Kindern wird die Grundlage für ein chancengerechtes Aufwachsen entzogen, Eltern können sich nicht mehr auf die Betreuung verlassen, Mitarbeitende gehen auf dem Zahnfleisch und die Träger der Organisationen versinken in immer tieferen finanziellen Defiziten. Mangelverwaltung gehört seit Jahren zum traurigen Alltag im sozialen Bereich, nun ist der Kipppunkt erreicht. In dieser dramatischen Lage fordern Elternvertreter*innen, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände einen sofortigen Kurswechsel und eine Verbesserung der Rahmenbedingungen.
„Nordrhein-Westfalen muss das soziale Gewissen der Bundesrepublik bleiben“, heißt es im Koalitionsvertrag der NRW-Landesregierung. Doch Familien, Mitarbeitende und Träger merken davon derzeit wenig. Im Gegenteil: Sie fühlen sich von der Landesregierung im Stich gelassen und kämpfen nun gemeinsam für bessere Bedingungen. Qualität, Verlässlichkeit, gleichberechtigte Teilhabe und den Kostensteigerungen angepasste Finanzierungen gehören zu den Kernforderungen. Die Probleme sind vielschichtig: akute Personalnot, fehlende Mindest-Standards und unzureichende Refinanzierung. Am Beispiel der Kindertageseinrichtungen und der OGS wird das Problem besonders deutlich: Durch eine fehlende Anpassung der Finanzierung laufen zahlreiche Träger in diesem Jahr in ein massives Defizit. Die steigenden Ausgaben für Personal und Sachkosten spiegeln sich nicht in einer angepassten Refinanzierung des Landes wider. Die Landesregierung weigert sich bisher, die Realitäten anzuerkennen und lässt viele Träger mit ihrer Existenznot allein. In der Folge werden Betreuungsangebote vor Ort verringert oder ganz eingestellt, um Insolvenzen zu vermeiden.
Christian Woltering, Vorsitzender der Freien Wohlfahrtspflege NRW:
„Die selbstgesteckten Ziele der Landesregierung aus dem Koalitionsvertrag müssen mehr sein als warme Worte. Das Land muss seiner Verantwortung endlich gerecht werden. Offener Ganztag und Kitas sind nur die Spitze des Eisberges. Von Pflegeeinrichtungen über Angebote für Menschen mit Behinderungen, Integration von Geflüchteten, Schuldnerberatung oder Jugendförderung: Die soziale Infrastruktur in NRW steht auf der Kippe. Die Einrichtungen und die Menschen, die auf sie angewiesen sind, wissen nicht, wie es weitergehen soll. Ganz akut geht es darum, Schließungen zu verhindern und es Trägern zu ermöglichen, ihre Mitarbeitenden angemessen zu entlohnen.“
Anja Weber, Vorsitzende des DGB NRW:
„Mit dem Tarifabschluss im öffentlichen Dienst ist es den Gewerkschaften gelungen, die Sozial- und Erziehungsberufe weiter aufzuwerten und die Attraktivität zu erhöhen. Damit leisten wir einen wertvollen Beitrag gegen den Fachkräftemangel. Klar ist aber auch: Damit die Träger den Tarifabschluss übernehmen können, braucht es finanzielle Unterstützung durch das Land NRW. Die Landesregierung darf die Träger, die Beschäftigten und die Familien nicht im Stich zu lassen. Sie muss in einem ersten Schritt einen Rettungsschirm aufspannen, um die aktuelle Notlage der Kitas und der Offenen Ganztagsschulen zu überbrücken. In einem zweiten Schritt müssen die Weichen gestellt werden, um die Mangelverwaltung dauerhaft zu beenden.“
Gabriele Schmidt, Landesleiterin, ver.di NRW:
„Gute Arbeit und Bildung kosten Geld! Das gilt für die Kitas und den Offenen Ganztag. Die Einrichtungen sind auf die finanzielle Hilfe des Landes angewiesen, um den Bildungsauftrag an den Kleinsten in unserer Gesellschaft erfüllen zu können. Die derzeitige Belastungssituation hat nicht nur Auswirkungen auf die Attraktivität des Berufs, der Personalmangel hat durch Schließungen und Teilschließungen der Einrichtungen auch gravierende Auswirkungen auf Eltern und Kinder. Wir fordern kurzfristige schnelle Hilfen des Landes und stehen als zuständige Gewerkschaft für gute Tarifverträge. Beides muss Hand in Hand gehen.“
Ayla Çelik, Vorsitzende der GEW NRW:
„In der jetzigen Situation beobachten wir, dass der Personalmangel die Qualität schlägt und die Beschäftigten nicht mehr sinnstiftend ihrer pädagogischen Arbeit nachgehen können. Kindertagesstätten und Offener Ganztag sind nicht nur Orte der Betreuung, sondern in erster Linie Orte der Bildung. Deshalb ist es aus unserer Sicht notwendig, dass Qualitätsstandards in Kitas eingehalten sowie verbessert werden. Zudem gilt es jetzt, Mindeststandards für den OGS festzulegen, damit gute Rahmenbedingungen nicht von der Finanzkraft der Kommunen abhängen. Der Fachkräftemangel führt zu einer untragbaren Situation für Beschäftigte, Kinder und Eltern. Die frühkindliche Bildung muss endlich in den Fokus der Landesregierung gerückt werden, weil hier der Grundstein für Chancengleichheit und eine erfolgreiche Bildungsbiographie gelegt wird. Aus diesem Grund muss der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz für das Jahr 2026 politisch unbedingt realisiert werden.“
Daniela Heimann, Vorstandsmitglied Landeselternbeirat NRW:
“Alle Kinder in NRW müssen uneingeschränkten Zugang zur Kindertagesbetreuung erhalten, dies ermöglicht ihnen ein chancengerechtes Aufwachsen und eine gleichberechtigte Teilhabe. Eltern brauchen Stabilität in den Angeboten, um weiteren Verpflichtungen im Alltag verlässlich nachkommen zu können.”