Primarstufe 31.05.2017

„Schulscharfe Ausschreibung“ wird zum Unwort

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Schulscharfe Ausschreibung“ wird zum Unwort

Duisburger Personalrat sieht Landesregierung in der Pflicht

Zurzeit werden an keiner Schulform offene Lehrer*innenstellen problemlos besetzt. Grundschulen resignieren angesichts leerlaufender Ausschreibungen und fordern eine zentral gesteuerte Zuweisung.

  • Autor: Rüdiger Wüllner
  • Funktion: Personalrat Grundschule und im Leitungsteam der Fachgruppe Grundschule im Stadtverband Duisbu
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Zuerst tauchte das Problem vor rund fünf Jahren in Duisburg bei der Suche nach Sonderpädagog*innen auf. Es gab immer weniger Bewerbungen und demzufolge kaum noch Auswahlgespräche oder Besetzungen. Die Grundschulen erlebten belastende Konsequenzen für den Gemeinsamen Unterricht und später für das Gemeinsame Lernen. Danach wurde es eng bei der Vertretungsreserve. Auch hier wurden Nachwuchslehrkräfte höchstens nach mehreren Anläufen gefunden.

Ab Sommer 2015 konnten auch schulscharf ausgeschriebene Stellen für Grundschullehrkräfte nicht mehr besetzt werden – zuerst an den sogenannten „Brennpunktschulen“. Im Laufe des Jahres 2016 wurden viele Stellen wiederholt ausgeschrieben. Die mehrfach belasteten Grundschulen akzeptierten die schulscharfen Verfahren kaum noch.

Statistik verschleiert Duisburger Probleme

Seit Anfang 2016 wehrt sich die GEW Duisburg mit konsequenter Öffentlichkeitsarbeit gegen die Belastungen durch den Lehrkräftemangel. Die Bildungsgewerkschaft versucht über lokale und überregionale Medien sowie persönliche Kontakte Gehör bei den Verantwortlichen zu finden. Nordrhein-westfälische Durchschnittszahlen verdecken, dass sich die Probleme in einigen Regionen konzentrieren. Außerdem greifen die provisorischen Hilfsmaßnahmen – wie Erlasse zur Einstellung von Sek-II-Absolvent*innen und Quereinsteiger*innen – in Duisburg bis jetzt so gut wie gar nicht. Mittlerweile ist der Mangel auch nicht nur an den sogenannten „Brennpunktschulen“ zu spüren, auch kleine „Stadtrandschulen“ kämpfen mit den Konsequenzen von immer mehr vakanten Stellen.

Immer weniger Lehrkräfte für immer mehr Schüler*innen

Zuerst wurden die Integrations- und die Sozialindexstellenanteile der  Grundschulen gekürzt, um neu geschaffene Sprachförderstellen zuzuweisen. Diese aber wurden vor allem in anderen Schulämtern besetzt, in Duisburg liefen neun Stellen immer wieder leer. Und das, obwohl die Duisburger Grundschulen seit Jahren steigende Anmeldezahlen und Sprachförderbedarfe nachweisen können.

Kolleg*innen formulieren ihren Ärger

Im Frühjahr 2017 kommt es zu einigen Veröffentlichungen, die die überlastenden Zustände beschreiben: Die Schulleitungen aller Duisburger Grundschulen veröffentlichen ihr Positionspapier „Grundschulen am Limit“ und die sehr gut besuchte Personalversammlung der Grundschulen beschließt einstimmig Anträge, die ihre Forderungen an Landes- und Kommunalpolitik adressieren.

Ganz oben steht immer wieder die Forderung nach Aussetzen der schulscharfen Verfahren zugunsten einer zentralen Steuerung der Zuweisung, um den Trend der „Abwanderung der Nachwuchslehrkräfte aus Regionen, die vom Lehrkräftemangel sowieso schon stark betroffen sind“ zumindest abbremsen zu können.

Zukunft ohne echte Hilfsmaßnahmen?

Die nordrhein-westfälische Bildungspolitik steht an einer Weggabelung: Möchte sie zusehen, wie sich zwei Bildungssysteme voneinander wegbewegen? Ein „Premiumsystem“ in Regionen, in denen die Stellenzuweisungen weiterhin fast reibungslos funktionieren, und eins zweiter Klasse, das über viel zu lange Zeiträume mit viel zu wenig Personal auskommen muss? Es ist ein System, dass die Schulen zwingt, massenhaft Personal ohne Lehramtsausbildung einzustellen und in dem die Gesundheit der Lehrkräfte durch Überlastungen stark gefährdet ist. Nach einer ehrlichen Analyse der Situation darf die neue Landesregierung an einer zentralen Steuerung der Zuweisung, die sich an den höchsten Bedarfen orientiert, bei gleichzeitiger Aussetzung der schulscharfen Verfahren nicht vorbeikommen.

Redaktioneller Hinweis: Dieser Text ist Teil einer umfassenden Serie zum Thema Lehrkräftemangel in NRW, der in den kommenden Wochen von unterschiedlichen Standorten und aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet wird.