Schule 14.12.2018

Grundschulen in NRW warten auf den Masterplan

GrundschuleAusbildungOffene GanztagsschuleMedienkompetenz
Grundschulen in NRW warten auf den Masterplan

Schulministerium will die Qualität der Grundschulbildung stärken

Einen Masterplan für Grundschulen hat das Ministerium für Schule und Bildung Anfang 2018 angekündigt, um die Arbeit in der Primarstufe besser zu unterstützen. Inzwischen gab es ein erstes Gespräch mit der GEW NRW, dem Grundschulverband, der Landeselternschaft und den übrigen Verbänden, aber ein konkreter Entwurf liegt noch nicht auf dem Tisch. Fest steht: Der Masterplan soll die Qualität der Grundschulbildung stärken. Was das für die Bildungsgewerkschaft bedeutet, erklärt Susanne Huppke, von der Fachgruppe Grundschule der GEW NRW.

  • Interview: Anja Heifel-Rohden
  • Funktion: Redakteurin im NDS Verlag
Min.

GEW NRW: Die Qualität der Grundschule stärken – wie kann das aus Sicht der Fachgruppe Grundschule der GEW NRW gelingen?

Susanne Huppke: Fangen wir ganz am Anfang an: Die Schuleingangsphase muss gestärkt werden. Dafür ist es richtig, dass die Zahl der sozialpädagogischen Fachkräfte aufgestockt wird, denn die Herausforderungen beim Schulstart und in der Schuleingangsphase lassen sich nur mit multiprofessionellen Teams bewältigen. Jede Grundschule benötigt als Grundversorgung eine halbe Stelle für Sozialpädagogische Fachkräfte pro Zug. Zur Stärkung von Schulen mit hohem Sozialindex müssen dort zusätzliche Stellen hinzukommen.

Wenn Bildung verbessert werden soll, müssen außerdem die Grundschulklassen verkleinert werden. Die GEW NRW betrachtet 20 Kinder als obere Grenze. Auch eine zu frühe Einschulung darf nicht die ganze Bildungslaufbahn negativ beeinflussen. Deshalb muss es wieder möglich sein, dass Schüler*innen vom Schulbesuch rückgestellt werden oder die erste Klasse wiederholen können.

Wie steht die Fachgruppe zur angekündigten Überarbeitung von Lehrplänen?

Es ist auch aus unserer Sicht sinnvoll, neue Erfordernisse wie Inklusion oder Digitalisierung in den Lehrplänen zu verankern. Die Überarbeitung sollte aber nicht genutzt werden, um strengere Vorgaben zu Lerninhalten oder Methoden zu machen. Die Debatte um die Methode „Lesen durch Schreiben“ zum Beispiel weist in eine falsche Richtung. Methodenfreiheit ist unerlässlich, damit Lehrkräfte flexibel auf die Bedarfe der Kinder reagieren können.

Wenn das fachliche Lernen gestärkt werden soll, darf über dem Ziel einer Stärkung von Deutsch und Mathematik nicht die ganzheitliche Bildung des Kindes mit all seinen Talenten aus dem Blick geraten. Einen einheitlichen Grundwortschatz lehnt die Fachgruppe Grundschule ebenso ab wie jegliche Maßnahmen, die die pädagogische Freiheit einschränken.

Der Englischunterricht ab der ersten Klasse hat sich unter fachlichen Gesichtspunkten bewährt, auch in multikulturellen Klassen. Kinder mit deutscher oder anderer Herkunftssprache wenden die vermittelten Strategien vielfältig zum Sprachenlernen an und lernen, mit ihren Mitschüler*innen auf gleicher Ebene zu kommunizieren.

Im Sommer 2018 hat das Schulministerium entschieden, die Fachseminare Deutsch und Mathematik zusammenzulegen. Geht so Qualitätsverbesserung nach Masterplan?

Nein! Wer Bildungsqualität will und gleichzeitig die Ausbildungsqualität im Referendariat verschlechtert, verliert an Glaubwürdigkeit. Ab Mai 2019 sollen in einem kombinierten Seminar Deutsch/Mathematik die Ausbildungsinhalte beider Fächer zusammengefügt werden. Das neue Kombifach erweckt den Eindruck, als stehe in der Grundschule die Fachlichkeit hintenan. Das steht in krassem Widerspruch zu dem erklärten Ziel, den Unterricht in Deutsch und Mathematik zu stärken. Die Ausbildung in drei Fächern wird die Lehramtsanwärter*innen zusätzlich belasten, aber wohl kaum die Qualität verbessern.

Wie viel Digitalisierung verträgt die Grundschule?

Das ist eine gute Frage. Auch Grundschulkinder leben in einer Welt, in der der Umgang mit digitalen Medien selbstverständlich ist. Medienkompetenz muss deshalb früh angebahnt werden. Die Fachgruppe Grundschule unterstützt ausdrücklich die Forderung der Kultusministerkonferenz nach einem Primat des Pädagogischen. Bei der Arbeit mit digitalen Medien muss also stets geprüft werden: Ist ihr Einsatz unter fachlichen und pädagogischen Gesichtspunkten in der konkreten Situation sinnvoll?

Gerade in der Grundschule darf das Begreifen im Sinne von Ertasten und Fühlen nicht zu kurz kommen. Die Zeit, in der Grundschüler*innen mit digitalen Geräten arbeiten, muss ihrem Entwicklungsstand angemessen sein. Unter dieser Prämisse kann der Einsatz digitaler Medien eine große Bereicherung sein. Dafür müssen selbstverständlich auch Grundschulen digital gut ausgestattet und die Lehrkräfte für ihre neuen Aufgaben gut fortgebildet werden.

Welche Maßnahmen sind darüber hinaus notwendig für einen Masterplan Grundschule, um die Qualität der Bildung zu stärken?

Wir dürfen den Ganztag nicht vergessen! Die Offene Ganztagsschule – kurz: OGS – ist ein Erfolgsmodell, wenn es um die Quantität geht. Die Qualität des Konzepts OGS muss aber dringend verbessert werden durch einen neuen Masterplan. Die GEW NRW erwartet, dass verbindliche Standards festgelegt werden für die Personalausstattung, die Qualifizierung des Personals und Fortbildungsmöglichkeiten ebenso wie für die sächliche und räumliche Ausstattung. Schulen, die einen rhythmisierten Ganztag einführen wollen, müssen dazu bessere Möglichkeiten als bisher erhalten.