Ruhestand 12.10.2017

„Ruhe“ entspricht nicht meiner Lebensvorstellung

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„Ruhe“ entspricht nicht meiner Lebensvorstellung

Was Ruheständler*innen beachten sollten, wenn sie weiter unterrichten

Peter Bredohl ist eigentlich seit acht Jahren im Ruhestand. Trotzdem unterrichtet er weiter an der Förderschule, an der er vorher jahrelang Lehrer war. Kolleg*innen aus dem Ruhestand zu holen und sie erneut zu aktivieren – das ist eine der aktuellen Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel in NRW. Im Interview erzählt er, was ihn motiviert weiterzuarbeiten.

  • Interview: Jessica Küppers
  • Funktion: Redakteurin im NDS-Verlag
Min.

Mit seinem Einsatz greift Peter Bredohl seiner Schulleitung unter die Arme, die wie viele andere in NRW unter dem Lehrkräftemangel und Unterbesetzung leidet. Um das Weiterarbeiten für Ruheständler*innen attraktiver zu machen, stehen ihnen bis Ende 2019 besondere Konditionen zu, die pensionsunschädlich sind. Das ist aber nicht der einzige Grund, warum Peter Bredohl weitermacht.

Sie könnten seit acht Jahren Ihren verdienten Ruhestand genießen, warum unterrichten Sie trotzdem weiter?

Ich arbeite seit dem Eintritt in den Schuldienst im Jahr 1969 im Förderschulbereich. Die Freude, mit den Kindern und Jugendlichen zu arbeiten, sie auf das Leben nach der Schule vorzubereiten, hat mich seitdem begleitet und hat auch nach dem Eintritt in den Ruhestand nicht nachgelassen. Die jetzige geringe Stundenzahl ist keine Belastung für mich – hinzukommt, dass nach jedem Vertragsende Schluss gemacht werden kann. Diese Arbeit macht mir Spaß.

Dass ich im gewohnten Umfeld arbeiten kann, die Schulleitung und das Kollegium meine Tätigkeit akzeptieren und voll unterstützen und ich auch für die Schüler*innen kein Unbekannter bin, hat dazu beigetragen. Außerdem impliziert das Wort „Ruhestand“ den Begriff „Ruhe“ und das entspricht nicht meiner Lebensvorstellung.

Seit wann stehen Sie erneut vor einer Klasse und wie kam es dazu?

Kurz nach meiner Pensionierung im Januar 2009 habe ich eine Anfrage meiner Schulleitung bekommen, ob ich mir bei Unterbesetzung, die nicht im normalen Besetzungsverfahren abgedeckt werden könnte, die Erteilung von Vertretungsunterricht vorstellen könnte. Ich habe zugestimmt und seitdem hat es immer wieder befristete Vertragsangebote mit Unterbrechungen gegeben.

Worauf müssen Ruheständler*innen achten, wenn sie weiter unterrichten möchten?

Neben formalen Überlegungen sollten Ruheständler*innen ganz besonders den Belastungsaspekt berücksichtigen. Jede*r Lehrer*in, die*der pausiert hat und wieder einsteigt muss in jeder Unterrichtsstunde auch als Ruheständler*in zu 100 Prozent präsent sein – Schüler*innen verzeihen keine Schwäche. Sobald ich eine Klasse betrete bin ich die Person, die für die folgende Unterrichtseinheit verantwortlich ist. Das erlaubt keine Abstriche. Weitere Schwierigkeiten ergeben sich beim Einsatz in einer anderen als der „gelernten“ Schulform.

Der zweite Aspekt liegt im formalen Bereich: In der Regel erfolgt eine Beschäftigung von Ruheständlern*innen im Schuldienst über Stellenausschreibungen im NRW-Portal „Verena“. Dort werden Vertretungsbedarfe in unterschiedlicher Länge und Stundenanzahl in allen Schulformen angeboten. Sie werden nach Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst entlohnt.

Für Ruheständler*innen ergibt sich eine einfache Rechnung: Pensionsunschädlich sind Entgelte, die zusammen mit dem Brutto-Ruhegehalt die ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge nicht überschreiten. Das heißt: Die Unterrichtsverpflichtung dürfte etwa 30 Prozent der Pflichtwochenstunden betragen. Diese Regelung ist zurzeit bis Ende 2019 ausgesetzt, um dem eklatanten Lehrkräftemangel entgegenzuwirken. Bis dahin können auch Stellen mit höherer Stundenzahl pensionsunschädlich angenommen werden.

Ruheständler*innen zurück an Schulen zu holen, ist eine Antwort auf den massiven Lehrkräftemangel in NRW. Halten Sie das für eine gute Lösung?

Ruheständler*innen zurück an Schulen zu holen, ist keine gute Lösung. Es ist eine Notlösung. Können nur auf diesem Weg Fehlbedarfe in sogenannten Kernfächern abgedeckt werden ist ihr Einsatz sicherlich zu empfehlen. Ein Beschäftigungswunsch wird von Ruheständler*innen wahrscheinlich nur dann geäußert, wenn sie aktiv und in der Lage sind, diesen Anforderungen zu genügen.  Ansonsten ist jeder Einsatz von Personen, die für den Schuldienst geeignet sind – und das sollte von den Schulleitungen sorgfältig beobachtet werden – zu befürworten.

Wie lässt sich der Lehrkräftemangel aus Ihrer Sicht beheben?

Lehrer*innen haben im Allgemeinen eine gute Reputation. Das sieht man allerdings in dieser Berufsgruppe nicht genügend gewürdigt. Daher lässt sich Lehrkräftemangel nur durch eine Steigerung der Attraktivität beheben. Hier müssen mehrere Punkte genannt werden:

  • Abbau der Belastung: Belastungen resultieren im Wesentlichen aus großen Klassen, Ausweitung der außerunterrichtlichen Tätigkeiten und inklusiver Beschulung. Um dem entgegenzuwirken sind eine Reduzierung der Klassenfrequenzrichtwerte sowie der Pflichtwochenstunden und permanente Doppelbesetzung sinnvoll.
  • Anerkennung der Belastung durch Funktionsstellen: Auch deshalb ist eine Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung notwendig.
  • Anhebung der Besoldung im Primarbereich auf einheitlich A 13.

Hinweis: Die Antworten wurden vor dem Erscheinen der nds 9-2017 formuliert.