Die #MeToo-Debatte hat bewirkt, dass sexuelle Gewalt benennbar und besprechbar geworden ist. Das Tabu wurde durchbrochen. Es ist deutlich geworden, dass es bei sexueller Gewalt um Machtmissbrauch geht, um Demütigung und Ausbeutung sowie um Diskriminierung. Ich arbeite mit einem weiten Begriff von sexueller Gewalt: Sexuelle Belästigung, sexueller Kindesmissbrauch, sexuelle Grenzverletzungen, sexuelle Nötigung, herabsetzende Sprüche und sexualisierte Atmosphäre gehören dazu.
Sexuelle Gewalt beginnt nicht erst mit dem tatsächlichen Übergriff oder einer Vergewaltigung, sondern sehr viel früher. Diese breite Sichtweise macht deutlich, dass es um strukturelle Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen, Mächtigen und Ohnmächtigen geht. Und die zeigen sich schon in vermeintlich kleineren Grenzverletzungen.
Machtdimension von sexueller Gewalt
Die jungen Frauen, die die #MeToo-Debatte initiiert haben, waren sehr mutig und selbstbewusst. Sie sagen: „Mit mir nicht!“ – und stellen Forderungen auf, unter welchen Bedingungen sie arbeiten wollen. Sie haben die Machtdimension von sexueller Gewalt auf die Tagesordnung gesetzt. Sie haben erreicht, dass sich Menschen mit Führungsverantwortung gegen übergriffige Männer in ihren Reihen wenden. Das Schweigekartell funktioniert nicht mehr – weder in der Filmindustrie noch in Regierungskabinetten. Die Öffentlichkeit schaut nicht mehr weg und will es auch nicht mehr. Das Erlebte der Opfer wird weniger infrage gestellt als bisher.
An uns liegt es nun, dass wir diesen Wandel unterstützen und befördern. Wir alle müssen dazu beitragen, dass die offene Debatte über die Ursachen sexueller Gewalt weitergeführt wird, dass es zu Denk- und Veränderungsprozessen kommt. Gelegenheit zum Dialog hat jede*r: im Kollegium, in Gewerkschaftsveranstaltungen und -sitzungen sowie am eigenen Küchentisch.
Sexistisches Verhalten offenlegen
Unsere Aufgabe in Bildungseinrichtungen und in der Gewerkschaft ist es, Situationen, die Mädchen und Frauen zu Objekten und zu Opfern machen, zu verhindern und anzusprechen. Wenn es doch so weit kommt, müssen wir erklären, warum ein Spruch oder ein Verhalten sexistisch ist. Wir haben es alle in der Hand einzugreifen und ein Gespräch anzubieten. Gerade Gewerkschaften setzen sich für gesetzliche Regelungen zum Schutz von Mädchen und Frauen ein. Frauen sind nicht gleichberechtigt, weil es Gewalt gegen sie gibt. Und es gibt Gewalt gegen sie, weil sie nicht gleichberechtigt sind.
Diskriminierungs- und gewaltfreie Kultur in Bildung
Machen wir uns also mit den Kolleg*innen in der GEW und an unseren Arbeitsplätzen und mit den Kindern und Jugendlichen in den Bildungseinrichtungen auf den Weg zu einer diskriminierungs- und gewaltfreien Kultur. Es liegt an uns allen, Kinder und Jugendliche ernst zu nehmen, wenn sie von Vorfällen sexueller Gewalt sprechen. Wir sollten an Schulungen zum Schutz und zur Prävention teilnehmen, für unsere Einrichtungen Schutz- und Präventionskonzepte erarbeiten und dabei Kinder und Jugendliche beteiligen. Dazu gehört auch, Ansprechpersonen für jede Einrichtung zu benennen und dafür zu sorgen, dass Übergriffe sanktioniert werden. Als Lehrer*innen, als Pädagog*innen haben wir Einfluss darauf, was gelernt wird und wie der Umgang miteinander ist. Bildung ist entscheidend für eine gewaltfreie Gesellschaft.