Kita 22.02.2019

Tagesmutter: Eine Alternative zur Kita?

Frühkindliche BildungSozial- und Erziehungsdienst
Tagesmutter: Eine Alternative zur Kita?

Warum sich Eltern bei der U3-Betreuung für die Kindertagespflege entscheiden

In NRW stressfrei einen U3-Betreuungsplatz zu ergattern, ist mancherorts wie ein Sechser im Lotto. Wir haben bei Eltern aus Essen und Düsseldorf nachgefragt, für die eine Tagesmutter die Lösung war.

  • Interview: Sherin Krüger
  • Funktion: Redakteurin im NDS Verlag
Min.

Betreuungsplätze für unter dreijährige Kinder sind mitunter hart umkämpft in NRW. 134.200 Plätze in Tageseinrichtungen meldete das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen für das Kitajahr 2018/2019. In den Kitas kümmern sich Erzieher*innen und pädagogische Fachkräfte jeden Tag um das Wohl, die Bildung und Erziehung der Kleinen. Doch ihre Möglichkeiten sind begrenzt: Der Betreuungsschlüssel passt nicht, die Altersspanne ist zu groß, eine Vertretung Fehlanzeige. Eltern, die sich mit der Betreuung ihrer Kleinsten auseinandersetzen, klappern daher auch die Alternativen zur Kita ab.

Wie unsere zwei Elternpaare aus Essen und Düsseldorf: Laura ist 37 Jahre alt und Grundschullehrerin, ihr Mann 38 und selbstständiger Unternehmer. Zu fünft leben sie mit Charlotte (26 Monate), Anni (13 Monate) und Mia (8 Jahre) in Essen. Bei Denise, 39 Jahre alt und freie Journalistin, und Michael, 46 Jahre alt und Controller, ist das dritte Kind gerade unterwegs. Luise (6 Jahre) geht schon zur Schule und Oskar (3 Jahre) in den Kindergarten.

Vier der Kinder sind für ihre Betreuung unter drei Jahren bei einer Tagesmutter untergekommen. Im Interview erzählen die Eltern, wie sie die Entscheidung getroffen haben und welche Erfahrungen sie während der Suche und der Betreuungszeit machten.

Wie seid ihr vorgegangen bei der Suche nach einem U3-Betreuungsplatz für eure Kinder? Welche Varianten kamen für euch infrage?

Denise: Luise kam 2012 auf die Welt. Zu dem Zeitpunkt hatten wir das Glück, dass wir die Omas und Opas prima einspannen konnten. Mit 18 Monaten sollte sie in die Betreuung. Ungefähr acht Monate vorher haben wir angefangen, uns über die Möglichkeiten der U3-Betreuung zu informieren. Wir befragten also befreundete Familien über ihre Erfahrungen mit Kitas, Tagesmüttern oder -vätern und so weiter. Und wir haben uns bei der Stadt Düsseldorf informiert. Relativ schnell war für uns klar, dass eine Kita keine Option sein kann. Wir kennen auch positive Beispiele, aber mein Eindruck ist, dass diese besonders in Großstädten eher Seltenheitswert haben.

Laura: Ich bin nach einem Jahr Elternzeit wieder arbeiten gegangen. Also haben wir uns einige Zeit vorher mit einem U3-Betreuungsplatz für Lotte auseinandergesetzt. Für uns stand schnell fest, dass wir unsere Tochter in dem Alter nicht in einer Kita unterbringen würden. Bei der Suche hatten wir großes Glück, da wir die Tagesmutter bereits einige Zeit kannten und schnell klar war, dass wir einen Platz bei ihr kriegen würden. Auch unsere dritte Tochter wird ab diesem Sommer zu ihr gehen.

Michael: Wir kannten unsere Tagesmutter vorher nicht und sind erst einmal zweigleisig gefahren: Wir haben auf eigene Faust gesucht und auch Kontakte über das Jugendamt und die AWO angefragt. Letztendlich ging es über das eigene Netzwerk ziemlich fix und wir konnten gleich zwei Tagesmütter innerhalb weniger Tage kennenlernen. Der offizielle Weg scheint hier bei uns in Düsseldorf generell schwierig zu sein. Von der AWO haben wir beispielsweise erst nach sechs Monaten etwas gehört.

Und welche Faktoren spielten letztendlich bei eurer Entscheidung für die Tagespflege und gegen eine Kita eine Rolle?

Mathias: Wir können und konnten uns für die ersten ein oder zwei Betreuungsjahre den intimeren Umgang bei einer Tagesmutter besser für unsere kleine Tochter und uns vorstellen. Ein Grund ist sicherlich der gute Betreuungsschlüssel. Ab einem Alter von zwei oder drei Jahren macht ein geringerer Betreuungsschlüssel nicht mehr so viel aus, aber bei Kleinkindern fühlen wir uns mit einer 1:4- oder 1:5-Betreuung deutlich sicherer und wohler. Mit einem Jahr hat sich unsere Tochter regelmäßig alles, was ihr zwischen die Finger kam, in den Mund gesteckt. Ich denke, die Tagesmutter konnte ihr Verhalten besser kontrollieren und gegebenenfalls verhindern. Bei den Räumlichkeiten hat uns der häusliche Wohlfühlfaktor gefallen: ein Spielzimmer, eine Küche, ein Schlafraum.

Denise: Auf der Suche nach einer U3-Betreuung für Luise sah es ähnlich aus: Die Gruppengrößen in den unterschiedlichen Einrichtungen lagen bei 15 bis 17 Kindern. Das passte für uns einfach nicht. Zu viele Kinder, zu wenige Erwachsene, ein ziemlich routinierter Tagesablauf, zu hohe Lautstärke. Bei Luises Tagesmutter haben wir uns damals direkt wohlgefühlt. Und der sehr gute Kontakt zu ihr kam später auch unserem Sohn Oskar entgegen: Er hatte ab dem Tag seiner Geburt einen U3-Betreuungsplatz sicher. Das dritte Kind ist gerade unterwegs und wird zur gleichen Tagesmutter gehen wie die großen Geschwister.

Laura: Durch die Betreuung in der Tagespflege entsteht ein intensiver Austausch zwischen den Eltern und der Betreuungsperson. Das war uns gerade im ersten Jahr der Betreuung sehr wichtig. Als junge Eltern waren wir sehr daran interessiert, alles Notwendige über unser Kind zu erfahren. Wann, wie und was hat es gegessen? Hat das Kind geschlafen? Warum hat es auf der Nase einen Kratzer? Als Erzieher*in in einer Kita würde man den Eltern nur zu gerne diese Auskünfte erteilen, es ist zeitlich und organisatorisch aber meist einfach nicht möglich. Ich habe selbst als Erzieherin gearbeitet und kann die Situation in Kitas deshalb sehr gut nachempfinden.

Könnt ihr einen Unterschied in der Betreuung ausmachen – Tagespflege versus Kita –, wenn ihr euch mit anderen Elternpaaren dazu austauscht?

Michael: Oskar ist schon mit zweieinhalb Jahren in die gleiche Kita gewechselt wie seine große Schwester – allerdings in die U3-Gruppe. Wir haben also einen ganz guten Vergleich zwischen der U3-Betreuung in der der Kita und in der Tagespflege. Die Möglichkeit der individuelleren Betreuung ist sicher der größte Unterschied. Unsere Tagesmutter betreut maximal fünf Kinder. Für unseren Sohn hat die U3-Betreuung in der Kita nicht gepasst. Der tägliche Kontakt beim Bringen und Abholen war sehr viel trubeliger und der persönliche Austausch kaum möglich.

Denise: Die Erzieher*innen haben auf jeden Fall ihr Bestes gegeben, doch wie können sie allen gerecht werden, wenn zum Beispiel die Altersspanne in der Gruppe zu groß ist? Von vier Monaten bis sechs Jahre werden Kinder aufgenommen. Zu unserer Zeit war das jüngste Kind ungefähr ein Jahr alt und das älteste Kind etwa fünf. Das ist für die Erzieher*innen eine immense Herausforderung. Gerade die Zwei-bis Dreijährigen sind aus unserer Sicht ziemlich untergegangen.

Laura: Der Kindergarten bietet den Kindern ein großes Spektrum an Spaß, Spiel-, Bewegungs- und Entfaltungsmöglichkeiten. Regelmäßige Singkreise, vielfältige Projekte, ein großes Repertoire an Spielzeug und -geräten, ein großer Außenbereich und die Heterogenität in den Gruppen machen den Kindergartenalltag spannend, kreativ, erlebnisreich und kindgerecht. Das alles kann eine Tagesmutter nicht abdecken – muss sie aber auch nicht. Für Kleinkinder scheint mir die häusliche Umgebung, die Geborgenheit und Nähe wichtiger zu sein. Als Eltern waren wir uns einig, dass die Tagespflege ein richtiger Schritt ist zwischen der Zeit zu Hause – bei Mama, Papa und den Geschwistern – und der Zeit im Kindergarten.

Mathias: Ab einem Alter von zwei bis drei Jahren ist die Betreuung in einer Kita sicher sinnvoller. Unsere Tochter wird im Oktober drei und wir hoffen sehr, dass wir einen Kindergartenplatz bekommen. So langsam merken wir deutlich, dass sie bereit ist für mehr und Erfahrungen in größeren Gruppen machen muss. Sie ist wissbegierig wie ein Schwamm und das kann man auch ganz klar sagen: Diesen Input kann unsere Tagesmutter nicht bieten.

Wie sieht denn der Tagesablauf aus? Was bieten Tagesmütter und Tagesväter im Vergleich zur Kita?

Laura: Kinder brauchen einen übersichtlich strukturierten Tagesablauf, der ihnen Orientierung, Verlässlichkeit und Sicherheit bietet. Eine Tagespflegeperson kann dies leicht abdecken. Alle fünf Kinder unserer Tagesmutter werden morgens um acht Uhr gebracht und frühstücken erst einmal zusammen. Danach werden die Kinder gewickelt und je nach Wetterlage gehen sie nach draußen auf den Spielplatz oder spielen in der Wohnung. Kreativ- und Bastelangebote finden selten statt, was aber in dem Alter auch zuhause noch keine große Rolle spielt. Gegen 11.30 Uhr gibt’s Mittagessen und die Kinder gehen schlafen. Jedes Kind hat ein festes Bett, sodass es sich dort wohl und geborgen fühlt. Am Nachmittag wird noch einmal frei gespielt. Der Ablauf ähnelt sich Tag ein Tag aus. Lotte konnte uns schon früh erzählen, was sie erlebt hat und ob alle Kinder da waren. Ein Vorteil ist sicher auch, dass alle Kinder in der Nachbarschaft wohnen und sich auch außerhalb der Betreuungszeiten sehen.

Denise: Bei uns ist es ganz genauso: Die Tagesmutter wohnt nur zwei Straßen weiter und so bleiben die Kids eigentlich den ganzen Tag in ihrer vertrauten Umgebung. Sie frühstücken zusammen, gehen einkaufen und spielen auf dem Spielplatz, im Hof oder in der Wohnung. Der Ablauf wird je nach Wetter angepasst. Uns gefällt, dass die Lautstärke im Vergleich zum Kindergarten nicht so hoch ist. Im Krankheitsfall hat unsere Tagesmutter eine Vertretung. Sie kommt regelmäßig für ein bis zwei Stunden, um mit den Kindern zu spielen und so eine Vertrauensperson zu sein.