Ruhestand 24.10.2018

Anders wohnen im Alter

Altersvorsorge
Anders wohnen im Alter

Wie führen die demografische Entwicklung und das Bedürfnis nach Gemeinschaft zu Innovationen im Wohnungsmarkt?

Wie wohnen wir im Alter? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Initiative „ZukunftsPioniere“, die beim Senior*innentag der GEW NRW vorgestellt wurde. Dahinter steckt die Idee, Senior*innen auf dem Weg zur richtigen Wohnform zu beraten.

  • Autor*in: Thomas Bebiolka, Kathleen Battke
  • Funktion: Gründer*innen der Initiative „ZukunftsPioniere“
Min.

Der demografische und gesamtgesellschaftliche Wandel ist mittlerweile unübersehbar: Wir leben immer länger. Wir werden weniger, auch wenn die Geburtenraten jüngst wieder gestiegen sind unter anderem durch zugewanderte Mitmenschen. Immer mehr von uns leben in Einzelhaushalten – ob Jung oder Alt. Die klassischen Familienbande sind dünner geworden, wachsende Mobilität und Digitalisierung lockern Beziehungen. Und die kulturelle Vielfalt nimmt zu.

Auch Wohnwünsche von Senior*innen verändern sich

All dies wirkt sich – wen wundert es – auf die Lebensstile und Wohnwünsche der Menschen aus. Mit Blick auf Ältere und Alte heißt das zum Beispiel:

  • Es ist wahrscheinlich, dass mit zunehmendem Alter der Bedarf an Hilfe, Unterstützung und schließlich Pflege wächst.
  • Es gibt weniger helfende Angehörige – rein zahlenmäßig, aber auch bezogen auf räumliche Nähe und Verfügbarkeit.
  • Angesichts steigender Altersarmut – insbesondere für Frauen – reduzieren sich die Spielräume zum Beispiel für den Zukauf von hilfreichen Dienstleistungen.
  • Sowohl das Recht auf Individualität als auch der Wunsch nach Gemeinschaft verlangt nach Raum, im metaphorischen wie im konkreten Sinn.
  • Für Wohnraum bedeutet das vor allem: Er hat sich viel mehr als bisher lebensphasengerecht zu wandeln mit den Bedürfnissen und biografischen Veränderungen seiner Bewohner*innen.

Neue Wohnformen sprießen seit einigen Jahrzehnten aus dem Boden als Folge dieses Wandels, aber auch der sozialen Bewegungen der 1970er- und 1980er-Jahre. Mehrgenerationen-Wohnprojekte, genderspezifische Gemeinschaften, Öko-Dörfer und Zweck-Wohngemeinschaften (WGs) sind nur einige Beispiele. Dem zunehmenden Betreuungsbedarf im wachsenden Alter trägt die wachsende Zahl an Pflege-WGs Rechnung. Zunehmend werden diese auch in gemeinschaftliche Wohnformen integriert.

Interesse an alternativen Wohnformen wächst

Als Berater*innen für „ZukunftsPioniere“ und in der Begleitung von Wohnprojekten, unter anderem für das Landesbüro Innovative Wohnformen NRW, gab es immer intensiven Kontakt zu Älteren, die sich für andere Wohnformen interessierten: von 68-Jährigen, die nicht mehr allein leben wollen, bis hin zu über 80-Jährigen, die erst in zehn Jahren die Wohnform ändern wollen. Viele von ihnen leben alleine, vor allem Frauen. Meist sind es auch Frauen, die sich auf den Weg machen, ihre Situation zu verändern.

Es gibt großen Bedarf an gemeinschaftlichen Wohnformen, mit einer Spannbreite von „Ich möchte in verlässlicher Nachbarschaft wohnen“ bis hin zu „Ich suche Freunde und eine neue Familie“. Allerdings wollen viele ihre Gewohnheiten nicht ändern: Man möchte den geliebten Stadtteil, das eigene Haus, den gewachsenen Freiraum nicht aufgeben.

Viele Ältere haben eine Ahnung, dass es nicht bis zum Ende so bleiben kann, wie man es sich eingerichtet hat; gleichzeitig sind viele Gemeinschaft nicht gewohnt und unsicher, was sie dazu beitragen können. Es herrscht eine kritische Diskrepanz zwischen Einsicht in Notwendigkeiten, Anspruchshaltung und Unkenntnis über die eigene Wirkung in einer Gruppe.

Gemeinschaftliche Wohnformen erfordern Eigeninitiative

Bei der wachsenden Vielfalt an Wohnformen und -möglichkeiten, die der Ausdifferenzierung der Bedürfnisse entspricht und entgegenkommt, ist im Prinzip für jede*n etwas dabei. Allerdings ist eine Konsumhaltung keinesfalls angesagt: Viele Senior*innen erwarten zum Beispiel von einem Mehrgenerationen-Wohnprojekt vor allem Unterstützung, bis hin zum Service wie im Altersheim. Stattdessen sind Aktivität, Eigenverantwortung, verlässliche Freude am Mitgestalten, Geduld für Gruppenprozesse und Risikobereitschaft gefordert. Wenn das Bedürfnis nach Loslassen, Zur-Ruhe-Kommen und Fürsorge, nachdem man ein Leben lang für andere gesorgt hat, überwiegt, ist betreutes Wohnen oder ein Heim sicher die bessere Möglichkeit.

Innovative, gemeinschaftliche Wohnformen bieten Lösungen – sowohl für sich wandelnde persönliche Bedürfnisse als auch für die Herausforderungen des gesellschaftlichen Wandels. Deshalb werden sie jetzt schon immer mehr. Und der Bedarf wächst.

Voraussetzungen für ihre wachsende Wirksamkeit sind,

  1. immer mehr aktive Bürger*innen, die anders wohnen wollen, sich zusammentun, es anpacken und die Institutionen entsprechend herausfordern;
  2. unterstützende Rahmenbedingungen seitens der Kommunen beziehungsweise der Politik;
  3. die Bereitschaft und konkrete Angebote von Investor*innen, anderen, flexiblen, Begegnung fördernden Raum zu schaffen.

Kurz: Es braucht einen Bewusstseinswandel. Hierzu muss Jede*r sich entscheiden und in partizipativen Prozessen die nötigen Schritte tun: Veränderungen entwerfen, beschließen und umsetzen.