In der Not wird der Mensch bekanntlich erfinderisch. So hat die Landesregierung auf den Lehrkräftemangel an Grundschulen unter anderem mit einer Öffnung für den Seiteneinstieg reagiert. Wer beim Seiteneinstieg jedoch an einen geregelten Quereinstieg mit Erwerb des Lehramts für die Grundschule denkt, wird enttäuscht.
Regelungen für den Seiteneinstieg an Grundschulen teils grotesk
Der Seiteneinstieg an Grundschulen ist in NRW seit 2017 für die Fächer Kunst, Musik, Sport und Englisch geöffnet. Nach einer einjährigen pädagogischen Einführung ist eine unbefristete Beschäftigung vorgesehen, allerdings nur mit einer Unterrichtserlaubnis für eines der genannten Fächer. Knapp 600 Personen wurden an Grundschulen bisher auf dieser Basis eingestellt. Grotesk: Selbst wer zwei der zugelassenen Fächer studiert hat, darf nur in einem Fach an der pädagogischen Einführung teilnehmen.
Kaum Aufstiegschancen für Seiteneinsteiger*innen an Grundschulen
Die Seiteneinsteiger*innen helfen den Grundschulen in ihrer schwersten Krise seit Jahrzenten. Die Potenziale, die sie mitbringen, werden allerdings nicht ausgeschöpft. Denn eine berufliche Weiterentwicklung bleibt ihnen verwehrt. Derzeit ist es weder möglich die Unterrichtserlaubnis für ein weiteres Fach zu erwerben, noch können sich Seiteneinsteiger*innen auf eine Funktionsstelle bewerben. Seiteneinsteiger*innen in der Grundschule bleiben dauerhaft in der Entgeltgruppe 10 des Tarifvertrags der Länder (TV-L).
Im Berufsalltag bleibt es jedoch nicht bei dem Einsatz in einem Fach. „Ich bin Klassenlehrerin und unterrichte Deutsch und Mathematik im ersten Schuljahr“, so beschreibt eine Teilnehmerin ihren Alltag. Und die Kollegin ist bei Weitem kein Einzelfall – das ist auch im Ministerium für Schule und Bildung (MSB) bekannt.
Ministerium für Schule und Bildung NRW spielt auf Zeit
Allerdings werden daraus bisher keine Konsequenzen gezogen. Bevor Seiteneinsteiger*innen an Qualifizierungsmöglichkeiten teilnehmen können, gilt es viele Hürden zu überwinden. Für die Betroffenen unverständlich: „Wir haben studiert, wir können uns selbst Fachwissen aneignen. Wir brauchen praktikable Lösungen, denn wir haben eine hohe Motivation und wollen unsere Arbeit gut machen.“ Die anwesenden Vertreter des MSB aus den Bereichen Fortbildung und Lehrerausbildung, Bernd Müller und Christian Schmidt, versprachen zwei Maßnahmen intensiv zu prüfen: nämlich die Zulassung zwei Fächer zu unterrichten, wenn beide studiert wurden, und die Möglichkeit eines berufsbegleitenden Studiums unter Gewährung von Stundenermäßigung.
GEW NRW fordert berufsbegleitendes Studium für Seiteneinsteriger*innen
Die GEW NRW fordert eine berufsbegleitende Möglichkeit zum Erwerb des Lehramts Grundschule zu schaffen und Fortbildungsangeboten für Seiteneinsteiger*innen anzupassen! „Wir wollen, dass Seiteneinsteiger*innen mit Lehrkräften auf Augenhöhe zusammenarbeiten können und nicht dauerhaft Lehrkräfte zweiter Klasse bleiben“, so Maike Finnern, Vorsitzende der GEW NRW. Berlin macht längst vor, dass ein berufsbegleitendes Studium für das Lehramt an Grundschulen möglich ist. Dort wird in der Regel in den Fächern Deutsch und Mathematik qualifiziert.
Grundschulen fehlt allerorts Personal – prekäre Beschäftigung ist die Folge
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat sich an den Grundschulen ein prekärer Arbeitsmarkt entwickelt: Neben den Seiteneinsteiger*innen im unbefristeten Beschäftigtenverhältnis arbeiten zahlreiche befristet Beschäftigte. In Zeiten des Lehrkräftemangels handelt es sich dabei zu annähernd 100 Prozent um sogenannte Nichterfüller*innen. Nach Schätzungen der GEW NRW sind es bereits mehrere Tausend, die oft seit Jahren mit Kettenverträgen beschäftigt werden. Befristet Beschäftigte bekommen weder eine pädagogische Einführung, noch erhalten sie gezielte Fortbildungsangebote.
Vorbei am Interesse von Kollegium und Schüler*innen: Befristet Beschäftigte werden sich selbst überlassen
In der Praxis werden jedoch auch befristet Beschäftigte wie voll ausgebildete Lehrkräfte eingesetzt und haben großen Anteil daran, dass der Unterrichtsbetrieb an Grundschulen in Zeiten des Lehrkräftemangels aufrechterhalten werden kann. Das funktioniert bisher auch deshalb noch, weil voll ausgebildete Kolleg*innen kontinuierlich und ohne Entlastung Support leisten.
Die GEW NRW fordert, dass die Landesregierung nicht länger die Augen vor diesem grauen Arbeitsmarkt verschließt. Kolleg*innen ohne Lehramt, die sich selbst und der Unterstützung der Kolleg*innen überlassen werden, darf es auch im Interesse der Schüler*innen nicht geben.