Bildungspolitik 06.12.2017

Digitale Klassenzimmer sind noch eine Vision

Digitalität im UnterrichtDigitale AusstattungDatenschutzFortbildung
Digitale Klassenzimmer sind noch eine Vision

Digitalisierung an Schulen in NRW gestaltet sich unterschiedlich

Unsere Lebenswelten werden zunehmend digitaler. Doch wie zeigt sich der digitale Wandel an den Schulen unseres Landes? Zwei Praxisbeispiele gewähren einen Einblick in die Klassenzimmer.

  • Autor*in: Denise Heidenreich
  • Funktion: freie Journalistin
Min.

Digitale Möglichkeiten am IT-Campus

An der Werner-von-Siemens-Gesamtschule in Unna-Königsborn gehört digitales Lernen seit rund 14 Jahren zum Alltag. Damals entstand in der Stadt das Schulnetzwerk Unit21, das alle Schulen Unnas zu einem großen IT-Campus vernetzt und als Vorzeigemodell gilt. Das Gute daran: Jede Schule kann selbst entscheiden, wie sie digitale Bildung umsetzt.

Die Gesamtschule nutzt die gegebene Infrastruktur für ihre Laptopklassen, in denen die Schüler*innen während des Unterrichts den Umgang mit digitalen Medien lernen. „Wir wollen die Kinder beim Aufwachsen in der digitalen Welt sicher begleiten und haben dafür ein spezielles Medienkonzept entwickelt“, erklärt Dr. Jennifer Lach, didaktische Leiterin. „das Konzept steht auf den zwei Säulen Handling-Schulung und Medienerziehung.“ In der Praxis bedeutet das: Schüler*innen ab Klasse 5 lernen im Fach informatorische Grundbildung die Funktionsweise von Rechnern, den Aufbau des Netzes und die Funktionsweisen der Anwenderprogramme Word oder Powerpoint – kurz das „Handling“. Die Kinder erwerben damit ganz offiziell den „Staatlich anerkannten EDV-Führerschein NRW“. Im Bereich der Medienerziehung haben alle Unterrichtsfächer die Verantwortung für einzelne Kompetenzen des Medienpass NRW übernommen und richten ihre Unterrichtsvorhaben danach aus.

Interne Fortbildungen unterstützen Lehrkräfte

Um die Lehrkräfte für den Unterricht mit digitalen Medien zu unterstützen, gibt es eine Reihe von hausinternen Fortbildungen: „So bieten wir beispielsweise eine Fortbildung an zur Nutzung von Unit21 oder für das interaktive Board und seine Integration in den Unterricht für neue Kolleg*innen“, sagt Jennifer Lach.

Das Problem dabei: Es stehen weder zeitliche noch finanzielle Ressourcen bereit – womit nur einer der Punkte genannt wäre, der sich aus Sicht Jennifer Lachs dringend ändern müsste: „Es braucht vor allem mehr Bewusstsein in der Politik für das Thema, denn digitale Bildung endet nicht mit einem Breitbandkabel in der Schule. Außerdem benötigen wir finanzielle Unterstützungssysteme für Schüler*innen, die sich kein digitales Endgerät leisten können.“

Medienkonzept fließt ein in didaktische Jahresplanung

Von Unna schweift der Blick nach Bielefeld: Auch am Rudolf-Hempel-Berufskolleg wird seit Beginn der 2000er Jahre in Notebookklassen unterrichtet. Schulleiterin Christiane Wauschkuhn berichtet: „Wir sind gerade dabei, das Thema weiter voranzutreiben und haben unser Medienkonzept aktualisiert. Es enthält nun Standards des europäischen Kompetenzrahmens, die unsere Schüler*innen erreichen sollen sowie inhaltliche Vorgaben für die Arbeit der Bildungsgänge.“ Fragen wie „Welche digitale Entwicklung ist in der jeweiligen Branche zu erwarten?“ oder „Welche Softwarekenntnisse müssen die Schüler*innen haben?“ sollen im laufenden Schuljahr in die didaktischen Jahresplanungen eingearbeitet werden.

Um das neue Konzept umzusetzen, braucht es ein Kollegium, dass Veränderungen mitträgt: „Wir setzen seit Anbeginn auf Fortbildungen. Gerade haben wir einen pädagogischen Tag zum neuen Medienkonzept veranstaltet, der sehr gut angenommen wurde. Dort ging es sowohl um die didaktischen Jahresplanungen als auch darum wie Digitalisierung als Thema in den Unterricht integriert werden kann. Und natürlich um Fertigkeiten wie den Umgang mit Lernplattformen, Apps und digitalen Tafeln.“

Ausstattung und Wartung: Synergieeffekte nutzen

Auch in Bielefeld offenbart sich das Problem der Selbstorganisation und -finanzierung. „Eine immense Herausforderung sind zudem die Themen Ausstattung und Wartung. Zwar arbeiten wir bereits in einem Arbeitskreis der Bezirksregierung mit, in dem es um die Bildung von Synergieeffekten geht und wir Schulleitungen können eine Menge organisieren – auch durch unsere guten Beziehungen zur ausbildenden Wirtschaft –, aber die Ausstattung und Wartung muss unbedingt landesseitig professionalisiert werden. Es kann nicht sein, dass die Lehrenden für Informatik nicht unterrichten, sondern reparieren. Wir als Schule müssen auf Ausfälle und Mängel im System sofort reagieren können“, sagt Christiane Wauschkuhn. Dazu brauche es nicht nur ein landesseitiges Unterstützungssystem, sondern auch eigene Stellen für Ingenieure sowie Hard- und Software-Spezialist*innen, die zusätzlich zu den Lehrerstellen geschaffen würden.

Digitalisierung an NRWs Schulen lange nicht am Ziel

Dass die digitale Entwicklung an den Schulen NRWs zwar auf dem Weg, aber noch lange nicht am Ziel ist, bestätigt auch Dirk Prinz als Mitglied der AG Digitalisierung der GEW NRW: „In Sachen Digitalisierung zeigt die Schullandschaft ein sehr differenziertes Bild – vielerorts mangelt es an technischer Ausstattung und ordentlichen Medienkonzepten. Wir sind noch ganz am Beginn der Entwicklung – sowohl pädagogisch als auch bei der technischen Ausstattung der Schulen. Was dabei herauskommt, wird sich erst in Zukunft zeigen.“