lautstark. 12.12.2023

Gegen autoritäre Haltungen im Geschichtsunterricht

AntirassismusAntidiskriminierungErinnerungskulturPolitische Bildung

Schüler*innen Methoden an die Hand geben

Warum gerade der Unterricht in den Fächern Geschichte und Gesellschaftslehre eine wichtige Rolle für eine Bildung gegen autoritäre Haltungen spielt und wie Schüler*innen Demokratie über den Unterricht hinaus in ihrer Schule erlernen können, erzählt Geschichtslehrer Lars-Steffen Meier.

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  • Ausgabe: lautstark. 06/2023 | Gegen autoritäre Haltungen: Mehr Miteinander
  • im Interview: Lars-Steffen Meier
  • Funktion: Lehrer, unter anderem für Geschichte
  • Interview von: Vanessa Glaschke
  • Funktion: Redakteurin im NDS Verlag
Min.

Welche Rolle spielt der Geschichts- und Gesellschaftslehreunterricht für eine Bildung gegen autoritäre Haltungen?

Lars-Steffen Meier: Grundsätzlich sollte jeder Unterricht, unabhängig vom Fach, eine offene und demokratiefördernde Lehr- und Lernkultur schaffen und so zur Bildung gegen autoritäre Haltungen beitragen. Besonders wichtig ist dies in den Fächern Geschichte und Gesellschaftslehre. Denn dort setzen sich die Schüler*innen mit historischen Ereignissen und Prozessen, gesellschaftlichen Strukturen und politischen Systemen und Machtverhältnissen auseinander, die historischen Entwicklungen unterliegen. Diese zu hinterfragen und zu verstehen, kann dazu beitragen, dass Lernende aktuelle demokratiefeindliche Tendenzen und ihre Gefahren für unsere offene Gesellschaft frühzeitig erkennen. Um dieses Verständnis zu entwickeln ist es wichtig zu wissen, was aktuelle Entwicklungen vor dem Hintergrund konkreter historischer Erfahrung bedeuten und wie sie einzuordnen sind. Wenn beispielsweise die Gräueltaten während der NS-Diktatur oder die Verbrechen in den deutschen Kolonien von antidemokratischen Akteuren öffentlich relativiert werden, ist es notwendig, diese Aussagen historisch kritisch zu bewerten, um die manipulative und antidemokratische Absicht zu erkennen.

Darüber hinaus fördert insbesondere das Methodenrepertoire des Geschichtsunterrichts den kritischen Umgang mit Informationen und Darstellungen. Die Schüler*innen lernen in diesem Unterricht, dass es notwendig ist, Informationen kritisch zu hinterfragen, verschiedene Perspektiven einzunehmen und sich so ein eigenes Urteil zu bilden. Gerade diese Kompetenz als wichtiger Bestandteil der Medienkompetenz verhilft den Schüler*innen zur gesellschaftlichen Teilhabe. Diese Teilhabe ist aus meiner Sicht ein wesentlicher Bestandteil einer Bildung gegen autoritäre Haltungen.

Wie können Lehrkräfte im Geschichts- und Gesellschaftslehreunterricht tagesaktuelle Ereignisse besprechen?

Lars-Steffen Meier: Es gibt verschiedene Möglichkeiten und Anlässe, wie tagesaktuelle Ereignisse in den Geschichts- und Gesellschaftslehreunterricht eingebunden werden können. So können beispielsweise Gedenktage und Jubiläen gute Anknüpfungspunkte für den Geschichtsunterricht sein, insbesondere wenn sie zum Unterrichtsthema passen. Denn über solche erinnerungskulturellen Ereignisse können Lehrkräfte mit Schüler*innen auch über Haltungen und Werte der demokratischen Gesellschaft sprechen. Denkbar sind auch ritualisierte Formate, wie die „aktuelle Stunde“, in denen bewusst Zeit für aktuelle Ereignisse eingeräumt wird.

Und welche Rolle spielt Medienkompetenz in diesem Zusammenhang?

Lars-Steffen Meier: Ich denke, dass es wichtig ist, im Unterricht auch Medien zu thematisieren, die die Schüler*innen nutzen: So sollte es selbstverständlich sein, über soziale Medien wie TikTok oder Instagram ins Gespräch zu kommen. Denn gerade in den sozialen Medien kommen die Schüler*innen mit Fake News, Geschichtsrevisionismus und demokratiefeindlicher Propaganda in Berührung. Das gilt es im Unterricht zu thematisieren und den Schüler*innen sind Methoden an die Hand zu geben, um manipulative und antidemokratische Inhalte als solche erkennen und einordnen zu können.

Wie können Schüler*innen im Bereich Schule über den Unterricht hinaus Demokratie lernen oder an demokratischen Prozessen teilnehmen?

Lars-Steffen Meier: Schule sollte ein offener und diskriminierungsfreier Raum sein, der nach demokratischen Prinzipien funktioniert. Deshalb finde ich es wichtig, dass die Schüler*innen aktiv in das Schulleben eingebunden werden, zum Beispiel über die Schüler*innenvertretung (SV). Besonders wichtig finde ich, dass die SV echte Entscheidungen treffen darf und so auch an der Schulentwicklung beteiligt ist. Die Schüler*innen lernen so, ihre Interessen demokratisch durchzusetzen und für ihre Mitschüler*innen einzutreten. Auch abseits davon sehe ich viele Möglichkeiten, wie Schüler*innen Demokratie erlernen können. Es ist beispielsweise denkbar, lokale Vertreter*innen aus der Politik wie den oder die Bürgermeister*in zu Diskussionsrunden einzuladen. Soziales Engagement kann zum Beispiel durch Umweltprojekte gefördert werden und Projektwochen können im Zeichen des Demokratielernens stehen. Aber auch Konzepte wie der im Stundenplan fest verankerte Klassenrat fördern das Verständnis für demokratische Prozesse.