Mehrgenerationenhaus: Mehr als nur Nachbar*innen

Seit 2014 gibt es das genossenschaftliche Wohnprojekt Gemeinsam Wohnen mit Jung und Alt eG in St. Augustin. 40 Menschen im Alter von 8 bis 83, drei Hunde und eine Katze leben dort in 28 Wohnungen – für Besucher*innen gibt es ein Gästeapartment.

Das klingt zunächst nach einem klassischen Mehrfamilienhaus? In St. Augustin ist das anders. Hier sind die Bewohner*innen mehr als Nachbar*innen. Es sind zum Teil Freundschaften entstanden und in Teilen bezeichnen sich einige Bewohner*innen auch als Wahlfamilie.

Geprägt ist das Leben im Mehrgenerationenhaus von Gemeinschaft und Unterstützung. Die Bewohner*innen verbringen teilweise ihre Freizeit zusammen beim Yoga, in der Malgruppe, im Chor, auf Fahrradtouren, beim Werkeln und Basteln in der Werkstatt, beim Kochen und Essen in der Gemeinschaftsküche und im -raum, im (Gemüse-)Garten, im Fitnessraum.

Über die Arbeitsgruppen für Haustechnik, Garten oder Öffentlichkeitsarbeit bringen sich alle nach ihren Fähigkeiten ein. Außerdem wird Organisatorisches beim monatlichen Treffen mit allen besprochen. Natürlich gibt es auch mal Streitereien und man muss lernen, sich abzugrenzen – eben wie in einer Familie. Deshalb sind Toleranz und Kompromissbereitschaft Voraussetzungen für das Leben in einem solchen Wohnprojekt.

„Am Anfang war es hier relativ steif. Irgendwann kam man im Pyjama und Pantoffeln zum Sonntagsfrühstück. Da war dann das Vertrauen da“, sagt Peter, 65, der mit seiner Frau im Mehrgenerationenhaus lebt. Er kommt aus einer großen Familie und wollte immer mit vielen Menschen zusammenwohnen. „Es gibt hier keine festgelegte Ideologie, alle sind sehr offen“, sagt er. Als Künstler liebt er besonders die Werkstatt.

Christa hat das Miteinander vom Wohnprojekt überzeugt. „Mein Mann ist gestorben, die Kinder waren aus dem Haus, da habe ich mit meinen Kindern über diese Art des Zusammenlebens gesprochen und recherchiert“, erinnert sich die 69-Jährige. Sie wohnt seit 2014 hier und sagt: „Wir sind hier mehr als nur Nachbarn.“ Für sie sind einige der Bewohner*innen ihre Wahlfamilie geworden.

Christiane, 56, kommt aus einer großen Familie. Nach einer Trennung kehrte sie ins Rheinland zurück und ihr war klar: „Ich möchte mit vielen Menschen zusammenleben.“

Monika, 66, wohnt seit 2018 im Mehrgenerationenhaus. „Damals als alleinerziehende Mutter hätte ich mich sehr über eine solche Form des Zusammenlebens gefreut. Das gab es aber noch nicht so“, sagt sie. Die Strukturen, die Freundlichkeit und der Gemeinschaftsraum haben sie von ihrem neuen Zuhause überzeugt.

Dieter, 81, musste bei seiner Frau Anneli, 72, Überzeugungsarbeit leisten – ein Jahr lang, dann zogen sie 2014 ein. Dieter wollte im Alter nicht vereinsamen, Anneli vermisst manchmal noch immer ihr altes Zuhause. Im Mehrgenerationenhaus mag sie die gemeinsamen Feste, die Gartenarbeit und die gegenseitige Hilfe.

Martin, 58, hat sich mit seiner Frau für das Wohnprojekt entschieden, als die Kinder aus dem Haus waren, um nicht alleine alt zu werden. „Im Freundeskreis haben uns alle für bekloppt erklärt“, erzählt er. Die Werkstatt nutzt er gerne, um an seinem Fahrrad zu schrauben.

Eigentlich sollte es nur eine Stippvisite für Jörg und Angela mit Ben und Emilia im Wohnprojekt sein. Dann sind sie doch geblieben. Sie haben hier ihre zweite Familie gefunden.