Kita 05.07.2019

Rituale für den Übergang von der Kita in die Schule

Frühkindliche BildungGrundschuleSozial- und Erziehungsdienst
Rituale für den Übergang von der Kita in die Schule – „Du bist gut so wie du bist, du kannst alles schaffen, wir glauben an dich!“

„Du bist gut so wie du bist, du kannst alles schaffen, wir glauben an dich!“

Ein persönlicher Brief von der Erzieherin, eine sanfte Landung auf der Matte, ein rauschendes Fest mit Rallye: Um die Kitakinder in die Schulzeit zu entlassen, haben sich schöne Rituale entwickelt. Was es mit dem Rausschmiss aus der Kita auf sich hat und was sich in den kleinen Schultüten befindet, erzählt Kindheitspädagogin Friederike Stahl-Kolb im Interview.

  • Interview: Sherin Krüger
  • Funktion: Redakteurin im NDS Verlag
Min.

Im ersten Teil unseres Interviews haben wir mit Kindheitspädagogin Friederike Stahl-Kolb über die Vorbereitung der Kitakinder auf das Schulleben gesprochen. Im weiteren Verlauf des Gesprächs stehen die besonderen Rituale im Fokus, die die Kitakinder in ihren letzten und schließlich auch an ihrem allerletzten Tag im Kindergarten begleiten.

Für die letzten Tage in der Kita gibt’s ein ganz besonderes Programm für die Kinder. Übernachtungen und Sommerfeste mit Aktionen stehen oft auf dem Plan: Welche Rituale gibt es in deiner Kita?

Im Laufe der letzten Kitawochen findet ein Abschiedsfest für die Schulanfänger*innen statt. Nachmittags, nach der offiziellen Öffnungszeit, kommen sie in die Kita zurück, um gemeinsam zu essen, zu singen und zu spielen. Etwas ganz Besonderes ist dann die gemeinsame Rallye durch die Kita. Die Kinder suchen verschiedene von den Erwachsenen versteckte Hinweise und Fragen über sich und die eigene Kitazeit. Diese lauten zum Beispiel: „Der nächste Hinweis ist in deinem Lieblingsbuch versteckt“. So bekommt jedes Kind eine individuelle Frage über sich und sie können die vergangen Jahre gemeinsam Revue passieren lassen.

Das Ende der Rallye findet in einem Raum statt, in dem sie kleine Schultüten vorfinden, die allerdings ohne Inhalt sind. Die Schultüten werden anschließend von uns Fachkräften in einer kleinen Zeremonie gefüllt. Jedes Teil wird mit einem Spruch – wie „Ich lege dir Stifte in deine Schultüte, damit dein Leben immer schön bunt ist“ – in die Tüte gelegt.

Eine Rallye mit individueller Schultüte als krönender Abschluss ist bestimmt schon riesige Überraschungen für die Schulkinder in spe. Gibt es noch mehr Aktionen gemeinsam mit allen Kitakindern?

Um das Ende der Kitazeit symbolisch einzuläuten, werden die Kinder am Ende der Feier sozusagen aus der Kita geschmissen. Dafür wird eine dicke Turnmatte vor die Eingangstür gelegt und die Schulanfänger*innen werden von uns tatsächlich hochgehoben und über die Türschwelle auf die Matte geworfen. Ihre Eltern nehmen sie dann in Empfang. Abschließend entstehen dann meist noch Gespräche mit den Familien.

Wenn es soweit ist und der letzte Tag in der Kita ansteht, wird das ebenfalls noch einmal zelebriert. In einer Vollversammlung – das heißt, alle Kinder sind im Bewegungsbereich versammelt – verabschieden wir uns von den Kindern. Auch hier wird über die vergangene Kitazeit gesprochen, über die zukünftige Schule und es werden Lieblingslieder der Schulanfänger*innen gesungen. Außerdem wird der Portfolioordner an die Kinder überreicht, in dem sie noch einen persönlichen Brief finden. Die Briefe schreiben wir Fachkräfte und beschreiben darin schöne Erinnerungen und vor allem die Stärken der Kinder. Wenn die Kinder möchten, werden diese dann auch direkt von einer Person ihrer Wahl vorgelesen.

Dann singen alle Kinder und Erwachsenen das Abschiedslied „Arrivederci und bye bye“, mit dem immer wiederkehrenden Satz „Wir wollen dich wiedersehen“. Die Möglichkeit, uns in den Ferien tageweise zu besuchen, zeigt den Kindern, dass es kein Abschied für immer ist. Ebenso bei Kitafesten sind die Kinder immer willkommen. Nach diesem meist traurigsten Teil der Feier, kommt für die meisten Kinder der beste Teil: Viele Schulanfänger*innen bringen zum Abschied noch eine süße Überraschung mit, die dann von ihnen verteilt wird.

Warum hat sich diese Art der Verabschiedung bewährt? Wie würdest du den pädagogischen Aspekt beschreiben?

Diese Art von Abschiedsritualen hat sich in den letzten Jahren gut bewährt, natürlich gestützt durch regelmäßige Reflektionen im Team. Wir nehmen die Kinder an diesen Tagen mit vielen positiven Gefühlen wahr. Ich denke, dass sie die Kita durch die Wertschätzung, die wir ihnen entgegenbringen, mit einem positiven Selbstbild verlassen. Es wird ihnen nochmal aufgezeigt, wie viel sie in den letzten Jahren gelernt und gemacht haben und was ihre Stärken und Eigenschaften sind. Wir möchten ihnen mit auf dem Weg geben „Du bist gut so wie du bist, du kannst alles schaffen, wir glauben an dich!“. Wir wissen, dass für jedes Kind der Schulwechsel eine Herausforderung ist und möchten ihnen auf diese Weise Mut für den Übergang machen und ihnen diesen wichtigen Schritt erleichtern.

Des Weiteren haben und bekommen die Kinder die Möglichkeit, sich mit dem Thema Übergang von der Kita in die Grundschule weitaus vorher zu beschäftigen. Zum einen sind sie bereits in den Vorjahren Teil des Abschiedsrituals gewesen. Zum anderen wird der Übergang durch einen Besuch der Grundschule viel transparenter gemacht. So lernen sie das Gebäude, neue Klassenkamerad*innen und die Lehrer*innen teilweise vor der Einschulung kennen. Es ist wichtig, den Kindern den Übergang so transparent wie möglich zu gestalten – für sie bedeutet das noch mehr Sicherheit.

Was kann beim Übergang von der Kita in die Grundschule außerdem von Wert sein? Welche Rolle übernehmen dabei Eltern oder Kooperationspartner?

Die Eltern sind beim Übergang die wichtigsten Akteure. Letztlich sind sie diejenigen, die entscheiden, auf welche Schule das Kind geht und gegebenenfalls wann es eingeschult wird. Sie treffen Entscheidungen über Weitergabe von Bildungsdokumentation, über Zusammenarbeit mit Schulärzt*innen und so weiter. Sie haben den größten Einfluss sowohl auf die Schulbildung der Kinder, als auch in allen anderen Lebensbereichen. Sie sind schließlich die Expert*innen für ihre Kinder. Wie die Transition gelingt, hängt dementsprechend auch von den Eltern ab. In welcher Form unterstützen sie ihr Kind, schaffen sie es, Ängste und Sorgen der Kinder empathisch wahrzunehmen und finden sie den richtigen Weg, diese aufzugreifen? Welche Emotionen habe ich als Elternteil? Habe ich die richtige Schulwahl getroffen? Auch für Eltern ist dieser Schritt oft genauso eine Herausforderung.

Wir als Einrichtung können den Eltern beratend und kooperierend zur Seite stehen. Für die grundsätzliche Kooperation gibt es einen Kooperationskalender, der im Handbuch für Qualitätsmanagement hinterlegt ist. Kooperationspartner*innen sind hauptsächlich die verschiedenen Grundschulen, zu denen wir engen Kontakt pflegen.