lautstark. 08.08.2022

Aktive Senior*innen in der GEW NRW

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Ein reicher Fundus an Erfahrungen

Für Helga Krüger aus Wuppertal und Sylvia Burkert aus Düsseldorf war es zwar nicht das erste Interview und dennoch war es eine Premiere, denn dieses Mal standen sie im Mittelpunkt. Beide GEW-Seniorinnen übernehmen in ihren Gliederungen vor Ort vielfältige Aufgaben. Wir wollten wissen: Was bedeutet Ehrenamt für sie? Und was hat sich im Ruhestand für sie verändert?

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  • Ausgabe: lautstark. 04/2022 | Ehrenamt: Füreinander das Miteinander gestalten
  • im Interview: Helga Krüger, Sylvia Burkert
  • Funktion: Rechtsberaterin GEW Wuppertal, Leitungsteam im Düsseldorfer GEW-Vorstand
  • Interview von: Sherin Krüger
  • Funktion: freie Journalistin
Min.

Sylvia, wie sieht so eine Woche als Vorstandsvorsitzende der GEW Düsseldorf aus? Welche Aufgaben übernimmst du? Und wie viel Zeit investierst du?

Sylvia Burkert: Seit letztem Jahr sind Gabriella Lorusso und ich das Leitungsteam im Düsseldorfer GEW-Vorstand und können uns die Aufgaben ganz gut teilen. Hier nennen mich übrigens alle Sylvi. Seit meiner Pensionierung 2015 bin ich flexibler und kann an vielen Terminen teilnehmen, die Kolleg*innen im Berufsleben gar nicht wahrnehmen können. Da findet so eine DGB-Vorstandssitzung mittags um 14 Uhr statt. Klar, die meisten Arbeitnehmer*innen sind dann noch in der Schule oder Kita, also auf jeden Fall an ihrem Arbeitsplatz. Es wundert mich gar nicht, dass ich in den großen Runden oft die einzige Ehrenamtlerin bin. Die anderen Gewerkschaften können sich Festangestellte auf diesen Positionen leisten. 

Eine geregelte Arbeitswoche habe ich also nicht. Ich gehe zu Sitzungen und ans Telefon, diskutiere mit, berate, vermittle weiter. Im Alleingang habe ich 2000 unsere GEW-Stadtzeitung fortgeführt. Bis heute – und da muss ich sagen, leider, leider – ist es ein Alleingang geblieben. Viermal im Jahr haue ich in die Tasten, mache die Redaktion, koordiniere alles mit dem Grafiker. Mit meiner zeitlichen Flexibilität ist das zu schaffen. Die weiß ich auch sehr zu schätzen. Dadurch bin ich auch für die Presse ansprechbar zu Zeiten, zu denen Berufstätige gar nicht ans Telefon gehen können.

Zeit und Flexibilität sind also ganz wesentliche Faktoren für Sylvis ehrenamtliche Aufgaben. Und wie sieht deine GEW-Woche in Wuppertal aus, Helga?

Helga Krüger: Genauso vielfältig, kann ich mit Glück sagen. Die rechtliche Beratung liegt mir besonders am Herzen, aber ich bin auch zuständig für die gewerkschaftliche Kommunikation der GEW in Wuppertal. So manche Presseerklärung und viele Veröffentlichungen stammen aus meiner Feder. Schreiben macht mir bis heute viel Spaß: Die Redaktion unserer Mitgliederzeitung also mache ich seit 1988 und unsere Internetseite will auch gepflegt werden. Ab und zu springe ich in unserer Geschäftsstelle ein.

Warum engagiert ihr euch auch im Ruhestand weiter für die Gewerkschaft? Und welche Bedeutung hat das Ehrenamt für euch?

Helga Krüger: Schon immer war es für mich ein großes Anliegen, den einzelnen Kolleg*innen zu ihrem Recht zu verhelfen. Ganz ehrlich, diese Gewerkschaftsarbeit für den Einzelnen ist einfach ein wichtiger Baustein und vielfach erfolgreicher als die Durchsetzung der großen Projekte der GEW als Bildungsgewerkschaft. Dafür kämpfe ich natürlich genauso, aber mit dem Erfolg ist das dort so eine Sache. Das beobachte ich immer öfter. Ich bin ein sehr politischer Mensch, und da gehört es für mich einfach dazu, sich für die Rechte des Einzelnen einzusetzen. Und natürlich auch für die Themen, die uns alle betreffen, wie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und ein gerechtes Bildungswesen in einer gerechten Gesellschaft.

Kannst du ein Beispiel aus deiner Rechtsberatung nennen?

Helga Krüger: Gern. Hintergrund unglaublich vieler rechtlicher Anfragen von Kolleg*innen sind Fehler der Schulbehörden. Gerade konnte ich nach monatelangen Verhandlungen mit der Bezirksregierung die falsche Einstufung eines angestellten Kollegen korrigieren. Er bekommt nun aufgrund seiner Berufserfahrung etliche hundert Euro mehr im Monat. Ein schöner Erfolg vom GEW-Rechtsschutz! Aktuell berate ich eine Kollegin, die dem islamischen Glauben angehört. Sie soll doch tatsächlich gegen ihren Willen an eine Konfessionsgrundschule versetzt werden. Auch hier muss ich nun der Schulbehörde erst die Gesetzesgrundlage erklären, damit die Kollegin zu ihrem Recht kommt.

Und wie bist du zu deinem GEW-Ehrenamt gekommen, Sylvi?

Sylvia Burkert: Ich gehörte zur 68er-Bewegung und bin in einer politisch aktiven Familie aufgewachsen. Wir hatten alle ein Spiegel-Abo und wir hatten alle auch die GEW-Mitgliederkarte. Da habe ich nicht überlegt, es war immer klar, dass ich mich ehrenamtlich engagieren würde. Das hat sich im Studium fortgesetzt mit der Hochschulpolitik, später als Vertrauensfrau an der Schule und die letzten Jahre im Dienst als Personalrätin. Den Vorstandsvorsitz habe ich erst ein Jahr vor dem Ruhestand übernommen.

Hat sich denn mit dem Eintritt in den Ruhestand eure ehrenamtliche Tätigkeit verändert?

Helga Krüger: Eigentlich hat sich mein Engagement nicht verändert. Ich habe einfach weitergemacht, die Schwerpunkte haben sich nur ein wenig gewandelt. Die Arbeit im Leitungsteam habe ich mit dem Ruhestand bewusst beendet – mit einer kleinen Wehmutsträne, muss ich gestehen. Als Seniorin ist es schön, dass ich meine Zeit jetzt besser einteilen kann. Schön ist aber auch, dass ich den Aktiven in der GEW schnell mal etwas abnehmen kann, wenn sie beruflich zu sehr eingespannt sind.

Sylvia Burkert: Naja, ich habe mehr Zeit und kann die Dinge in Ruhe angehen. Ich hätte den Vorsitz schon bei den letzten Wahlen gerne abgegeben, allerdings gibt es noch keine Nachfolge für viele meiner Aufgaben. Ansonsten kann ich auch sagen, dass sich an meinem Einsatz nichts geändert hat. Ich mache das so lange wie ich kann und meine Unterstützung gern gesehen ist.

Bei euch kommt mit jahrzehntelanger GEW-Arbeit eine Menge Erfahrung zusammen. Wie profitieren eure Gliederungen und insbesondere jüngere Kolleg*innen davon? Fördert ihr aktiv den Generationendialog bei euch vor Ort?

Helga Krüger: Ja, das stimmt. Da kommt einiges an Erfahrung zusammen bei Sylvi und mir. Ich war über Jahrzehnte Personalrätin – davon 16 Jahre lang Vorsitzende – und 25 Jahre im Leitungsteam der Wuppertaler GEW engagiert. Ich persönlich fände es jammerschade, diesen tollen Fundus nicht für die Sache der GEW zu nutzen.

Ich glaube, die jungen Kolleg*innen sind froh, wenn sie die alten Häsinnen und Hasen befragen können und an ihrer Seite wissen. In der Wuppertaler GEW kennen wir jedenfalls keine Generationenkonflikte. Es gibt viele Senior*innen, die immer dabei sind, wenn die GEW zu Aktionen aufruft, oder die mit anpacken, wenn Organisatorisches zu stemmen ist. Die Anforderungen in den Bildungsberufen sind enorm gewachsen, gewerkschaftliches Engagement ist für viele junge Kolleg*innen kaum hinzukriegen. Da können wir ihnen an mancher Stelle den Rücken freihalten und sie ermutigen – ohne Besserwisserei, das finde ich ganz wichtig.

Sylvia Burkert: Bei den Vorstandssitzungen sorge ich wann immer es geht dafür, dass wir zu einem Schwerpunkt einen Fortbildungspart integrieren. Den übernehme ich dann auch schon einmal selbst und kann auf meine Erfahrung bauen. Genau wie bei Presseanfragen zu diversen Themen. Und wenn ich mal nicht weiterweiß, setze ich auf unsere Expert*innen und eine tolle interne Kommunikation. Ob ich aber mit jüngeren Gewerkschaftskolleg*innen oder älteren zusammenarbeite, ist für mich ganz egal.

Ich finde diese Diskussion eh immer etwas bizarr. Also, dass wir Jüngere brauchen, ist ja selbstverständlich, aber die GEW tut gut daran, auch ihre Senior*innen zu halten, die im Ruhestand noch aktiv sein möchten und es gesundheitlich können. So ergänzen wir uns doch prima – den Nachwuchs fördern und die Älteren pfleglich behandeln. Zugegeben: Der Altersdurchschnitt auf dem Gewerkschaftstag in Leipzig hat mich schon erschreckt. Und die GEW NRW landet auf dem letzten Platz im Vergleich der Landesverbände.

Habt ihr dazu in Wuppertal und Düsseldorf konkrete Ideen, die ihr verfolgt? Und was wünscht ihr euch noch von eurer Gewerkschaft, um das Ehrenamt zu stärken?

Helga Krüger: Ich hatte mal von einem Vorhaben gehört, ehemalige Personalräte und junge Personalräte zusammenzubringen, um quasi ein Coaching zu organisieren. Irgendwie ist das wohl eingeschlafen. Schade, Initiativen dieser Art brauchen wir. Vor Ort habe ich dann einfach gehandelt: Alle sechs Wochen treffen wir uns online mit den jungen Personalrät*innen und nehmen uns jeweils ein aktuelles rechtliches Thema vor.

Sylvia Burkert: Alle haben natürlich Nachwuchsprobleme, aber den Gewerkschaften, die Geschäftsstellen haben, geht es ein bisschen besser. Hier wünsche ich mir noch mehr gegenseitige Unterstützung – die kann zentral aus Essen kommen oder auch von größeren Gliederungen, die den kleineren unter die Arme greifen. Wir brauchen also mehr Mitglieder, um uns mehr Geschäftsstellen mit hauptamtlichem Personal leisten zu können.

Wir haben in Düsseldorf eine Geschäftsführerin mit 25 Wochenstunden und sie ist Gold wert für die ehrenamtlich Aktiven. Und das muss möglich sein, auch für Gliederungen, die sich das von der Mitgliederzahl her nicht leisten können. Das ist ja auch Teil des Konzepts „Die GEW stärken“, und darin steckt unsere Rettung. Denn in einer gut geführten Geschäftsstelle können sich die Kolleg*innen auch ein Ehrenamt gut vorstellen.

Helga Krüger: Ja, absolut! Und Senior*innen suchen sich vielfach ehrenamtliche Aufgaben in anderen Bereichen, wenn sie bei uns nicht die nötigen Rahmenbedingungen vorfinden. Die GEW NRW muss konkrete Projekte bieten, um diese Ressourcen für sich zu gewinnen. Das muss sich nicht immer auf der Ebene der Gliederung bewegen. Warum sollte nicht jemand im Ruhestand die Website einer anderen GEW vor Ort auf Vordermann bringen, wenn ihm diese Arbeit Spaß macht?