Das Ziel „Gute Bildung für alle“ steht im Schaukasten der maßgebenden politischen Entscheidungsträger*innen ganz vorne. Tatsächlich aber hat es keine Priorität. Priorität hat die Geringhaltung der Staatsausgabenquote. Sie liegt heute um vier BIP-Prozentpunkte unter dem Niveau von Mitte der 1990er Jahre – das entsprach 2017 130,5 Milliarden Euro. Entsprechend geringer ist der politische Gestaltungsspielraum. Dogmen wie die Schwarze Null, die Schuldenbremse und die einseitige Weichenstellung in Richtung weiterer Senkungen von Steuern und Sozialbeiträgen sorgen dafür, dass das so bleibt.
Große Koalition verspricht keine Besserung
Diese Selbstfesselung der Politik entfaltet vielfältig negative Wirkungen. Im Bildungsbereich sind Mängelverwaltung, fehlende Lehrkräfte und nach Angaben des Kommunalpanels 2017 der Kreditanstalt für Wiederaufbau ein kommunaler Investitionsrückstand von 37,4 Millarden Euro wichtige Stichworte.
Substanzielle Verbesserungen sind auch von der neuen Großen Koalition nicht zu erwarten. Der Koalitionsvertrag vom 7. Februar 2018 sieht für verschiedene Maßnahmen, unter anderem Ganztagsschulprogramm und Hochschulpakt, ein bescheidenes Fördervolumen von nur 7,45 Milliarden Euro vor und unterlässt es, die originäre Finanzausstattung von Ländern und Kommunen so zu stärken, dass sich eine nachhaltige Bildungsfinanzierung organisieren lässt.
Deutschland hinkt bei den Bildungsausgaben hinterher
Im Vergleich von 34 Staaten, die zur Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gehören, rangierte Deutschland bei den öffentlichen Bildungsausgaben 2014 auf Rang 26. Die chronische Unterfinanzierung spaltet den Arbeitsmarkt für Pädagog*innen. Zwecks Personalkosteneinsparung wird die von prekärer Beschäftigung geprägte Zone immer mehr ausgeweitet. Betroffen sind Hochschulen und von der Weiterbildung bis zu den Musikschulen der gesamte Bereich der non-formalen Bildung.
Befristungen nehmen weiter zu
An Hochschulen hat Deutschland international gesehen einen der höchsten Anteile von Lehrkräften mit befristeten Arbeitsverträgen. Das Befristungsunwesen wuchs parallel zum Rückgang öffentlicher Ausgaben pro Studierendem bei komplementär gleichzeitig gestiegener Bedeutung der Drittmittelfinanzierung. Was an Hochschulen projektbezogene Befristungen sind, ist an Musikschulen und bei Weiterbildungsträger*innen die Substitution von festen Stellen zugunsten bloßer Honorarbeschäftigung. Kamen in der Weiterbildung 2003 auf eine hauptamtliche Lehrkraft 18,3 Honorarbeschäftigte, hat sich die Relation bis Ende 2014 auf eins zu 24,4 verschlechtert.
Prekäre Beschäftigung wirkt sich auf Gesundheit negativ aus
Die Verfestigung von prekärer Beschäftigung hat erhebliche Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl, die Lebensführung und den Gesundheitszustand der Betroffenen. Sie unterliegen einem negativen Dauerstress, der krankmachende Prozesse in Gang setzt. Während die psychische Belastung steigt, unterliegen die körperlichen, geistigen und sozialen Ressourcen, die der Gesunderhaltung dienen, einem vorzeitigen Verschleiß.
Diverse Studien wie zum Beispiel eine 2016 erschienene Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin belegen, dass bei dauerhaft prekär beschäftigten Menschen Gesundheitsprobleme weit häufiger anzutreffen sind als bei Menschen mit guter Arbeit. Bei den Krankenkassen spiegelt sich das in der wachsenden Relevanz psychischer Erkrankungen. Bei den Versicherten der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) etwa hat sich die Zahl an Ausfalltagen pro 100 Versichertenjahre von 1997 bis 2016 mehr als verdreifacht. Hier schließt sich der Kreis: Personalausgaben, die sich die Politik im Kleinklein von fragiler Projektförderung erspart, treiben im Gesundheitssystem die Krankheitskosten nach oben.