In der Studie „best2 – beeinträchtigt studieren. Datenerhebung zur Situation Studierender mit Behinderung.“ hat das Deutsche Studentenwerk herausgefunden, dass betroffene Studierende zu wenig über ihre Nachteilsausgleiche wissen. Eine Möglichkeit wäre daher, jede Erstsemesterveranstaltung zu nutzen, um Studierende mit Behinderung oder chronischer Erkrankung über ihre Sonderrechte zu informieren. Speziell für Lehramtsstudierende informieren die Expert*innen der GEW NRW aus der Schwerbehindertenvertretung über die Voraussetzungen für den Wunschberuf Lehrer*in.
Neben den formalen Voraussetzungen für ein Lehramtsstudium mit anschließendem 18-monatigen Vorbereitungsdienst, gibt es einige persönliche, die sich unter anderem aus den Empfehlungen von der Hochschulrektorenkonferenz und Kultusministerkonferenz zur Lehrerbildung für die Schule der Vielfalt „Vielfalt als Herausforderung annehmen und als Chance nutzen“ ableiten lassen: Lehrer*innen müssen mit einer Vielfalt von Menschen und Verhaltensweisen umgehen und ihre Schüler*innen auch erziehen und bewerten können.
Anforderungen im Berufsalltag einer Lehrkraft
Es gibt einige Leitfragen, die sich Interessierte stellen können, wenn sie gesundheitlich beeinträchtigt sind oder eine Behinderung haben:
- Passen die Anforderungen des Berufs zu meinen Interessen? Ein Selbsterkundungsbogen unterstützt dabei herauszufinden, ob die persönlichen Voraussetzungen erfüllt werden. Er erläutert zum Beispiel, warum die Lehrkräfteforschung herausgefunden hat, dass bestimmte Persönlichkeitsmerkmale wie Kontaktbereitschaft, Stabilität und Selbstkontrolle – trotz aller Vielfalt im Lehrer*innenberuf – eine solide Basis für den Studien- und den Berufserfolg bilden.
- Kann ich die zeitlichen Anforderungen des Vorbereitungsdienstes und der späteren Lehrtätigkeit erfüllen? Um das herauszufinden, sollten die Praxiselemente in der Ausbildung genutzt werden und kontinuierliche Eignungsreflexion erfolgen: im Bachelor-Studium das Eignungs- und Orientierungspraktikum, im Master-Studium die vierwöchige außerschulische Berufsfelderkundung und das Praxissemester.
- Kann ich unter Stress pünktlich berufsbedingte Leistungen erbringen? Dazu zählt beispielsweise die Rückgabe von Klausuren binnen drei Wochen. Anhaltspunkte für die Belastbarkeit unter Stress können bereits Erfahrungen während Prüfungsphasen im Studium zeigen.
- Kann ich meiner Aufsichtspflicht für mindestens eine Unterrichtsstunde nachkommen – das heißt für 45 bis 90 Minuten ohne Pause? Menschen mit Lehramtsstudium können auch außerhalb von Schule arbeiten: Ist das für mich eine Möglichkeit?
Fächerwahl fürs Lehramtsstudium
Bei der Fächerwahl sollten die Belastungen im späteren Beruf mitbedacht werden. Wer zum Beispiel Schwierigkeiten beim Lesen oder Schreiben hat, sollte nicht zwei Unterrichtsfächer wählen, die lange Korrekturen erfordern. Eine Lese-Rechtschreib-Schwäche sollte fehlerfreie Textvorlagen beispielsweise für den Unterricht, für Förderpläne, Zeugnisbemerkungen, Stellungnahmen, Prüfungsprotokolle oder Einladungen an Eltern sowie auch eine fehlerfreie Korrektur von Schüler*innenarbeiten ermöglichen – gelegentliche Flüchtigkeitsfehler macht natürlich jede*r mal!
Mögliche Nachteilsausgleiche für Studierende
Im Lehramtsstudium können für Studierende mit einer Behinderung oder chronischen Erkrankung unter anderem folgende Nachteilsausgleiche gewährt werden: Verlängerungen von Klausuren, Verlängerungen von Abgabefristen (zum Beispiel aufgrund akuter Krankheitsphasen), Bereitstellung von Hilfsmitteln oder Verlängerung der Regelstudiendauer.
Beratung für Menschen mit Behinderung im Lehramtsstudium
An jeder Universität gibt es Beauftragte und Berater*innen von Studierenden mit Beeinträchtigungen, die man auch schon vor der Bewerbung an der Wunschuniversität kontaktieren kann. Diese behandeln alle Informationen vertraulich.
Die Nachteilsausgleiche in den Veranstaltungen und den Prüfungen werden von den jeweiligen Dozent*innen gewährt. Ärztliche Atteste, die die Auswirkungen der chronischen Erkrankung(en) oder der Behinderung(en) darlegen, gelten als Nachweis. Eine frühzeitige vertrauliche Kommunikation über die notwendigen Bedarfe ist wichtig. Die Ergebnisse sollten immer schriftlich festgehalten werden. Im Konfliktfall unterstützen die Beauftragten von Studierenden mit Beeinträchtigungen. Darüber hinaus kann es Eingliederungshilfen geben zum Beispiel in Bezug auf Mobilität oder Arbeitsassistenz. Wer Rechte in Anspruch nehmen will, hat gegenüber nicht beeinträchtigten Student*innen einen Mehraufwand. Das sollte aber niemanden vom Studium oder vom Besuch bei den Beauftragten abhalten.
Beratung für Menschen mit Behinderung im Praxissemester
Für das Praxissemester gelten dieselben Regeln wie für andere universitäre Veranstaltungen. Die Nachteilsausgleiche werden dabei von den jeweiligen Dozent*innen gewährt. Auch hier sollten notwendige Bedarfe frühzeitig kommuniziert werden.
In der Schule ist die Schulleitung für den Arbeits- und Gesundheitsschutz zuständig. Ein Gespräch mit der Schulleitung sollte vor oder zu Beginn des Praxissemesters geführt werden, wenn Bedarfe in der Schule notwendig sind. Die Schulleitung kann Nachteilsausgleiche gewähren wie die Nutzung des Aufzugs. Ausbildungsbeauftragte sind dazu (streng genommen) nicht befugt.
Vorabgespräche über die notwendigen Bedarfe sollten mit der*dem zuständigen Ausbildungsbeauftragten geführt werden. Sie*Er sollte auch darüber Bescheid wissen, welche Informationen an wen weitergegeben werden. Dazu kann auch der Rat der Schwerbehindertenvertretung für Lehrkräfte der betreffenden Schulform eingeholt werden.
Und nach dem Lehramtsstudium?
Die Richtlinien zum Sozialgesetzbuch IX des Landes Nordrhein-Westfalen legen den Rahmen dafür fest, welche Nachteilsausgleiche bei der Einstellung gewährt werden können. Nur durch das Vorlegen des Nachweises der anerkannten Schwerbehinderung bei der Bezirksregierung oder des Nachweises der Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen der Arbeitsagentur erhalten betroffene Kolleg*innen das Recht, am Auswahlverfahren teilzunehmen. Zusätzlich kann der Nachweis auch den Bewerbungsunterlagen beilegt werden. Das Land Nordrhein-Westfalen reserviert pro Jahr 80 Arbeitsplätze für schwerbehinderte oder gleichgestellte Bewerber*innen, die über das Listenverfahren vergeben werden.
Es gibt keinen Grund, den Schwerbehindertenausweis nicht der Bewerbung beizulegen. Die später zu gewährenden Nachteilsausgleiche dürfen bei der Auswahlkommission keine Rolle bei der Entscheidung spielen. Schwerbehindertenvertretungen wachen darüber, dass Sie wegen Ihrer Behinderung nicht diskriminiert werden. Am besten nehmen Kolleg*innen sofort nach dem Abschicken der Bewerbungsunterlagen Kontakt zur zuständigen Schwerbehindertenvertretung auf, auch wenn sie am Listenverfahren teilnehmen (möchten).