„Ungleiches ungleich behandeln“ so lautet die zugespitzte gewerkschaftliche Forderung nach einem schulscharfen Sozialindex. Ziel dieses Instruments ist, dass besonders herausgeforderte Schulen mehr materielle und personelle Ressourcen zugewiesen bekommen, um ihre Arbeit angesichts unterschiedlicher Herausforderungen bestmöglich zu unterstützen. Damit kann ein schulscharfer Sozialindex, der im Haushalt auch mit entsprechenden Stellen hinterlegt ist, einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von Bildungsungleichheit leisten.
Nicht alle Belastungsfaktoren werden berücksichtigt
Der schulscharfe Sozialindex wurde federführend von Prof. Jörg-Peter Schräpler von der Ruhr-Universität Bochum und dem Landesinstitut QUA-LiS weiterentwickelt. Dabei werden die Schulen in neun Stufen eingeteilt werden, wobei die Kategorie neun die größte Herausforderung bedeutet. Berücksichtigt werden dabei die Quote der Schüler*innen, deren Familien Sozialhilfe beanspruchen, sowie der Anteil der Schüler*innen, in deren Familien nicht Deutsch gesprochen wird und der Anteil der Schüler*innen, die aus dem Ausland zugezogen sind. Auch der Anteil an Kinder mit den sonderpädagogischen Förderschwerpunkten Lernen, Emotionale und Soziale Entwicklung oder Sprache wird einbezogen. Daraus ergibt sich ein komplexer Index, der viele mögliche Belastungsfaktoren der Schulen berücksichtigt. Das ergibt angesichts der vielfältigen und zum Teil sehr unterschiedlichen Herausforderungen einzelner Schulen durchaus Sinn. Das hatte die GEW NRW noch Anfang dieses Jahres gefordert – schön, dass diese Forderung direkt aufgegriffen wurde. Die Verteilung von Ressourcen hat direkten Einfluss auf die Arbeitsbedingungen an jeder Schule. Bessere Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte haben einen maßgeblichen Einfluss auf die Lernbedingungen der Schüler*innen. Deshalb wäre es aus Sicht der GEW NRW sinnvoll gewesen auch solche Belastungsfaktoren zu berücksichtigen, die die konkrete Arbeitssituation in der Schule beeinflussen: etwa den Krankenstand, die Teil- und Vollzeitrelation und die Stellenbesetzung.
Die offene Frage der Verteilung
Offen bleibt jedoch nach wie vor die Frage der Verteilung. Zwar kündigt der Staatssekretär an, dass zukünftig Stellen für schulische Zusatzbedarfe nach dem Sozialindex verteilt werden sollen und zugleich keine „Verteilungskonkurrenz“ entstehen soll, indem manchen Schulen etwa Lehrkräfte weggenommen werden. Unklar ist, wie zusätzliche Stellen besetzt werden sollen. So hatte Schräpler in einem Interview mit der Bildungsgewerkschaft darauf hingewiesen, dass der Sozialindex den Lehrkräftemangel nicht beseitigen könne. Die unbeantwortete Frage lautet also: Wie soll etwas verteilt werden, das gar nicht ausreichend vorhanden ist? Es wird deutlich, dass der Sozialindex nicht nur ausreichend finanziell abgesichert sein muss, sondern dass die Landesregierung dafür sorgen muss, zusätzliche Lehrkräfte zu gewinnen. Dafür könnte es sinnvoll sein, den Seiteneinstieg weiterzuentwickeln und zumindest zeitlich begrenzt einen berufsbegleitenden Erwerb des Lehramtes bzw. eines Faches zu ermöglichen. Dauerhaft müsste dem Lehrkräftemangel mit einer Attrakitivätssteigerung begegnet werden. Dazu zählt ganz zentral, dass die verfassungswidrige Besoldungsstruktur endlich angegangen wird und A13z für alle Lehrkräfte im Einstiegsamt umgesetzt wird. Hier ist die Landesregierung seit 2017 im Wort.