Chancengleichheit 29.03.2018

Mehr als 1,6 Milliarden Euro für Privatschulen

ChancengleichheitBildungsfinanzierung
Mehr als 1,6 Milliarden Euro für Privatschulen

Entwicklung von Privatschulen in NRW

Privatschulen boomen, der Staat finanziert. NRW ist da keine Ausnahme. Doch welche Rolle spielen Privatschulen – zu Lasten öffentlicher Schulen – bei der Sicherung der kommunalen Daseinsvorsorge und eines wohnortnahen Schulangebots?

  • Autor*in: Michael Schulte
  • Funktion: Geschäftsführer der GEW NRW
Min.

In NRW besuchten im Schuljahr 2016/2017 insgesamt 210.010 Schüler*innen eine der 553 Privatschulen in NRW. Das geht aus den amtlichen Schuldaten des Landes hervor. Die Zahl der Schüler*innen ist im Vergleich zum Schuljahr 2009/2010 fast unverändert geblieben. Die Zahl der Schulen ist jedoch um 18,7 Prozent gestiegen von 466 auf 553.

Unter den allgemeinbildenden Schulen sind die Grundschulen, Realschulen und Gesamtschulen auffällig. Die Zahl der privaten Grundschulen stieg seit 2009 um fast 41 Prozent von 44 auf 62, die der privaten Realschulen um ein Viertel von 48 auf 60 und die der privaten Gesamtschulen sogar um 82,4 Prozent von 17 auf 31. Weil die neu gegründeten Privatschulen oft noch im Aufbau sind, ist davon auszugehen, dass auch die Zahl der Schüler*innen mit Zeitverzug steigen wird.

Staat zahlt überproportional viel für Privatschulen

Die Finanzierung der privaten Ersatzschulen hat in Nordrhein-Westfalen Verfassungsrang. Nach Artikel 8 Absatz 4 Satz 3 der Landesverfassung NRW haben genehmigte Ersatzschulen gegenüber dem Land Anspruch auf die zur Durchführung ihrer Aufgaben und zur Erfüllung ihrer Pflichten erforderlichen öffentlichen Zuschüsse.

Beim Blick auf den Landeshaushalt von 2009 wird deutlich, dass die Ausgaben des Staates für Privatschulen in NRW überproportional gestiegen sind. Der gesamte Haushalt des Schulministeriums stieg in dieser Zeit um 34,7 Prozent, der veranschlagte Etat für die Finanzierung von Privatschulen jedoch um 43,4 Prozent. Im NRW-Landeshaushalt 2018 sind insgesamt 1.618.426.000,- Euro für die Finanzierung der Privatschulen vorgesehen, 2009 waren es 1.129.036.000,- Euro.

Schulentwicklungsplanung vor Ort

Der Gewerkschaftstag der GEW NRW hat zuletzt gefordert, dass eine Gründungsgenehmigung für eine Ersatzschule nur erteilt werden darf, wenn dadurch staatliche Schulen im Einzugsgebiet in ihrer Existenz nicht gefährdet werden. In der Folge müssten die Ersatzschulen in die Regelungen des Paragrafen 80 des Schulgesetzes zur Schulentwicklungsplanung gleichwertig einbezogen werden. So sollen offensichtliche Fehlentwicklungen abgestellt werden, die derzeit durch die Gründung von Privatschulen entstehen.

Schulgeld und soziale Selektion

Die zentrale Frage der Privatschuldebatte lautet: Inwiefern fördern sie soziale Selektion? Das Sonderungsverbot soll verhindern, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern entscheidend für den Besuch einer Privatschule sind. Warum eine Missachtung des Verbots schwierig zu belegen ist, legte das NRW-Schulministerium im Landtag dar: „Für den Anwendungsbereich des Sonderungsverbots heißt dies wiederum, dass nur den Erziehungsberechtigen oder den volljährigen Schülerinnen und Schülern pflichtweise abverlangte Geldleistungen, die in einem zwangsläufigen Konnex zum Schulbesuch stehen, in diesem Zusammenhang zu betrachten sind. Nur solche Leistungen werden als Schulgeld bezeichnet. Hiervon zu unterscheiden sind Beiträge zur Aufbringung der Eigenleistung, die ersatzschulfinanzrechtlich dadurch definiert sind, dass sie mit eben dieser Zweckbestimmung und auf freiwilliger Basis geleistet werden. Diese Beiträge zur Aufbringung der Eigenleistung unterliegen nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht dem Sonderungsverbot. Auch freiwillige Leistungen der Eltern beziehungsweise Schülerinnen und Schüler zum Beispiel an Fördervereine sind kein Schulgeld.“