Offener Ganztag 30.11.2018

Schulsozialarbeit kommt on top!

SchulsozialarbeitBildungsfinanzierungMPT – Fachkräfte im multiprofessionellen TeamSozialpädagogikInklusion

Interview mit Expertinnen für Schulsozialarbeit der GEW NRW

Es geht in der zeitgemäßen Schulsozialarbeit um multiprofessionelle Teams, einheitliche Finanzierungsmodelle und Beschäftigungsverhältnisse, konkrete Berufsprofile, Beförderungsmöglichkeiten und faire Bezahlung! Mit ihrer Stellungnahme zum Antrag der NRW-Fraktion der SPD „Neustrukturierung der Schulsozialarbeit“ stärkt die GEW NRW den Kolleg*innen in der Schulsozialarbeit den Rücken! Bei der Anhörung am 21. November 2018 war die Bildungsgewerkschaft vertreten.

  • Interview: Sherin Krüger
  • Funktion: Redakteurin im NDS Verlag
Min.

Im Interview berichten zwei Expertinnen der Arbeitsgruppe Schulsozialarbeit der GEW NRW wie sich das Durcheinander rund um die Stellen für Schulsozialarbeiter*innen vor Ort auswirkt: Antje Adu ist Personalrätin Gesamtschule in Münster, Marion Vittinghoff ist Personalrätin Hauptschule in Düsseldorf sowie im Leitungsteam Sozialpädagogische Berufe der GEW NRW.

Kontakt zu den Personalrät*innen der GEW NRW

Schule braucht unbedingt multiprofessionelle Teams. Doch für viele Schulen in NRW ist das nach wie vor Luxus. Woran hapert es eurer Meinung nach vor Ort?

Antje Adu: In erster Linie fehlt es an Ressourcen. Der Regelfall sah bis 2011 so aus, dass ein*e Schulsozialarbeiter*in mit bis zu 80 Lehrer*innen ein multiprofessionelles Team bildete. Von intensiver Zusammenarbeit kann bei dieser Größe natürlich kaum die Rede sein. Ab 2011 wurden dann weitere Schulsozialarbeiter*innen von den Kommunen aus Mitteln des Bildung- und Teilhabepakets (BuT) eingestellt. Diese Stellen waren befristet und drohten mehrfach ersatzlos gestrichen zu werden. Es folgten 2017 Stellen für multiprofessionelle Teams zur Integration, 2018 zusätzlich Stellen zur Inklusion. Daraus entstand ein teils reger Wildwuchs unterschiedlichster sozialpädagogischer Arbeit mit und auch ohne Konzept. Während es auf jeden Fall viele Beispiele guter Zusammenarbeit in den Schulen gibt, kommt es leider auch dazu, dass Schulleitungen unangenehme Aufgaben, die im Grunde wenig mit Schulsozialarbeit zu tun haben, schlicht delegieren.

Marion Vittinghoff: Insbesondere in Zeiten von zunehmend schwierigen Aufgaben bei gravierendem Lehrermangel erleben wir das immer häufiger. Schulen, die Stellen für Schulsozialarbeiter*innen einrichten wollen, müssen auf Lehrer*innenstellen verzichten. Und welche Schule kann sich das schon leisten? Das aufwändige Matchingverfahren zwischen Kommune und Land erschwert zusätzlich weitere Einstellungen. Eine logische Konsequenz muss sein, dass Stellen für Schulsozialarbeiter*innen den Schulen on top zur Verfügung gestellt und nicht auf das Stellendeputat angerechnet werden. Ferner muss die Anzahl der Stellen in einem bestimmten Verhältnis zur Schüler*zahl stehen – zum Beispiel 1:150. Und der Sozialindex sollte ebenfalls berücksichtigt werden.

Sozialarbeiter*innen hängen in Schule wie kaum eine andere Berufsgruppe häufig in der Luft. Sie können – wie ihr gerade schon beschrieben habt – Landesbeschäftigte oder kommunale Beschäftige sein oder über das BuT finanziert. Warum ist es so wichtig, ein einheitliches Finanzierungsmodell zu etablieren? Was würde das konkret bedeuten für die Kolleg*innen in der Schulsozialarbeit?

Antje Adu: Ein einheitliches Finanzierungsmodell führt zu Stabilität der Arbeitsverhältnisse bei den Beschäftigten. Diese Voraussetzungen wiederum sind die Basis für die Kontinuität in den Beziehungen zu den Schüler*innen und somit der Akzeptanz und Inanspruchnahme der Unterstützungsangebote.

Marion Vittinghoff: Der Flickenteppich aus Landesbeschäftigung und Beschäftigung bei freien Trägern sowie Finanzierungsmodellen der Kommunen oder BuT-Mitteln führte bisher zu hoher Fluktuation und ungleichen Bedingungen. Doch wesentlich für gelingende Zusammenarbeit multiprofessioneller Akteure sind unbefristete gut bezahlte Stellen, Arbeitsbedingungen auf Augenhöhe und gleiche Rahmenbedingungen, kollegiale Fallberatung, und Supervision inbegriffen. Erfolgreiche Schulsozialarbeit braucht attraktive Dauerarbeitsplätze.

Wenn wir über einheitliche Finanzierung sprechen, schwingt eine bessere Bezahlung immer mit. Wie sieht für euch eine faire Bezahlung der Kolleg*innen aus? Bisher kann Schulsozialarbeit ausschließlich auf EG-10-Stellen agieren. Welche Folgen ergeben sich daraus?

Antje Adu: Schulsozialarbeit hat seit seinen Anfängen vor rund 50 Jahren einen großen Wandel durchgemacht. Während damals der Schwerpunkt im Bereich des Ganztags lag, erfüllen sozialpädagogische Fachkräfte heute ein immenses, stets wachsendes Spektrum an Aufgaben. Der gesellschaftliche Wandel, Inklusion und Integration erfordern professionelle Antworten im Ganztag und in der Beratung. Deshalb ist in vielen Bereichen der Schulsozialarbeit von einer besonderen Schwere der Tätigkeit auszugehen. Daher fordert die GEW NRW in der kommenden Tarifrunde die Eingruppierung in die Entgeltgruppe (EG) 11. Darüber hinaus müssen die Beförderungsmöglichkeiten für Schulsozialarbeiter*innen verbessert werden.

Marion Vittinghoff: Viele Beförderungsstellen werden ausschließlich für Lehrer*innen ausgeschrieben, Bewerbungen sind dann erst ab EG 11 beziehungsweise im Beamtenverhältnis ab A 12 aufwärts zulässig. Das bedeutet, dass von Schulsozialarbeiter*innen absolvierte Zusatzausbildungen oder spezielle Kenntnisse unberücksichtigt bleiben. Mehr als die Eingruppierung in die EG 10 und die Stufe 6 können derzeit während einer 40-jährigen Dienstzeit nicht erreicht werden! Die Botschaft ist doch also ganz klar: Engagement lohnt sich nicht!

Antje Adu: Sozialpädagogische Fachkräfte bringen sich auf allen Ebenen ein, der andere Blick auf die Dinge wird sehr geschätzt und führt dazu, dass sie auch im Schulleitungsteam einiger Schule mitwirken. Beförderungen müssen für die Kolleg*innen möglich sein – auch in die höheren Ebenen der Bezirksregierung und des Ministeriums für Schule und Bildung.

Marion Vittinghoff: Das Schulsystem mit seinen großen Herausforderungen wie Inklusion und Integration kann nur dann einen weiteren Schritt hin zu gelingenden Bildungsbiografien machen, wenn auf allen Ebenen multiprofessionelle Teams agieren – und zwar sowohl in den Schulen als auch in der Schulaufsicht. Und die Entscheidungen über Einstellung und Beförderung muss auch im Bereich der Schulsozialarbeit zukünftig berufskompetent durch eine eigene Fachaufsicht getroffen werden können!