Bildungspolitik 06.11.2018

Beschäftigte müssen Datenspeicherung zustimmen

DatenschutzDienstrecht
Beschäftigte müssen Datenspeicherung zustimmen

Urteil bestätigt: Recht auf anonymisierte Schlüssel bei elektronischen Schließanlagen in Schulen

Drei Jahre lang verhandelte Datenschützer Klaus Keßler mit Unterstützung der GEW NRW vor Gericht, um zu klären, wer für Persönlichkeitsrechtsverletzungen von Lehrkräften durch elektronische Schließanlagen verantwortlich ist und wie diese verhindert werden können: Damit wurde exemplarisch für alle Schulen in NRW entschieden, dass ohne ausdrückliche Zustimmung der Lehrkräfte elektronische Schließanlagen rechtswidrig sind und die Verantwortung dafür die Schulleitung trägt. Ohne Zustimmung müssen die Anlagen anonymisiert werden.

  • Autor*in: Klaus Keßler, Stephan Osterhage-Klinger
  • Funktion: Mitglieder der AG Digitalisierung der GEW NRW
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Eine E-Mail des Schulträgers im Kreis Lippe ließ 2014 das Kollegium am Felix-Fechenbach-Berufskolleg in Detmold aufhorchen: „Sie erhalten eine neue, elektronische Schließanlage. Ab morgen beginnt die Umrüstung der Schließzylinder. Bitte holen Sie sich, wie bereits angekündigt, Ihren Schlüssel im Schulbüro ab, sodass Sie nicht vor verschlossenen Türen stehen müssen“.

Schließanlage speichert Daten im gesamten Schulgebäude

Auf Nachfrage von Personal- und Lehrerrat wurde bestätigt, dass die Schlüssel der neuen Anlage nicht nur Türen öffnen und schließen, sondern auf Vorrat Daten speichern können –und dies überall im Schulgebäude: im Klassenzimmer, in den Toiletten, der Sporthalle und in den Kopier- oder Sozialräumen. Diese Daten sind prinzipiell dafür geeignet, Personen zu überwachen. Durch den Vergleich der Schließzeiten kann beispielsweise festgestellt werden, welche Lehrkraft sich wie lange in einem Raum aufgehalten und ob sie den Unterricht pünktlich begonnen hat.

Sowohl die Schulaufsicht bei der Bezirksregierung als auch der Kreis Lippe als Schulträger bestritten, dass mit den Daten Bewegungsprofile erstellt würden. Es ginge lediglich um eine Speicherung und nur im Bedarfsfall sei eine Auswertung möglich. Gleichzeitig wurde die Zuständigkeit bei der jeweils anderen Stelle gesehen, sodass sich weder die Bezirksregierung noch das Schulamt in der Verantwortung sah.

Datenspeicherung verletzt Persönlichkeitsrechte der Kolleg*innen

Strittig war zudem, ob der Kreis Lippe durch den Einsatz der Schließanlage an der Schule zur datenverarbeitenden Stelle im Sinne des Datenschutzgesetzes NRW geworden ist. Denn dann wäre er für die Persönlichkeitsrechtsverletzungen am Felix-Fechenbach-Berufskolleg verantwortlich. Das gilt übrigens auch für alle anderen Schulträger, die in rund 1.000 Schulen in NRW elektronische Schließanlagen rechtswidrig betreiben. Ein weiteres Argument gegen die Datenspeicherung lieferte der Datenschutzbeauftrage für die Schulen im Kreis Lippe in einem Prüfbericht: Die elektronische Speicherung von Toilettengängen sei nicht erforderlich, um die Unterrichtsorganisation in den Schulen zu unterstützen.

Schulministerium NRW bestätigt Rechtsverstöße

Auch die GEW NRW wurde aktiv: Im November 2015 forderte die Bildungsgewerkschaft das Schulministerium auf, die Rechtmäßigkeit von Schließanlagen in NRWs Schulen zu prüfen. Im Antwortschreiben heißt es: „Ich stimme Ihnen zu, dass die Erfassung personenbezogener Daten der Lehrkräfte mittels elektronischer Schließsysteme ohne Rechtsgrundlage erfolgte und diese, soweit sie ohne Einwilligung der Lehrkräfte erfolgte, als rechtswidriger Eingriff in deren Persönlichkeitsrechte zu bewerten ist.“ Alle Schulleitungen in NRW wurden daraufhin per Erlass informiert, das Speichern personenbezogener Daten im Zusammenhang mit Schließanlagen zu unterbinden.

Doch eine Hintertür blieb, denn „Mangels Ermächtigung aus dem schulspezifischen Datenschutzrecht käme allenfalls eine Datenverarbeitung mit Einwilligung nach §§ 4, 29 a Datenschutzgesetz (DSG) in Betracht.“ Von Freiwilligkeit kann bei diesem Vorgehen jedoch kaum die Rede sein. Lehrer*innen müssen schließlich ungehindert in Klassenräume gelangen.

Drei Jahre vor Gericht mit Unterstützung der GEW NRW

Erst durch den formalen Widerspruch von Klaus Keßler, Lehrer am Detmolder Berufskolleg, und nach einer Beschwerde der GEW NRW beim Schulministerium folgte ein dreijähriges zivilrechtliches Klageverfahren gegen den Kreis Lippe als Schulträger. Der Fall ging bis vor das Oberlandesgericht Hamm. Dort konnte Licht in das Wirrwarr von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten gebracht werden.

Am Felix-Fechenbach-Berufskolleg wurde schließlich nach Beratung mit der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (LDI) ein Anonymisierungskonzept für die Schlüssel eingeführt. Alle Schulen in NRW sind aufgefordert, diesem Konzept zu folgen. Nur so kann ernsthaft Datenschutz in Schule betrieben werden.