Urlaub ist nach Feierabend – auch in den Schulferien
Urlaub: Entspannung, Essen, Eltern und Freunde besuchen, fantastische Reisen, Bücher – nein, nicht die zur Unterrichtsvorbereitung –, Wein, Wandern und wunderbar witzige Abende. Eine Unterbrechung vom Alltag, das ist Urlaub! Diese Unterbrechung vom alltäglichen Schulleben können mir die Osterferien tatsächlich bieten. Allen anderen mit Urlaub assoziierten Dingen widme ich mich in dieser unterrichtsfreien Zeit auch – nach Feierabend!
Lange Liste für die Osterferien
Tatsächlich bin ich froh, sowohl die Vorbereitungen als auch die Durchführung des täglichen Unterrichts, der Elterngespräche oder Konferenzen für zwei Wochen – beziehungsweise acht Arbeitstage, die es abzüglich der gesetzlichen Feiertage sind – unterbrechen zu dürfen, um mich mit all den anderen, längst um den Schreibtisch und im Hinterkopf gestapelten Aufgaben befassen zu können. Als Klassenlehrerin an einer Förderschule habe ich mir vorgenommen in den Osterferien …
- neue Förderpläne zu schreiben,
- den anstehenden Elternsprechtag vorzubereiten,
- den Bericht für einen Antrag auf Wechsel des sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfs einer Schülerin zu formulieren,
- alle bisher gesammelten Informationen für mein in diesem Halbjahr zweites Gutachten zur Feststellung des sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfs eines Schülers an der Grundschule zu verschriftlichen,
- meine Revisionsstunde vorzubereiten sowie
- einen Übersichtsplan und entsprechendes Material für die anstehenden Unterrichtsreihen zu erstellen.
Mehr Erfahrung heißt mehr Routine und Freizeit
Ich denke, dass diese Liste aus zwei Gründen so umfangreich ist, die beide auf meine bisher geringe Erfahrung zurückzuführen sind: Zum einen merke ich im Vergleich zu erfahreneren Kolleg*innen, dass diese schon während der Unterrichtszeit mehr Ressourcen haben, um viele Aufgaben neben dem Unterrichten zu erledigen. Zum anderen benötigen sie – und das gilt insbesondere für die Unterrichtsvorbereitung, aber auch für andere Aufgaben – aufgrund ihrer Routinen und den vorhandenen Materialien weniger Zeit. Ich hingegen nehme die genannten zusätzlichen Aufgaben während der Unterrichtszeit (noch) als besonders belastend wahr.
Letztendlich unterliegt uns Lehrer*innen die Einteilung der Arbeitszeit in hohem Maße selbst, was meiner Erfahrung nach leider immer wieder zu Vorurteilen führt, die das große Engagement vieler Kolleg*innen verkennen. Ich erfasse daher für mich persönlich meine Arbeitszeit, auch während der Ferien, und versuche 40 Stunden pro Woche nicht zu überschreiten und sechs Wochen im Jahr wirklich Urlaub zu machen – bisher leider mit wenig Erfolg.
Annika Lage, Lehrerin an einer Förderschule
So ein Glückspilz!
Wenn ich meine Familie in Thüringen besuche, werde ich regelmäßig mit alten Vorurteilen konfrontiert, die ich einst selbst für gültig erachtete. Stetig wird mir vorgerechnet, dass ich doch nur einen Halbtagsjob und zwölf Wochen Urlaub im Jahr habe. Nicht zu vergessen natürlich die fürstliche Bezahlung und die Arbeitsplatzgarantie – man, bin ich ein entspannter Glückpilz!
Zeit- und Planungsmanagement neben den Pflichtstunden
Nach fünf Jahren im Job an einer Ganztagsschule bin ich zwar grundsätzlich zufrieden: Ich kann nicht gekündigt werden und auch meine Familie ernähren. Jedoch habe ich erhebliche Zweifel, dass die mir gestellten Aufgaben in der dafür vorgesehenen Zeit abzuarbeiten sind. Beratung, Korrekturen, Unterrichtsvorbereitung, Konferenzen, Projekte etc. – die Liste könnte ich noch ewig weiterführen – sind neben den 25,5 Pflichtstunden zentrale Aufgaben einer Lehrkraft.
Ich versuchte also zunächst meine daraus resultierenden Zeitdefizite – ich arbeitete häufig bis in die Nacht hinein und hatte an den Wochenenden und in den Ferien eine sehr intensive Beziehung mit meinem Schreibtisch geführt – durch Fortbildungen in Zeit- und Planungsmanagement zu minimieren. Die gelernte Eisenhower-Methode und die Pomodoros zeigten mir aber sehr deutlich, dass ich offensichtlich zu langsam arbeitete.
Die eigenen Qualitätsansprüchen nicht erfüllen können
Neugierig, ob ich denn der Einzige im Kollegium sei, erkundigte ich mich bei vielen Kolleg*innen nach ihren Plänen für die Osterferien. Ich wollte meine Defizite nicht direkt thematisieren und erhoffte mir durch diese Taktik einen Einblick zu bekommen.
Offensichtlich war die trickreiche Frage weniger dafür geeignet herauszufinden, wo die Kolleg*innen ihre Ferien verbringen würden. Vielmehr sprudelte es aus ihnen heraus, was alles zu erledigen sei. Es müssen Facharbeiten, Klausuren, Klassenarbeiten korrigiert, Abiturvorschläge für das mündliche Fach ausgearbeitet, Material für die Seiteneinsteiger*innen und /oder für die Kinder mit Förderbedarf angefertigt oder überarbeitet, Reihenplanungen, Klassenfahrt und die Themenwoche für das letzte Quartal geplant werden.
Was mich dabei am meisten überraschte: Kaum jemand glaubte daran, all diese Aufgaben in der Qualität, die aus eigener Sicht nötig wäre, zu schaffen. Und kaum jemand nahm sich einige Tage zur Regeneration frei.
So oder so: Lehrer*innen benötigen mehr Zeit für ihr Aufgabenpaket!
Auch protokollierte niemand die Arbeitszeit oder kam nur auf die Idee, dass Überstunden abgerechnet werden müssten. Auch ordnete die Schulleitung niemanden an, dass man all diese Aufgaben in den Ferien zu erledigen habe. Die gesamten Ferien wurden selbstverständlich für die außerunterrichtlichen Tätigkeiten verplant.
Die Gespräche ließen nur zwei sich widersprechende Schlüsse zu: Entweder arbeiten alle zu langsam oder die Aufgabenfülle kann neben den Pflichtstunden nicht adäquat erledigt werden. Die Konsequenz daraus ist jedoch kein Widerspruch: Wenn alle zu langsam arbeiten oder die Aufgabenfülle zu groß ist, müssen Lehrer*innen zur Bewältigung ihrer Tätigkeit mehr Zeit bekommen oder Aufgabenpakete kleiner werden.
Für meine Familie in Thüringen arbeite ich immer noch halbtags und habe zwölf Wochen Urlaub im Jahr. Sie bedauern lediglich, dass ich sie in meiner überdurchschnittlich vielen freien Zeit so selten besuche.
Tino Orlishausen, Lehrer an einer Ganztagsschule