Es irritiert erheblich, wenn zum jetzigen Zeitpunkt ein Antrag in den Landtag eingebracht wird, der mit „Lehrkräfteversorgung sicherstellen: Möglichkeiten der passgenauen Lehrerausbildung nutzen“ überschrieben ist und en passant teils nicht unerhebliche Änderungen ins Spiel bringt. Denn: Eigentlich warten wir auf den für dieses Jahr vorgesehenen Evaluationsbericht zu Entwicklungsstand und Qualität der Lehramtsausbildung in NRW und auf für den Sommer angekündigte erste Ergebnisse der Evaluation des Vorbereitungsdienstes. Bisher hieß es, eben diese Evaluationen seien Grundlage für Überlegungen zur weiteren Ausgestaltung der Lehramtsausbildung in NRW. Es macht den Anschein, dass stattdessen bereits vorab politisch motiviert Änderungen initiiert werden sollen.
Kontraproduktive Verkürzungsüberlegungen
Es werden unangenehme Erinnerungen wach, wenn die derzeitigen Regierungsfraktionen die Landesregierung über den Landtag beauftragen, unter anderem „zu prüfen, wie schulische Vortätigkeiten verstärkt auf die Dauer des Vorbereitungsdienstes angerechnet werden können.“ Vor einem guten Jahrzehnt wurde von den damaligen Verantwortlichen von CDU und FDP mit der Neufassung des Lehrerausbildungsgesetzes (LABG) nicht nur die Umstellung auf Bachelor-/Masterabschlüsse, die Einführung eines 5-monatigen Praxissemesters und die Verkürzung des Vorbereitungsdienstes von 24 auf zunächst 18 Monate beschlossen. Das neue LABG regelte 2009 zunächst auch für diejenigen, die zukünftig ein Praxissemester absolvieren würden, bereits eine weitere Verkürzung des Vorbereitungsdienstes auf dann nur noch 12 Monate. Mit Blick auf die Fehlentwicklungen und Verwerfungen hinsichtlich der Arbeits- und Ausbildungsbedingungen, die sich bereits durch die Verkürzung des Vorbereitungsdienstes auf 18 Monate ergeben haben, will man sich die Auswirkungen einer weiteren Verkürzung gar nicht ausmalen. Es kann durchaus als Erfolg des vehementen Widerstands gewertet werden, dass nach einem Regierungswechsel zumindest der zweite Verkürzungsschritt aus dem LABG gestrichen wurde.
Testballon?
Umso besorgniserregender ist es, wenn nun erneut ein weiter verkürzter Vorbereitungsdienst als vermeintlich sinnvolle Option in den Fokus gerückt wird. Selbst wenn vorliegend zunächst nur ausgewählte Lehramtsanwärter*innen-Gruppen offensichtlich adressiert werden – es ist damit der Einstieg in eine Veränderung der Ausbildungsarchitektur zu befürchten. Die Landesregierung ist gefordert, zeitnah klarzustellen, in welche Richtung es gehen soll.
Nebelkerzen!
Dies ist umso dringlicher, als die Begründung für die vorliegenden Überlegungen schlicht als Nebelkerzen einzustufen ist: Die Rechnung, durch Verkürzungen in den beiden Phasen der Lehramtsausbildung einen Beitrag zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung zu erreichen, kann nicht wirklich aufgehen, da es so ja keine einzige zusätzliche Lehrkraft gibt. Einem ein paar Monate früheren Eintritt in den Schuldienst durch ein außerplanmäßiges Vorziehen der Staatsprüfung steht ein erheblicher organisatorischen Aufwand für viele Beteiligte insbesondere in den Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung, aber auch den ausbildenden Schulen und dem Landesprüfungsamt gegenüber. Unklar bleibt dabei außerdem, warum für einige der Lehramtsanwärter*innen ein Teil der Seminarausbildung verzichtbar zu sein scheint und mit welcher Zielsetzung Lehramtswärter*innen in einen Schnelligkeits-Wettbewerb getrieben werden sollen. Jenseits dessen: Dass ein Ende des Vorbereitungsdienstes mitten im Schulhalbjahr Probleme hinsichtlich der Anschlussfähigkeit verursacht, kommt nun nicht überraschend, sondern wird von uns seit der damaligen Umstellung bemängelt.
Verbesserung der Studienbedingungen erforderlich
Eine professionsorientierte Beratung zur je individuellen Unterstützung von Lehramtsstudierenden ist außerordentlich zu begrüßen, und viele Hochschulen haben dies auch als eine wichtige Aufgabe für sich erkannt. Wer aber grundlegend dazu beitragen will, dass sich für Studierende das Studium nicht ungewollt verzögert, hat über die Verbesserung der Studienbedingungen bedeutend wirksamere, und vor allem umfassender wirkende Hebel: Vor Ort ist es Aufgabe der Hochschulen, bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Studiengänge stärker die Studienmotivation und die Berufsfeldorientierung der Lehramtsstudierenden zu berücksichtigen und mit einer übergreifenden Studiengangkoordination die Studierbarkeit der Lehramtsstudiengänge zu gewährleisten.
Land NRW ist in der Verantwortung
Darüber hinaus müssen die Rahmenbedingungen substanziell verbessert werden: Dies umfasst beispielsweise ausreichend Wohnraum sowie Kinderbetreuungsmöglichkeiten für Studierende. Dies bedeutet aber insbesondere auch eine erhebliche Ausweitung der Unterstützungsinstrumente zur Finanzierung des Studiums – mit Blick auf die spezifische Ausbildungssituation im Master of Education gehört hierzu unter anderem eine dem erhöhten Aufwand der Studierenden angemessene Praktikumsvergütung für das Praxissemester. Hiermit ließe sich unmittelbar eine erhebliche Entlastung einer großen Zahl von Lehramtsstudierenden erreichen.
Bedingungen für den Seiteneinstieg verbessern ...
Solange andere Maßnahmen, wie beispielsweise der Ausbau von Studienkapazitäten, hinsichtlich der erforderlichen Erhöhung der Lehrkräfteversorgung (noch) nicht wirksam sind, können Seiteneinstiegsmaßnahmen ein sinnvoller Ansatz sein, lehramts- und fächerspezifische Bedarfe aufzufangen. Die Frage ist dann weniger, ob es entsprechende Maßnahmen gibt, sondern wie diese ausgestaltet sein müssen, um die erforderliche Unterrichtsqualität zu gewährleisten. Der berufsbegleitende Seiteneinstieg bedeutet dabei eine sehr spezifische Konstellation, unter anderem aufgrund der Gleichzeitigkeit von ansonsten aufeinander aufbauenden Phasen der Lehramtsausbildung. Die nur geringfügig reduzierte Unterrichtsverpflichtung der Lehrkräfte in Ausbildung passt zu dieser Situation ebenso wenig wie der Ansatz, dass die Ausbildung derzeit letztlich zu Lasten der Schule geht. Eine qualitätsvolle Ausbildung von Seiteneinsteiger*innen erfordert aber für alle Beteiligten insbesondere angemessene zeitliche Ressourcen.
… und Perspektiven eröffnen
Darüber hinaus müssen Seiteneinstiegsmaßnahmen grundsätzlich so ausgestaltet sein, dass sie zum Erwerb eines Lehramts führen können, Seiteneinsteiger*innen nach der erfolgreichen Ausbildung also den Lehrkräften des Regelwegs gleichgestellt sind. Sind die Voraussetzungen für eine entsprechende Seiteneinstiegsmaßnahme nicht vollumfänglich erfüllt, müssen Möglichkeiten geschaffen werden, zunächst noch fehlende Leistungen berufsbegleitend erbringen zu können. Hierbei ist zu unterscheiden, ob lediglich in einem bestimmten Umfang Studienleistungen fehlen, oder ob ein Masterabschluss zu absolvieren ist. In diesem Zusammenhang ist es erforderlich, dass das Land endlich auch für Grundschulen einen berufsbegleitenden Seiteneinstieg mit Bleibeperspektive inklusive Lehramtserwerb eröffnet. Einen Vorschlag zur Grundstrukturierung einer solchen Maßnahme, der sich an den Vorgaben für den berufsbegleitenden Seiteneinstieg orientiert und die spezifische Strukturierung des Grundschullehramts berücksichtigt, haben wir gemacht.