Drei Jahre wurde der Masterplan immer wieder angekündigt, nun ist er endlich da. Aber er liefert leider immer noch kein ausgereiftes Konzept, wie eine Stärkung des Lernorts Grundschule aussehen könnte. Neue Aufgaben für Lehrkräfte, vage Ankündigungen ohne konkrete Zeitpläne, weitere Handreichungen und der Verweis auf sogenannte Landesprogramme ergeben aneinandergereiht noch kein zukunftsweisendes Konzept. Ideen zur Verbesserung der Bildungsgerechtigkeit fehlen in dem Plan ebenso wie eine nachhaltige Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Auf eine Anhebung der Bezahlung auf A 13 Z/ EG 13 warten die Kolleg*innen weiter vergebens. Darüber können auch einzelne positive Maßnahmen nicht hinwegtäuschen.
Nehmen wir das Positive zuerst. Es gibt deutliche Verbesserungen, die die GEW schon lange gefordert hat:
- Alle Grundschulen erhalten unabhängig von ihrer Größe Konrektor*innen.
- Grundschulen erhalten Beförderungsstellen im Umfang von 5 Prozent der Stellen. Allerdings bleiben Sie damit weiter hinter allen anderen Schulformen zurück und auch die Fachleitungen warten weiter auf ein Beförderungsamt.
- Eine Zurückstellung vom Schulbesuch von Schüler*innen ist auch aus präventiven Gründen möglich.
- Unter bestimmten Voraussetzungen kann schon am Ende des ersten Schulbesuchsjahres der Verbleib in der Schuleingangsphase (SEP) verlängert werden.
- Mehrsprachigkeit erfährt mehr Wertschätzung: Der Herkunftssprachliche Unterricht (HSU) wird durch eine mögliche Verzahnung mit dem Regelunterricht aufgewertet.
„Stärkung der Fachlichkeit“ statt Stärkung der Kinder
Besonders am Schulanfang soll ein Fokus auf Kernkompetenzen gelegt werden. Damit sind allerdings die früheren Hauptfächer Deutsch und Mathematik gemeint und nicht etwa die Förderung basaler Fähigkeiten, die erfolgreiches Lernen erst ermöglichen. Die vom Ministerium forcierte Stärkung der Fachlichkeit soll unter anderem ab dem Schuljahr 2021/22 durch eine Implementierung neuer Lehrpläne erreicht werden. Hier wird erhebliche zusätzliche Arbeit auf die Grundschulen zukommen. Die Schulämter sollen dafür personell verstärkt werden. Den Schulen wird zugestanden, zwei ganztägige Fortbildungen durchzuführen. Der Unterricht darf dafür ausfallen.
Ein Blick auf den Vorschlag des Schulministeriums zeigt, dass die Kompetenzerwartungen in den Fächern nicht vom Kind her entwickelt werden, sondern sich aus den Erwartungen der Sekundarstufe I ergeben. Am augenfälligsten wird dies bei der Umstellung beim Fach Englisch, das nun erst ab Klasse 3 unterrichtet werden soll. Dabei geht es im Kern wohl darum, Didaktik und Methodik des Faches an den Sprachunterricht in der Sekundarstufe I anzupassen. Der spielerische Umgang mit Sprache in den ersten zwei Schuljahren, wie er von den Kolleg*innen vor Ort praktiziert wird, wird aufgegeben.
Lehrkräftemangel kurz- und mittelfristig ungelöst
Trotz eines Ausbaus der Studienplätze fehlen Grundschullehrkräfte ebenso wie Sonderpädagog*innen in Nordrhein-Westfalen. Statt auf bestmögliche Qualifizierung der Seiteneinsteiger*innen zu setzen, soll geprüft werden, ob Übungsleiter*innen der Sportverbände im Unterricht eingesetzt werden können. Auch ein Einsatz von Erzieher*innen in die pädagogische Arbeit der Grundschule wird geprüft. Unklar ist, in welcher Form dies geschehen könnte.
Sozialpädagogische Fachkräfte sollen fehlende Sonderpädagog*innen ersetzen, weitere Personalengpässse ausfüllen, den coronabedingten Ausfall von Lehrkräften auffangen. Im Masterplan wird sogar mit der Idee gespielt, sozialpädagogische Fachkräfte auch in Klasse 3 und 4 einzusetzen. Dabei sollen sie weiterhin nach EG 10 bezahlt werden. Fair geht anders!
Keine verbindlichen Standards für die Inklusion an Grundschulen
Eine grundsätzliche Neuorientierung der Inklusion an Grundschulen findet weiterhin nicht statt. Während für die Sekundarstufe I Standards definiert wurden, fehlen diese an den Grundschulen. Es ist weder geklärt, wie viele Lehrkräfte pro Lerngruppe notwendig sind, noch wie groß die inklusiven Lerngruppen maximal sein sollen. Die kommunale Klassenrichtzahl sorgt in der Praxis nicht, wie im Masterplan behauptet, für kleine Klassen im Gemeinsamen Lernen.
Mit 1.000 zusätzlichen Stellen für das Gemeinsame Lernen in den kommenden Jahren bleiben die Grundschulen weit hinter der Personalaufstockung für das Gemeinsame Lernen in der Sekundarstufe I zurück. Für das nächste Schuljahr sollen nur 100 Stellen für Sonderpädagog*innen zusätzlich ausgeschrieben werden. Des Weiteren werden 200 Tarifstellen genannt, womit vermutlich multiprofessionelle Kräfte gemeint sind.
Durch eine Vereinfachung des Verfahrens zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs (AO-SF) sollen die Sonderpädagog*innen in den Grundschulen entlastet werden. Klassen- und Fachlehrkräfte werden allerdings durch das neue Format der Lernfortschrittsanalysen zusätzlich belastet.
Mehr Entlastung ins Ungewisse verschoben
Angekündigt wird die lange überfällige Aufstockung der Anrechnungsstunden auf das Niveau von Real- und Hauptschulen. Diese Stunden dienen dem Ausgleich besonderer Belastungen. Grundschulen erhalten bisher 0,2 Stunden je Lehrerstelle, eine Anhebung auf 0,5 Stunden soll erfolgen. Hiermit wird eine langjährige Forderung der GEW NRW erfüllt. Bitter ist allerdings, dass dies unter dem Vorbehalt geschieht, dass „der daraus bestehende Mehrbedarf an Lehrkräften durch geeignete und begleitende Maßnahmen gedeckt werden kann.“ Wann mag das angesichts des anhaltenden Lehrkräftemangels der Fall sein?
Kein Wort zu Corona und kein A 13
Während die Schulen weiterhin tagtäglich mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu tun haben, spielt diese im Masterplan keine Rolle. Obwohl gerade Grundschulen große Probleme haben, Infektionsschutz und einen altersgerechten Unterricht zu vereinbaren, gibt es dazu keinerlei Aussagen. Dieses Problem wird die Grundschulen noch länger beschäftigen und hätte mit bedacht werden müssen.
Keine Aussagen finden sich auch zu fairer Bezahlung von Grundschullehrkräften. A 13 Z beziehungsweise EG 13 wird weiterhin nicht umgesetzt. Auch die Ungerechtigkeit bei den Pflichtstunden zwischen den Schulformen wird konsequent ignoriert. Richtigerweise wird im Masterplan festgestellt, dass „Unterrichten [...] herausfordernder geworden“ ist. Die Reduzierung der Pflichtstunden an Grundschulen wäre ein erster Schritt, um das pädagogische Personal an Grundschulen nachhaltig zu entlasten.
Drei Jahre Zögern und Zaudern und am Ende kein großer Wurf
Statt die Arbeitsbedingungen der Kolleg*innen an den Grundschulen endlich in elementaren Punkten an die Bedingungen in der Sekundarstufe I anzupassen, setzt der Masterplan darauf, dass Kolleg*innen durch ihr hohes Engagement die strukturellen Benachteiligungen der Schulform ausgleichen.