustehende passgenaue Unterstützung. Wir hoffen, dass in Zukunft auf entsprechender Ebene ein Umdenken und eine daraus resultierende Veränderung stattfindet, sodass diese Schülerinnen eine weitaus realistischere Chance hätten, wieder ins Schulsystem integriert und angepasst an ihre Lebenssituation gefördert zu werden.

Schulmüdigkeit frühzeitig begegnen

Eine weitere für die Prävention von Schulabsentismus unumgänglich Maßnahme ist es, Schülerinnen, die schon erste Anzeichen von Schulmüdigkeit aufzeigen, frühzeitig aufzufangen, wie unser werkpädagogisches, schulbegleitendes Angebot Pfiffigunde – Prävention von Schulverweigerung, das zeitgleich mit der Kneifzange 1999 im Handwerkerinnenhaus startete. Durch feste Ansprechpartner*innen an Schulen, wie Schulsozialarbeiter*innen, Vertrauenslehrer*innen und Schulpsycholog*innen könnten Schüler*innen intensiv betreut und aufgefangen und frühzeitig wirksame Maßnahmen eingeleitet werden.