Lehrer*innenbildung 08.05.2019

Lehrkräfteausbildung: Fachleitungen alarmieren Politik

VorbereitungsdienstLehrkräftemangelBelastungBildungsgewerkschaftSeiteneinstiegZfsL – Zentrum für schulpraktische Lehrer*innenausbildung

Fachleiter*innen fordern Wertschätzung und bessere Arbeitsbedingungen

NRWs Schulen können sich über rund 5.000 neue Referendar*innen freuen – dringend benötigtes Personal! Doch wo bleiben die Fachleiter*innen, ohne die eine qualifizierte Ausbildung gar nicht möglich wäre?

  • Autor*in: Berthold Paschert
  • Funktion: Pressesprecher GEW NRW
Min.

Anfang Mai 2019 haben rund 5.000 Lehramtsanwärter*innen (LAA) den Vorbereitungsdienst in NRW aufgenommen. Gute Aussichten für unsere Schulen, denn ausgebildete LAA bedeuten die so dringend gebrauchte personelle Verstärkung und Nachwuchs für die Schulen. Sie erwarten zu Recht eine qualitativ hochwertige Ausbildung in den Seminaren und Schulen. Doch was wäre eine qualifizierte Ausbildung des Lehrkräftenachwuchses ohne kompetentes und motiviertes Ausbildungspersonal?

Das Maß ist voll: Unzumutbare Verdichtungen in den ZfsL-Seminaren

Seit Jahren mahnt die GEW NRW nicht nur bessere Ausbildungsbedingungen für die LAA an, sondern fordert gleichzeitig bessere Arbeitsbedingungen und mehr Wertschätzung für Fachleiter*innen an den 33 ZfsL in NRW. Deren Klagen und Hilferufe nehmen zu. Gestiegene Anforderungen, Fehlentwicklung und Verwerfungen der Ausbildungsbedingungen haben zu unzumutbaren Verdichtungen und Belastungen für die Beteiligten geführt. Das Maß ist voll. Couragierte Kolleg*innen einer Reihe von ZfsL haben „Offene Briefe“ an Schulministerin Yvonne Gebauer formuliert und fordern Unterstützung.

 „Wir als Fachleiterinnen und Fachleiter stellen fest, dass die Summe der Tätigkeitsfelder stark zugenommen hat und weiterhin ansteigt“, heißt es dort. Beklagt wird gleichzeitig eine mangelnde Wertschätzung ihrer Arbeit und Ungerechtigkeit in der Besoldung. Die Folge: Die Arbeitsmotivation bleibt auf der Strecke und immer mehr ausgeschriebene Stellen können nicht wiederbesetzt werden, weil sie an Attraktivität verloren haben. Der Nachwuchs bleibt aus.

Verkürztes Referendariat und mehr Lehrkräfte in Ausbildung erhöhen Belastungen an ZfsL

Zentrale Ursache der gestiegenen Belastung – so nehmen es die Kolleg*innen vor Ort wahr – ist die Verkürzung der Ausbildungsdauer auf 18 Monaten (Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Zweiten Staatsprüfung für Lehrämter an Schulen, OVP 2011) bei gleichbleibender Anzahl der Unterrichtsbesuche und gestiegenem Arbeitsaufkommen durch unterschiedliche parallele Ausbildungsgruppen. Diese sind unter anderem: Referendar*innen gemäß OVP, Lehrkräfte in Ausbildung gemäß „Ordnung zur berufsbegleitenden Ausbildung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern und der Staatsprüfung“ (OBAS), Seiteneinsteiger*innen gemäß Pädagogischer Einführung (PE) und Praxissemesterstudierende.

Fachleiter*innen stellen konkrete Forderungen an das Schulministerium

Lange Fahrzeiten und Wegstrecken, gerade bei einem ZfsL mit einem sehr großen Einzugsgebiet, verschärfen die Situation zusätzlich. Vollends schwierig wird die Lage durch die „großen Themen Inklusion, Digitalisierung und sprachsensibler Unterricht“, für die gerade in den ZfsL umfangreiche konzeptionelle Arbeiten stattfinden. Die Forderung lautet: „Fach- und Kernseminarleitungen benötigen mehr Anrechnungsstunden, damit diese Themen adäquat weiterentwickelt werden und in die Ausbildung einfließen können.“ Darüber hinaus fehlen entsprechende Stundendeputate für besondere Aufgaben wie die zum Beispiel die Pflege der Webseite.

Demgegenüber führt die Entlastungsregelung (0,7 Unterrichtsstunden pro LAA zuzüglich Fachseminarzuschlag gemäß Anlage 3 OVP 2016) zu enormen Engpässen in Bezug auf die Vorbereitung und Durchführung für dringend notwendige Ausbildungsaufgaben – das schafft insbesondere bei großen Fachseminaren Probleme, heißt es in einem offenen Brief. Eine weitere große Herausforderung für die Grundschulfachleitungen stellt die seit diesem Ausbildungsturnus (Mai 2019) vorgesehene  Kombination der Mathematik-Deutsch-Ausbildungsseminare im Lehramt Primarstufe dar.

Die gemeinsamen Forderungen der Fach- und Kernseminarleitungen im Einzelnen

In der Konsequenz geht es den Fach- und Kernseminarleitungen um folgende Forderungen:

  • Gerechte Besoldung und faire Chancen bei der Beförderung: Wertschätzung und Gerechtigkeit in Form eines gleichen Beförderungsamtes für alle Schulformen
  • Mehr Zeitressourcen und Entlastung: die deutliche Anhebung der Anrechnungsstunden für die immer komplexere Planung und Durchführung der Seminararbeit
  • Finanzielle Kompensation: Anpassung der Fahrtenkosten- beziehungsweise Kilometerpauschale
  • Chancengleichheit in Revisionsverfahren für Beförderungsstellen
  • Zusätzliche Ressourcen für zusätzliche Aufgaben: Schaffung eines Entlastungsdeputats an den ZfsL mit entsprechenden Stunden für besondere Aufgaben
  • Dienstliche Vereinbarkeit von Tätigkeit an ZfsL und Schule: Überstundenausgleich von Fluktuationen im laufenden Schuljahr
  • Funktionsstellen für Fachleitungen: Schaffung von Funktionsstellen an den ZfsL und eines entsprechenden Stundendeputates für besondere Aufgaben
  • Mitwirkung am ZfsL: Schaffung eines Mitwirkungsgremiums mit rechtlicher Verbindlichkeit in Anlehnung an den Lehrerrat.

Gewerkschaftliche Unterstützung für NRWs Fachleiter*innen

Die GEW NRW unterstützt diese Forderungen politisch und tritt für sie ein – in fachlichen Diskursen, Anhörungen im Landtag und in Gesprächen mit der Schulministerin und den Vertreter*innen ihres Ministeriums. Im Landtag NRW zuletzt im Februar 2019 im Rahmen der Anhörung zum Lehrerbesoldungsgleichstellungsgesetz. Die Bildungsgewerkschaft ist hier schon lange und kontinuierlich beschäftigt. Der Ertrag des Bemühens lässt auf sich warten. In diesem Zusammenhang gewinnt die vom Schulministerium vorgesehene Evaluation des Vorbereitungsdienstes Bedeutung. Sie muss nicht nur die Ausbildungsbedingungen in den ZfsL in den Blick nehmen, sondern auch die Arbeitsbedingungen des Ausbildungspersonals. Der Analyse müssen endlich Taten folgen.

Verbesserung an ZfsL wirkt sich um ein Vielfaches auf die Entwicklung der Schulen aus

Wir wissen, der Lehrkräftemangel ist kein temporäres Problem in NRW, sondern wird uns noch auf Jahre beschäftigen. Eine zentrale Frage der Schulpolitik ist, wo und wie neu ausgebildete Lehrkräfte an unseren Schulen eingesetzt werden und welche Voraussetzungen sie mitbringen. Die Kolleg*innen des ZfsL Köln haben es in ihrem Brief an Schulministerin Yvonne Gebauer im September 2018 selbstbewusst formuliert: „Wir sind das wichtigste Rezept gegen den Mangel an gut ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern. Wir sind die Multiplikatoren in der Lehrerausbildung. Eine Verbesserung an dieser Stelle wirkt sich um ein Vielfaches auf die Qualität des Unterrichts, auf die Arbeit der Lehrerschaft und auf die Entwicklung der Schulen in NRW aus.“ Es ist an der Zeit, dass sie dafür die notwendige Wertschätzung erfahren.