Kita 18.11.2022

Mit dem Rücken zur Wand: Bildungskatastrophe in Kitas

AusbildungBildungsfinanzierungFrühkindliche BildungSozial- und ErziehungsdienstSoziale Arbeit
  • Autor*in: Joyce Abebrese
  • Funktion: Referentin für Tarifpolitik der GEW NRW

Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme

Benötigter Platzausbau, aber ohne Fachkräfte. Wie soll das gelingen? Der Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme liefert Zahlen zu bekannten, drängenden Problemen. Klar ist: Entschiedene Schritte und Investitionen sind nötig.

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Am 20.10.2022 veröffentlichte die Bertelsmann-Stiftung den aktuellen "Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme". Jedes Jahr stellt der Ländermonitor fest, dass Fachkräfte fehlen, vor allem um die wissenschaftlich belegten notwendigen Fachkräfteschlüssel gewährleisten zu können – denn nur so könnte gute frühkindliche Bildung gelingen. Schlimm genug. Aber dieses Jahr schlägt der Fachkräftemangel noch stärker zu als in den vergangenen Jahren: Mehr als 24.400 Fachkräfte fehlen in NRW – und das allein in den Kitas! Von weiteren Bildungseinrichtungen gar nicht zu sprechen.

Ausbau der Kitaplätze steigt – aber nicht bedarfsgerecht 

Trotz anhaltenden Ausbaus der Kita-Plätze, kann die Nachfrage der Eltern und Kinder nicht gedeckt werden. Mit rund 14 Prozentpunkten liegt diese für die Kinder unter drei Jahren über dem bereit gestellten Angebot. Somit kann nach wie vor längst nicht jedem Kind die gleiche Bildungschance gegeben werden. Laut Ländermonitor werden im nächsten Jahr insgesamt 102.000 Kita-Plätze fehlen. Hält der Ausbau nicht Schritt vergrößert sich die Lücke. Das ausbleibende Bildungsangebot für die betroffenen Kinder führt zu einer weiter steigenden Bildungsungerechtigkeit. Für diese Kinder rücken tatsächlich gleiche Bildungschancen in weite Ferne. Zudem führt die Platzknappheit zu weiteren Problemen, wie beispielsweise zur Einschränkung der Erwerbstätigkeiten von Eltern, insbesondere von Frauen. 

Fachkräftemangel steigt weiter – Ausbildungskapazitäten erhöhen, Rahmenbedingungen verbessern jetzt!

Seit Jahren warnen wir als Bildungsgewerkschaft vor einem gravierenden Fachkräftemangel, wenn die Ausbildungskapazität nicht erhöht, die Ausbildung nicht bezahlt wird und sich die entsprechenden Rahmenbedingungen in den Kitas nicht verbessern. Dazu gehören u. a. die Leitungsfreistellung aus der Gruppenarbeit, ausreichend Zeiten für die Fachkräfte zur Vor- und Nachbereitung, kleinere Gruppen sowie Zeit für Fort- und Weiterbildung. Erzieher*innen berichten, dass sie das, was sie gelernt haben –  die pädagogische Arbeit mit den Jüngsten unserer Gesellschaft –  in vielen Fällen nicht mehr umsetzen können, da ihnen einfach die Zeit fehlt. Immer mehr Kinder treffen auf immer weniger Fachkräfte – das kann nicht lange gut geht. Dazu stellt der Ländermonitor fest: „Zu wenig Personal verschlechtert nicht nur die Qualität der frühkindlichen Bildung für die Kinder, sondern auch die Arbeitsbedingungen für die pädagogischen Fachkräfte. Dadurch sinken die Chancen, vorhandene Mitarbeiter*innen im Beruf zu halten, was den bestehenden Personalmangel wiederum weiter verschärft.“ Oder kurz: Kita muss Bildung sein – keine Betreuung! Rennen wir also sehenden Auges in die Bildungskatastrophe hinein?

Können wir die Bildungskatastrophe noch aufhalten?

Dennis Mälzer, familienpolitischer Sprecher der SPD im Landtag, kommentierte den Ländermonitor so: „NRW steuert auch im Bereich der frühkindlichen Bildung auf eine Bildungskatastrophe zu.“ Wir als Bildungsgewerkschaft fragen laut, mit Blick auf die teils katastrophalen Zustände berichtet aus der Praxis: Sind wir nicht schon mittendrin und was können wir gegen eine weitere Verschärfung tun?

Wir fordern grundlegende Verbesserungen im Kinderbildungsgesetz (KiBiz). Neben den bereits genannten Forderungen kämpfen wir für eine grundsätzlich verbesserte Finanzierung des Systems und die Entlastung des pädagogischen Personals in ihren Alltagsaufgaben, die nicht pädagogisch sind. Dazu ist die Fortführung des Alltagshelfer*innen-Programms ein erster, wichtiger Schritt. Leider ist dieses bisher nicht verstetigt, sondern lediglich bis zum 31.7.2023 verlängert worden. 

Die Bildungskatastrophe ist aus unserer Sicht noch abwendbar, wenn den Erzieher*innen, Sozialarbeiter*innen, Kindheitspädagog*innen und allen weiteren (sozial-)pädagogischen Fachkräften endlich zugehört und entschieden gehandelt wird. Familienministerin Josefine Paul und die schwarz-grüne Landesregierung sind nun am Zug: Sie müssen sich hinter die Fachkräfte stellen und nachhaltig dafür sorgen, das Kita-System in NRW gerechter zu machen –  für Eltern, Kinder und für die Menschen, die die wichtige pädagogische Arbeit mit Kindern leisten. Wir müssen die Arbeit der Fachkräfte endlich als unersetzlich anerkennen! Als Bildungsgewerkschaft werden wir weiter auf Veränderungen drängen und diese mitgestalten.

Weitere Informationen zum Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme der Bertelsmann Stiftung.