Kita 21.06.2019

Gute-Kita-Gesetz greift zu kurz

Frühkindliche BildungSozial- und ErziehungsdienstBildungsfinanzierung

Fehlende Verbindlichkeit und schwaches Monitoring der Maßnahmen im Kita-Bundesgesetz

Die Bundesländer handeln ohne Beteiligung der Gewerkschaften einzelne Verträge zu den Maßnahmen des Gute-Kita-Gesetzes aus. Von bundesweiten Qualitätsstandards sind die Kitas noch weit entfernt.

  • Autor*in: Stefan Raffelsieper
  • Funktion: Vorstandsmitglied GEW Bonn & Mitglied in der BAG - Bildung und Erziehung in der Kindheit e.V.
Min.

Bildung sollte von gesamtstaatlichem Interesse sein, denn gut ausgebildete Kinder, Jugendliche und Erwachsene bilden, mehren und sichern unseren Wohlstand. Weil Bildung aber in den Kompetenzbereich der Bundesländer fällt, darf sich der Bund nur beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf einklinken.

Ein Bundeskitaqualitätsgesetz muss kommen!

Damit es deutschlandweit gesetzliche Mindeststandards für die Qualität in Kitas gibt, fordert die GEW schon lange ein Bundeskitaqualitätsgesetz. Ausgangspunkt der gewerkschaftlichen Diskussion ist dabei immer die Frage: Wie kann es gelingen, das Recht des Kindes auf eine angemessene Bildung, Erziehung und Betreuung unabhängig vom Wohnort sicherzustellen und optimale Rahmenbedingungen für die pädagogischen Fachkräfte zu schaffen?

Alle Bundesländer einigten sich auf das Kita-Qualitäts- und Teilhabeverbesserungsgesetz

Am 1. Januar 2019 ist schließlich das Kita-Qualitäts- und Teilhabeverbesserungsgesetz (KiQuTG) in Kraft getreten, das verkürzt „Gute-Kita-Gesetz“ genannt wird. Dazu mussten alle 16 Bundesländer beteiligt und unterschiedliche Interessen, finanzielle Ausstattungen und Strukturen zusammengeführt werden. Im Prozess prallten verschiedene Ansprüche aufeinander: Länder wie Baden-Württemberg und Bayern haben schon heute relativ hohe Standards, wohingegen in vielen ostdeutschen Bundesländern noch die entsprechenden Rahmenbedingungen fehlen. Ebenso unterscheidet sich das Verständnis von Kita und ihren Aufgaben in den Ländern massiv.

Verbindlichkeit und Kontrolle fehlen im Gute-Kita-Gesetz

Dass die Formulierung und Umsetzung des Gesetzes nicht einfach werden würde, zeichnete sich schon auf der Frühjahrstagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung in der Kindheit e.V. im vergangenen Jahr ab. Damals stellten Matthias Ritter-Engel, Referent des AWO-Bundesvorstands, sowie Marion Binder vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend den Bearbeitungsstand des Gesetzes dar. Marion Binder schilderte, dass ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren unter Beteiligung der Länder mindestens neun Monate in Anspruch nehme. Ein Verfahren, das schon im November 2014 auf der Bund-Länder-Konferenz „Frühe Bildung“ seinen Anfang nahm.

Die Bundesländer einigten sich schließlich nach etlichen Diskussionen auf zehn Maßnahmen. Dazu zählt unter anderem „einen guten Fachkraft-Kind-Schlüssel in Tageseinrichtungen sicherstellen“. Diese Maßnahmen unterliegen aber keiner Verpflichtung für die Bundesländer und das Monitoring zur Einhaltung der Maßnahmen ist relativ schwach. Einzelne Länder können den Prozess auch boykottieren und frei entscheiden, welche Maßnahmen sie bedienen. Über die einzelnen Schritte zur Umsetzung des KiQuTG werden mit den Ländern in geheimen Verhandlungen Verträge geschlossen anstelle der gewerkschaftlich geforderten Zielvereinbarungen.

Gute-Kita-Gesetz sichert langfristige Finanzierung in den Ländern nicht!

NRW erhält aus den Bundesmitteln für die Umsetzung des Gesetzes 107 Millionen Euro in 2019, 215 Millionen Euro in 2020 und in den Jahren 2021 und 2022 zusammen 431 Millionen Euro. Ab 2020 wird das vorletzte Kitajahr gebührenfrei. Eine Befristung der Mittel führt dazu, dass angefangene Projekte oder zusätzlich eingestellte Fachkräfte nicht über das Jahr 2022 durch Bundesmittel finanziert werden und somit wegfallen könnten. Das System steht und fällt aber mit einer festen Finanzierung auch über 2022 hinaus. Nach Ablauf des Gesetzes muss neu verhandelt werden.

Das Geld wird außerdem genutzt, um die Kommunen zu entlasten. Diese sagen ihrerseits Gebührenfreiheit für den Besuch der Kitas zu. Das ist generell nicht schlecht. Viele Wissenschaftler*innen, Expert*innen und auch die GEW NRW vertreten die Auffassung, dass das Geld vorrangig dazu verwendet werden sollte, die Qualität in den Kitas anzuheben. Dazu gehören zum Beispiel ein verbindlicher Anspruch auf Fachberatung, ein verbesserter Fachkraft-Kind-Schlüssel sowie verbindliche Vor- und Nachbereitungszeiten.

Praktiker*innen an Maßnahmen in Kitas beteiligen!

Ziel sollte es nicht sein, Kommunal- und Länderwahlkampf zu machen. Die Bildung in den Kitas sollte losgelöst von parteilichen Interessen sein und auf fachlichen und wissenschaftlichen Grundlagen beruhen. Außerdem sollten Gewerkschaften und Expert*innen an den Prozessen beteiligt werden. Das Gesetz darf nicht von länderspezifischen Regelungen abhängig sein, die weit hinter dem stehen, was fachlich erforderlich ist. In Kitas sind strukturelle Standards nötig, die länderübergreifend von öffentlichen und freien Trägern umzusetzen sind. Die Qualität der frühkindlichen Bildung darf nicht von der Postleitzahl abhängen!

GEW NRW nimmt Kinderbildungsgesetz in NRW unter die Lupe

Derzeit wird in NRW über den Entwurf für ein neues Kinderbildungsgesetz diskutiert. Das Gesetz soll unter anderem aus Mitteln aus dem Bundesgesetz finanziert werden. Die GEW NRW wird die Diskussionen um ein neues Gesetz und die Umsetzung weiterverfolgen und ihre gewerkschaftlichen Forderungen einbringen. Eine Stellungnahme zum „Referent*innenentwurf eines Gesetzes zur Einführung des Gesetzes zur frühen Förderung und Bildung von Kindern und zur Änderung des Schulgesetzes“ ist bereits in Zusammenarbeit mit DGB NRW und ver.di NRW entstanden.