Lehrer*innenbildung 12.06.2017

Referendar*innen brauchen Mut zum Scheitern

Vorbereitungsdienst
Referendar*innen brauchen Mut zum fröhlichen Scheitern

Die ersten Wochen im Vorbereitungsdienst – ein Erfahrungsbericht

Marvin Weißmann hat vor rund sechs Wochen sein Referendariat an einer Gesamtschule in Löhne begonnen. Mit Unterrichten haben die ersten Arbeitstage aber nur wenig zu tun.

  • Autor*in: Marvin Weißmann
  • Funktion: Referendar an der Bertolt-Brecht-Gesamtschule Löhne
Min.

An das eigene Referendariat haben viele Kolleg*innen keine guten Erinnerungen. Bevor es für mich begonnen hatte, konnte ich mir im Gespräch mit erfahrenen Lehrer*innen einen ersten Eindruck verschaffen. Sie erzählten, dass sich viele auch körperlich total verändert hätten und es die stressigste Zeit ihres Lebens gewesen sei. Der wohl positivste Kommentar lautete: „Andere haben es auch überlebt.“

Und plötzlich stehe ich selbst auf der Bühne in der Aula. Während ich meine rechte Hand zum Amtseid hebe, habe ich noch nicht realisiert, was ich in dem Moment nachspreche. Ich bin aufgeregt, unterschreibe und schon ist mein Schicksal für die nächsten (hoffentlich) 18 Monate besiegelt.

Formalien und Fahrgemeinschaft – willkommen im öffentlichen Dienst!

Nach dem offiziellen Teil werden wir ahnungslose Jungreferendar*innen zum Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL) geführt. Ein erster Lichtblick: In meinem Kernseminar ist eine Referendarin, die an die gleiche Schule kommt wie ich und sogar einen ähnlichen Weg pendeln muss. Wir tauschen Handynummern und gründen eine Fahrgemeinschaft. In dem Seminar werden wir mit Formalien überhäuft: Wann muss welcher Unterrichtsbesuch gemacht werden? Wie sieht der Dienstweg aus? Und – ganz wichtig – bloß nicht die Anmeldung zum Examen vergessen. In weniger als zwölf Monaten. Willkommen im öffentlichen Dienst!

Zwei Wochen geschafft. Weitermachen. Nur Mut!

Nach einer dreitägigen Kennenlernphase starten wir – so sehen es die Richtlinien des ZfsL vor – in eine zweiwöchige Intensivphase. Pro Ausbildungsfach haben wir eine Woche Zeit und lernen unsere Fachseminarleiter*innen kennen. Ich treffe jene Menschen zum ersten Mal, von denen meine Kolleg*innen haarsträubende Geschichten erzählt haben. Es heißt, sie urteilten hart und gäben willkürlich Noten. In meinem Fall stellen sie sich jedoch als sehr umgängliche und kompetente Kolleg*innen heraus, von denen ich viel lernen kann. Nach diesen zwei Wochen bleibt bei mir vor allem die Aussage eines Fachseminarleiters im Kopf hängen: „Mut zum fröhlichen Scheitern!“

Die Schlüssel in der Tasche – ein gutes Gefühl

Dann wird es ernst: Ich stehe mit meiner Mitreferendarin im Sekretariat unserer Schule. Wir müssen uns in einem fremden Gebäude zurechtfinden, sehen viele fremde Gesichter, sind viel zu früh dran. Erst als wir unsere Ausbildungsbeauftragte (ABB) kennenlernen, fällt die Aufregung ab. Sie begrüßt uns herzlich und gibt uns das Gefühl, dass wir das Referendariat gemeinsam schaffen. Dann müssen wir uns durch einen Papierberg aus Schulregularien und Listen arbeiten, werden bei der Rektorin vorstellig, bekommen eine Schulführung und die Schulschlüssel. Ein wichtiger Moment, denn der Schlüssel gibt mir zum ersten Mal das Gefühl, wirklich angekommen zu sein.

Die weiteren Tage sind geprägt von Unterrichtshospitationen in unbekannten Räumen. Ich lerne viele tolle Kolleg*innen kennen, die sich gerne auch mal eine Freistunde lang mit mir hinsetzen und zusammen Unterricht planen. Die Zeit drängt, denn der Plan des ZfsL ist straff und bis zu den Sommerferien sollen wir eine bestimmte Stundenzahl unterrichtet und am besten schon einen benoteten Unterrichtsbesuch gehabt haben.

Die erste Unterrichtsstunde ist kein Meisterwerk

Und dann ist sie da: Die erste eigene Stunde. Es ist eine zehnte Klasse, die Noten sind schon eingetragen und ich soll in drei Stunden eine ganze Reihe verdichten. Wie zu erwarten war, ist es kein Glanzstück. Irgendwie geht zu schnell voran und muss trotz meiner detaillierten Planung auf die Reserve meiner Reserve zurückgreifen. Besonders zum Schluss komme ich ins Straucheln. Erst das Gespräch mit der Kollegin im Anschluss baut mich wieder auf. Es ist konstruktiv und fördert meine Stärken und Schwächen zutage. Ich habe noch viel Zeit zum Polieren und nach den Sommerferien beginnt der bedarfsdeckende Unterricht. Also: Mut zum fröhlichen Scheitern!