Kaum wenige Wochen im Amt hat NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer einen Brief an etwa 2.400 Lehrkräfte verschickt, die zum Schuljahresbeginn keine feste Stelle bekommen haben oder als Lehramtsanwärter*innen zum 31. Oktober 2017 ihr Referendariat beenden. Dahinter steckt der Versuch, Lehrkräfte mit einer Lehramtsausbildung für das Gymnasium beziehungsweise die Gesamtschule zeitlich befristet für zwei Jahre an die Grundschulen zu locken. Im Gegenzug garantiert sie ihnen im Anschluss die Versetzung auf eine Sekundarstufen-II-Stelle im Umkreis von 35 Kilometern der Grundschule und die Aussicht auf eine Verbeamtung mit Besoldung nach A 13 Z.
Bisher sind 488 Stellen an Grundschulen entsprechend ausgeschrieben worden. 134 Lehrer*innen haben sich dafür beworben. Das zeigt: Die betroffenen Lehrkräfte nehmen die Maßnahme an. Hilfreich ist sicherlich die in Aussicht gestellte Verbeamtung nach A 13 Z.
Schlechte Bedingungen tragen zum Lehrkräftemangel bei
Zuvor hatte die Vorgängerregierung im Juli 2016 über einen Erlass die Möglichkeit für Lehrkräfte mit dem Lehramt für Gymnasien und Gesamtschulen geschaffen, sich auf Ausschreibungen von Grundschulen für ausgewählte Fächer zu bewerben. Die Kolleg*innen bekommen einen befristeten Arbeitsvertrag für maximal zwei Jahre und können gleichzeitig am Einstellungsverfahren an den Gymnasien und Gesamtschulen teilnehmen. Zu Beginn ihrer Dienstzeit folgt eine kurze Einführung in die Grundschulpädagogik.
Der Erfolg blieb jedoch aus: Etwa 20 Lehrer*innen sind seitdem über diesen Weg an Grundschulen in NRW vermittelt worden. Das ist ein verschwindend geringer Anteil angesichts des eklatanten Lehrkräftemangels. Schuld daran sind auch die schlechten Bedingungen, kritisiert die GEW NRW. Denn für ihre Arbeit an der Grundschule bekommen die Kolleg*innen lediglich EG 11 für zwei Jahre. Zum Vergleich: Bei einer Vertretungsstelle an einem Gymnasium oder einer Gesamtschule bekämen sie EG 13.
Keine langfristige Lösung für die Grundschulen
Aus Sicht der Grundschulen ist auch das aktuelle Angebot der NRW-Landesregierung eine kurzfristige Maßnahme, die den Mangel nicht nachhaltig beheben wird. Die neuen Lehrkräfte sind relativ kurz an den Schulen und müssen sich erst in die Arbeitsweise einfinden.
Auch nach Ansicht der GEW NRW soll die Maßnahme den Lehrkräftemangel nur kurzfristig abfedern. Allerdings muss die Landesregierung dringend für eine Verbesserung der Besoldung, der Arbeitsbedingungen und der Ausbildungsmöglichkeiten sorgen. Es braucht unbedingt langfristige Veränderungen, denn der Nachwuchs wird auch in Zukunft fehlen. So sind von 17.646 Studierenden, die ihr Studium im Studienjahr 2016 in NRW aufgenommen haben, lediglich 2.809 in Primarstufen- beziehungsweise Grund- und Hauptschulstudiengängen eingeschrieben. Mehr als Hälfte der Lehramtsstudierenden strebt aber einen Abschluss als Lehrkraft in der Sekundarstufe II an.
Gerechte Besoldung und bessere Rahmenbedingungen
Die angekündigte Werbekampagne für den Lehrer*innenberuf reicht nicht aus. Sie muss unterfüttert werden von einer Besoldungsreform und einer grundsätzlichen, spürbaren Attraktivitätssteigerung des Berufs und vor allem seiner Rahmenbedingungen. Dazu gehört neben einem gerechten Besoldungssystem die Senkung der Belastung im Arbeitsalltag von Lehrer*innen.