lautstark. 07.04.2025

Maßnahmen gegen Fachkräftemangel in Kitas

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Tropfen auf den heißen Stein

Der Mangel an pädagogischem Personal in NRW-Kitas ist hoch, zugleich besteht weiterhin ein großer Bedarf an zusätzlichen Kitaplätzen. Die Landesregierung versucht, mit verschiedenen Maßnahmen gegenzusteuern. Für die GEW NRW ist das nicht ausreichend. Sie fordert, das Kinderbildungsgesetz grundlegend zu reformieren.

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  • Ausgabe: lautstark. 02/2025 | Zwischen Mangel und Qualität: Bildung braucht Stabilität
  • Autor*in: Stephan Osterhage-Klingler
  • Funktion: stellvertretender Vorsitzender der GEW NRW
Min.

Auch wenn in den vergangenen Jahren in NRW mehr Kitaplätze geschaffen wurden, reicht dies nicht aus. Nach Berechnungen der Bertelsmann Stiftung fehlen derzeit über 100.000 Kitaplätze in NRW. Gerade im U3-Bereich liegt NRW mit einer Betreuungsquote von 32,2 Prozent auf dem drittletzten Platz aller Bundesländer, und auch im Ü3-Bereich belegt NRW trotz der erreichten 90 Prozent Betreuungsquote nur einen Platz im Mittelfeld. Außerdem fehlen laut einer Studie des Deutschen Jugendinstituts bis 2030 in NRW 20.000 Fachkräfte. Dazu kommt eine enorm hohe Abbrecher*innenquote in der Ausbildung. Es besteht also weiterhin enormer Handlungsbedarf, wenn NRW künftig allen Kindern ein angemessenes frühkindliches Bildungsangebot machen will.

Die Landesregierung hat in den vergangenen Jahren einige Programme aufgelegt, um dem Personalmangel in den Kitas zu begegnen. Diese können allerdings nur als Tropfen auf den heißen Stein bezeichnet werden. Zudem gilt seit Ende 2024 eine neue Personalverordnung, die aus Sicht der GEW NRW die Sicherstellung einer Betreuung deutlich über die Qualität der frühkindlichen Bildung stellt. Dies hat die GEW NRW unter anderem gegenüber der Familienministerin Josefine Paul scharf kritisiert. Die Personalverordnung trägt dazu bei, dass die Belastung für die Fachkräfte weiter steigt. Dabei zeigen Studien, dass der Krankenstand aufgrund der hohen Belastung in den Kitas bereits heute enorm hoch ist.

Aus Sicht der GEW NRW muss daher das Kinderbildungsgesetz (KiBiz) grundlegend reformiert werden. Daher fordert die GEW NRW unter anderem:

  • Die Refinanzierung der Träger muss verbessert werden, inklusive einer zeitnahen Refinanzierung von Tariferhöhungen. Nur so ist eine Tarifbezahlung möglich und die freien Träger im Land können auch dauerhaft ein frühkindliches Bildungsangebot vorhalten.
  • Der Fachkraft-Kind-Schlüssel muss hinterfragt und überprüft werden, um die Belastungen der Beschäftigten zu senken und vor allem ein angemessenes frühkindliches Bildungsangebot zu sichern. Vor- und Nachbereitungszeiten pädagogischer Angebote müssen angemessen berücksichtigt werden.
  • Die Praxisintegrierte Ausbildung (PIA) von Erzieher*innen stellt neben der klassischen schulischen Ausbildung inklusive Anerkennungsjahr eine gute Möglichkeit dar, um über drei Jahre hinweg bezahlt und mit einem Praxisbezug die Ausbildung zu machen. Dieser hohe Praxisbezug kann die Abbrecher*innenquote minimieren und die Ausbildung attraktiver machen. Hierfür benötigen die Träger aber eine angemessene Finanzierung, um diese Ausbildung bezahlen zu können.
  • Das Alltagshelfer*innen-Programm muss ins KiBiz aufgenommen und dadurch verstetigt werden.

Wir erwarten von der Landesregierung, dass eine Reform des KiBiz gemeinsam und auf Augenhöhe unter Beteiligung der Beschäftigten, vertreten durch die Gewerkschaften, erfolgt. Nur gemeinsam können Lösungen gefunden werden, die ein gutes frühkindliches Bildungsangebot sichern und die Bedürfnisse der Fachkräfte mit in den Blick nehmen.

Ergänzungskräfte bereichern unsere tägliche Arbeit, oft durch ihren großen Erfahrungsschatz. Sie sind unverzichtbar und sollten gestärkt werden. Die neuen Vorgaben schaffen jedoch eine riesige Verunsicherung: Ergänzungskräfte haben über viele Jahre gelernt, dass sie nicht allein verantwortlich sein können und dürfen. Nun ist die Situation plötzlich eine ganz andere. Gleichzeitig sendet die Änderung an die Fachkräfte erneut das Signal einer Geringschätzung ihres Berufs. 

Alltagshelfer*innen: Große Hilfe,  aber kein Ersatz für Fachkräfte

Das Alltagshelfer*innen-Programm war im Sommer 2020 im Zuge der Corona-Pandemie und den damit verbundenen strengen Hygieneauflagen aufgelegt worden und endete zunächst nach einem Jahr, um dann ab Sommer 2021 wieder aufgelegt zu werden. Aktuell ist das Programm finanziell eingeplant bis zum Haushaltsjahr 2027. Die GEW fordert eine dauerhafte Implementierung der Alltagshelfer*innen im Kinderbildungsgesetz (KiBiz). Sie sind mittlerweile ein unverzichtbarer Bestandteil des Kitateams, weil sie die Fachkräfte bei ihren alltäglichen, nicht-pädagogischen Arbeiten entlasten können, zum Beispiel durch die Unterstützung im hauswirtschaftlichen Bereich oder beim Küchendienst. Es ist jedoch wichtig, dass die Aufgaben der Alltagshelfer*innen klar abgegrenzt und in einen pädagogischen Kontext eingebunden werden. Sie sollten nicht als Ersatz für qualifiziertes Fachpersonal angesehen werden, sondern als Ergänzung und Unterstützung.

NRW-Ministerium für Kinder, Jugend, Familie: Kita-Helfer*innen-Programm NRW

Quereinstieg in die Kinderbetreuung: Wenig attraktiv zur Fachkräftegewinnung

Der Quereinstieg in die Kinderbetreuung (QiK-Programm) ist eine Initiative der Landesregierung, die es Menschen aus verschiedenen Berufsbereichen ermöglichen soll, in Kitas zu arbeiten. Die Quereinsteiger*innen absolvieren zwei Jahre lang berufsbegleitende Fortbildungen, um danach in eine um ein Jahr verkürzte Kinderpfleger*innen-Ausbildung (1 Jahr statt 2 Jahre) starten zu können. Das Programm ist bisher in Mönchengladbach gestartet, soll aber ab dem Kitajahr 2025 / 2026 auf weitere Kommunen übertragen werden.

Auf den ersten Blick mag das Programm als eine sinnvolle Maßnahme gegen den Fachkräftemangel erscheinen. Doch die Praxis zeigt, dass Quereinsteiger*innen oft vor Herausforderungen stehen, die durch unzureichende Vorbereitung und fehlende Praxiserfahrung verschärft werden. Die Einarbeitung der Quereinsteiger*innen muss zwangsläufig über die Kolleg*innen im System erfolgen, was zu einer weiteren Belastung der Fachkräfte führen kann. Insbesondere die Tatsache, dass die Quereinsteiger*innen ab Dezember 2025 bereits zu Beginn ihres Einsatzes mit 50 Prozent auf die vorgeschriebenen Ergänzungskraftstunden angerechnet werden können, kritisiert die GEW NRW. Ausbildungszeiten sind Ausbildungszeiten und sollten nicht auf die benötigten Stunden angerechnet werden!

Weiterhin stellt sich für die GEW NRW die Frage, wie attraktiv das Angebot des Quereinstiegs sein wird, wenn nach einer zweijährigen Qualifizierung noch eine einjährige Ausbildung wartet. Eventuell könnten so zwar mehr Ergänzungskräfte gewonnen werden, der weitere Weg über den Quereinstieg zur Ausbildung zur Fachkraft wirkt eher unattraktiv, besonders für Kolleg*innen, die schon lebensälter sind und von dem Programm eigentlich auch angesprochen werden sollen.

KiTa. NRW – Kompetenz & Vielfalt: Quereinstieg in die Kinderbetreuung – QiK