Das Regionale Berufsbildungszentrum (RBZ) in Dortmund hat Pionierarbeit für die Kooperation von Berufskollegs in NRW geleistet. „So lange ich dabei bin“, und das seien immerhin schon über 20 Jahre, erzählt Michael Heckmann, Leiter des
Leopold-Hoesch-Berufskollegs, „haben wir in Dortmund darüber diskutiert, wie wir die Zusammenarbeit der acht städtischen Berufskollegs immer wieder auf eine neue Ebene bringen können.“ In 2013 ging es offiziell los im Verbund der Berufskollegs als RBZ. Zu diesem Zeitpunkt waren die Ausbildungszahlen noch nicht rückläufig, aber der enorme zukünftige Fachkräftebedarf war bereits ein großes Thema.
Der landesweite Schulversuch unter dem Namen Regionale Bildungszentren der Berufskollegs (RBZB) startete 2019 mit der Stadt Dortmund. Ein Jahr später zogen sechs weitere Standorte in NRW nach – darunter die Städte Bochum, Düsseldorf und Krefeld sowie die Kreise Höxter, Hochsauerland und Recklinghausen. Der Schulversuch wird wissenschaftlich begleitet und verfolgt zwei Projektlinien: Linie A umfasst Organisations- und Leitungsstrukturen, Linie B bildungsgangbezogene Aktivitäten.
Die Zusammenarbeit im RBZ-Verbund hat von 2013 bis 2018 Strukturen für den Schulversuch in Dortmund vorgezeichnet: „Mit dieser positiven Erfahrung im Gepäck haben wir lange Gespräche geführt – auch mit dem Ministerium für Schule und Bildung NRW. In Düsseldorf hat das Ganze durch die Agenda zur Stärkung der Beruflichen Bildung Fahrt aufgenommen.“ Für Schulleiter Michael Heckmann sei die Kooperation eine organische Entwicklung über viele Jahre gewesen.
Expertise im RBZ-Verbund und neue Formate im Schulversuch
Heute ist im Rahmen des Schulversuchs eine Geschäftsstelle mit drei A15-Stellen besetzt. Dort teilt sich ein Team die administrative und die pädagogische Leitung. Einmal im Monat findet eine Leitungskonferenz statt und die RBZ-Beiratssitzung tagt zweimal pro Schuljahr. Seit Anfang 2022 treffen sich die Schulleitungen aller acht Berufskollegs jeden Dienstag remote von 10 bis 11 Uhr zum Jour fixe. Dort können drängende Themen immer zeitnah besprochen werden. Lehrkräfte aus allen Fachbereichen der Berufskollegs kommen zudem bei Bedarf in Entwicklungsgruppen zusammen.
„Genau dafür sind Schulversuche ja da: Wir erproben auf beiden Linien neue Formate, evaluieren und entwickeln sie weiter“, erzählt Dr. Uwe Wiemann. Er ist seit 2017 Schulleiter des Karl-Schiller-Berufskollegs und erinnert sich gerne an seine Anfänge: „Es war für mich sehr hilfreich, in so ein konstruktives Umfeld zu kommen. Ich hatte immer Ansprechpartner*innen im Verbund, in dem so viel Expertise vorhanden ist“, sagt der Schulleiter. Denn Schulverbundthemen seien immer Themen, die alle angehen und die jede einzelne Schule sowieso für sich lösen müsste. „Wenn man sie aber in der Gruppe löst, ist das viel dankbarer“, ist sich Uwe Wiemann sicher.
Konsens im gemeinsamen Interesse der acht Berufskollegs
Die beiden Schulleitungen sind nicht nur Nachbarn in der Dortmunder Innenstadt, sie arbeiten auch als Sprecher des RBZ-Schulversuchs eng zusammen. Die Rollen rotieren und jede der acht Schulleitungen kommt im Zweijahresrhythmus an die Reihe. Rein rechtlich treffen sie genau wie ihre sechs Kolleg*innen nach wie vor eigenständig Entscheidungen für ihre Schule. „Nur der Weg, wie diese Entscheidungen herbeigeführt werden, hat sich geändert. Wir finden einen Konsens im gemeinsamen Interesse der acht Berufskollegs“, erzählt Michael Heckmann.
Die Zusammenarbeit mit dem Schulträger sei dabei immer unterstützend, kann Uwe Wiemann bestätigen: „Wir werden als Berufskollegs sehr wertschätzend wahrgenommen. Mit insgesamt 21.000 Schüler*innen ist unsere Bedeutung für die Stadt allen klar.“ Das RBZ Dortmund sei wie eine Maschine: Oben wird eine gemeinsame Problemstellung hineingegeben und in konstruktiver Zusammenarbeit kommt unten eine Lösung für alle heraus.
Geschäftsstelle ist wichtige Schnittstelle im Schulversuch
In der Leitungskonferenz sitzt neben den Schulleitungen ein*e Vertreter*in der Stadt: „So können wir Fragen mit dem Schulträger direkt besprechen“, sagt Michael Heckmann. „Zum Beispiel, wenn es darum geht, welche digitale Ausstattung gebraucht wird oder wie wir Geflüchtete bestmöglich beschulen und die Jugendlichen gut auf die Internationalen Förderklassen in allen Häusern verteilen können.“ Der monatliche Termin ist für die Dortmunder zweigeteilt: Es werden einerseits Themen rund um den Schulversuch besprochen und andererseits Verbundthemen, die die acht Berufskollegs parallel weiterverfolgen.
In den Jour fixe können alle Beteiligten Themen einbringen, die Geschäftsstelle übernimmt die Koordination. „Sie ist die Schnittstelle zwischen den Gremien und kümmert sich zum Beispiel um alle Sitzungen oder entwickelt Konzepte, wie das für die Entwicklungsgruppen“, sagt Uwe Wiemann. Deshalb sei es auch so wichtig, dass die beiden pädagogischen Geschäftsführungen aus den Kollegien der Berufskollegs kommen und den Anschluss an die Schulpraxis mit einem Tag Unterricht pro Woche nicht verlieren.
Die administrative Geschäftsführung stellt die Stadt Dortmund. „Von Anfang an war klar, dass bestehendes Personalrecht nicht angetastet wird. Abordnungen hat es bis heute nicht gegeben“, erklärt Michael Heckmann. Das Ganze sei ein recht komplexes Konstrukt, meint Uwe Weimann: „Und da sind wir wieder bei der Pionierrolle: In Absprache mit der Bezirksregierung, der Dienststelle und unter Beteiligung der Personal- und Lehrerräte musste dieses Konstrukt ja erst einmal entwickelt werden.“
Ausbildung plus Fachhochschulreife: Ein Konzept, das aufgeht
Die Erfolge und die Zufriedenheit unter den Schulleitungen und Kollegien zeigen, dass die Berufskollegs damit auf dem richtigen Weg sind. Sogar die Lehrerräte aller Häuser haben sich mittlerweile zusammengeschlossen und wählen eine*n gemeinsame*n Vertreter*in. „Die Zusammenarbeit möchten sie auch über den Schulversuch hinaus beibehalten“, freut sich Schulleiter Michael Heckmann über die Entwicklung. Zusammen mit Vertreter*innen der Wirtschaft, der Industrie- und Handelskammer (IHK), der Gewerkschaften IG Metall und IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) sowie der Bundesagentur für Arbeit (BA) ist der Lehrerrat Teil des RBZ-Beirats. „Er ist unser kritischer Freund“, lacht Uwe Wiemann. „Wir bekommen in den Sitzungen hilfreiches Feedback, das wir in die anderen Gremien und bis auf die operative Ebene tragen.“
So sei im Laufe der Jahre das Angebot Ausbildung plus Fachhochschulreife entstanden. „Die Fachhochschulreife konnte bei uns schon immer absolviert werden. An einem kaufmännischen Berufskolleg ist das nicht ungewöhnlich“, sagt Uwe Wiemann. Für eine gewerblich-technische Berufsschule schon eher, weiß Schulleiter Michael Heckmann: „Wir haben das Angebot für nur zwei, drei Schüler*innen gar nicht machen können, obwohl der Wunsch der Ausbildungsbetriebe ganz klar da war.“ Also haben die Berufskollegs im Rahmen des Schulversuchs ein Konzept entwickelt, das schulrechtlich vorher so nicht möglich gewesen wäre.
Im Schulversuch die Berufsausbildung attraktiver gestalten
„Wir haben ein fachbereichsübergreifendes Modell geschaffen, in dem Schüler*innen aus allen Häusern in Mathe, Deutsch und Englisch gemeinsam für die Fachhochschulreife lernen“, berichten die Schulleiter. Die Prüfungen müssen die Mechatroniker*innen, Friseur*innen oder Schreiner*innen am Ende trotzdem fachbereichsspezifisch ablegen – so will es das Gesetz.
„Wir wollten unbedingt allen Jugendlichen, die die Fachhochschulreife machen möchten, auch die Möglichkeit dazu bieten. Denn das ist ja das Thema: Überall wird heute händeringend nach Auszubildenden gesucht und diese Kombination – Ausbildung plus Fachhochschulreife – ist ein Baustein, um die Berufsausbildung attraktiver zu gestalten“, ist sich Uwe Wiemann sicher.
Was passiert, wenn der Schulversuch im nächsten Jahr endet, ist noch offen. Erste konstruktive Gespräche habe es am 5. Mai 2023 mit Vertreter*innen des Ministeriums für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen, der Bezirksregierung Arnsberg und der Stadt Dortmund gegeben, berichten beide Schulleitungen. „Unsere Botschaft ist eindeutig: Wir möchten unsere Kooperation und das gewachsene gemeinsame Angebot über 2024 hinaus aufrechterhalten.“
Schulversuch im Kreis Recklinghausen
Personalrat kämpft für Mitbestimmung
Wenn Schulen Kooperationen eingehen, läuft nicht immer alles rund. Der landesweite Schulversuch Regionale Bildungszentren der Berufskollegs (RBZB) hat im Kreis Recklinghausen das Interesse der zuständigen Personalräte geweckt.
Dort ist der Vestische Berufskollegverbund (VBV) ansässig, ein Verband der städtischen Berufskollegs, der sich lange vor dem auf ministerieller Ebene beschlossenen Schulversuch gegründet hat. Im Kreis Recklinghausen hat der VBV eine Steuergruppe für den landesweiten Schulversuch eingerichtet. Doch nicht alle projektbeteiligten Schulen waren parallel auch VBV-Mitglieder¹, was die Beurteilung der Rechtslage erschwert. Für das Projekt, das der Schulversuch RBZB juristisch betrachtet darstellt, hat es zum Start 2022 Abordnungen von zwei Lehrkräften der Berufskollegs im Kreis Recklinghausen gegeben, denen der Personalrat nicht zugestimmt hat.
Weil eine Dienstvereinbarung zwischen dem Personalrat Berufskolleg und der Bezirksregierung Münster regelt, wie A14- und A15-Stellen auf die Berufskollegs verteilt werden, unterliegen die Verteilung und ihre Besetzung der Mitbestimmungspflicht. Und genau hier hakt es, weiß GEW-Personalrat Helmut Hermes, der den Fall im Kreis Recklinghausen von Beginn an begleitet: „Der Personalrat wurde in der Vergangenheit im Schulversuch RBZB gern übergangen.“ Die VBV-Steuergruppe ließe den Personalrat zwar an Sitzungen teilnehmen, aber er dürfe lediglich bei „personalrechtlich relevanten Themen“ anwesend sein. „Wer legt fest, was personalrechtliche Themen im Projekt sind?“, fragt Helmut Hermes berechtigt. Eine andere Frage ist, auf welcher Stufe die Mitbestimmung angesiedelt ist. Auf Ebene des Bezirkspersonalrats oder auf Ebene der Lehrerräte an den einzelnen Schulen? Was passiert, wenn ein Lehrerrat beispielsweise der Einführung einer Software für die Kommunikation nicht zustimmt? Kann die Schule dann noch im VBV mitarbeiten oder muss sie diesen und das RBZB verlassen?
Seit Beginn des Projekts ist der Personalrat für Berufskollegs bemüht zu klären, was der VBV verwaltungstechnisch ist, und hat dazu mehrere Anfragen an die Bezirksregierung Münster gestellt. Die Situation bezüglich der Beachtung der Mitbestimmungsrechte ist nicht zufriedenstellend. Der Personalrat lässt sich inzwischen juristisch beraten und setzt sich weiter intensiv für die Belange der Beschäftigten ein: „Es dürfen in solchen Projekten keine parallelen Dienststellenstrukturen geschaffen werden“, fordert Ute Lorenz, Expertin für Personalrecht und Mitbestimmung der GEW NRW. „Dienstherr ist immer noch das Land. Dieser muss für die Einhaltung der Mitbestimmungsrechte sorgen.“
¹ Nachdem der Kreis einen Änderungsantrag gestellt hat, sind 2023 alle Schulen, die nicht im VBV mitarbeiten wollten, aus dem Schulversuch ausgeschlossen worden. Der Schulversuch wird nun nur von den Schulen des VBV getragen.