Wir wissen alles über Euch, liebe Lehrende. So wie wir beim Fußball ein TV-Volk von elf Millionen, meist männlichen Bundestrainern sind, wissen wir über Euch Bescheid, auch wenn Mathestunden selten live im ZDF laufen.
Fast so beliebt wie das Beschimpfen von denen da oben, also von allem, was Politik ist oder macht, scheint das Lehrer*innenbashing. Ist es eigentlich ein Akt von Gendergerechtigkeit, wenn ich bei Beschimpfungen die männliche Form wähle, oder will frau mitgemobbt sein? Reicht ein „Lehrerpack“? Oder muss ich „Lehrer*innenpack“ schreiben?
Einen Unterschied gibt es zwischen Wutbürger*innen und Schulmotzer*innen. Wenn´s um Geld geht, gehören auch AfD-Anhänger*innnen gern zum beschimpften Establishment. Es reicht, ohne Betreuer*in selbstständig das nächste Parlament zu erreichen, dort auf unterirdischem Niveau weiter zu bölken, um ein paar Tausender im Monat Diät einzustreichen. Nennst du, GEW-Mitglied, hingegen dein Einkommen als Lehrkraft und gibst Einblick in die Feinheiten französischer Grammatik oder simpler Kurvendiskussionen, mutiert der gerade noch Lautstarke zu grummelnden Nuschler*innen und stammelt sich fort ins Ungefähre.
Bleibt der Lehrerwitz. Im Mario-Barth-Büchlein der Mördergags muss der Lehrer, also der Mann, um Witzes Willen Biosandalen tragen, Sätze mit „Ey, Du“ einleiten, irgendwie grünversifft und unausgesprochen potenzgestört sein. Frauen funktionieren in diesem Genre nicht; Qualifikation würde dem Witzereißer Angst vor ihr machen. Frauen kaufen Schuhe.
Lehrer*innenwitze mache ich nicht mehr, weil ich dabei an Björn Höcke denken muss, und der AfD-Mann und Gymnasiallehrer tötet den Willen zum Witz in mir. Mir bleibt der alte Gauland, der einzige, der seine Partei noch im Original kennengelernt hat.
Beamt*innenwitze gingen noch, aber da fühlen sich die angestellten Lehrer*innen ausgeschlossen, besonders diejenigen, die Mitglied der Schutzgemeinschaft sind, also bei SCHaLL. Wohlweislich nennt man sich nicht Gewerkschaft. Das wäre abgekürzt GaLLe, ein Akronym, das auch den professionell Humorlosen zu bitter klänge. Ab und zu streue ich ihn ein, den letzten, den ich noch bringe: Beamt*in, das ist der einzige Beruf, in dem man sich hochschlafen kann, ohne Sex zu haben.
Aber heute ist Feiertag. Heute ist der Welttag der Lehrer*innen. Tag der Seifenblasen ist übrigens auch. Ob da Synergien möglich sind, müsste mal jemand prüfen. Bildungsprofis wie Christian Lindner würden sie feiern, allerdings nur, wenn morgen Wahl wäre. Wäre die Wahl gestern gewesen, würden sie darauf hinweisen, dass Bildung Ländersache ist.
Hin und wieder lassen sich Bundespolitiker*innen doch zu Schulthemen hinreißen. Sogar Angela Merkel. Neun Jahre ist es her, also einen alten Gymnasialdurchgang, dass sie 2008 die Bildungsrepublik Deutschland ausrief, größtenteils folgenlos. Ich habe recherchiert, Digital first, ich habe bei Google geguckt, Bundesbildungspolitiker*innen halten das für eine abiturnahe Leistung, ähnlich der Unterhemdbilder-Hochladerei auf Tinder, Twitter oder Rotten Neighbour, egal, Hauptsache Aufmerksamkeit.
Merkel rief die Fantasierepublik aus am 12. Juni, dem alten „Tag des Lehrers“, in der DDR. Da wurde noch gefeiert, mit dem, was man hatte, also wenig, mit Festtagen und Blechorden, und wenn Du Pech hattest, hat Margot Honecker ihn Dir persönlich umgehängt. Die freiheitliche Variante dieses Brimboriums heißt nicht wirklich „Lehrer des Jahres“, fühlt sich aber so an und wird vergeben von einer Standesorganisation, die ihre Monatsversammlungen am liebsten auf Latein abhalten würde.
Früher, drüben, gaben Eltern den Kindern kleine Geschenke für die Lehrenden mit. Blumen, Pralinen, Seifenstücke, ein schönes Taschentuch, was der HO-Laden hergab. Mir, im Ruhrpott, wäre das als Schüler jederzeit peinlich gewesen. Käme ich heute mit einem Blumenstrauß unangemeldet in eine Schule, würde mich wahrscheinlich das schnell herbei gerufene SEK über den Haufen schießen. Man rechnet heute in Schulen mit allem, außer mit Freundlichkeit.