Kita 04.12.2019

KiBiz-Reform: Was ändert sich für Beschäftigte?

Sozial- und ErziehungsdienstFachkräftemangelFrühkindliche Bildung

GEW NRW beantwortet die wichtigsten Fragen

Nach langem Gesetzgebungsprozess, in den sich die GEW NRW immer wieder eingebracht hat, ist die Reform des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) beschlossen. Was ändert sich konkret für Beschäftigte und Eltern?

  • Autor*in: Joyce Abebrese
  • Funktion: GEW NRW-Expertin für frühkindliche Bildung
Min.

Das KiBiz wurde am 29. November 2019 mit Beschluss des Landtags NRW nun mittlerweile zum dritten Mal reformiert. Das Gesetz regelt die Rahmenbedingungen für die Betreuung, Erziehung und Bildung der Kinder in NRW und damit auch die Bedingungen für die Arbeit der Fachkräfte in den Kitas und der Beschäftigten in der Kindertagespflege. Ebenso regelt das Gesetz die Möglichkeiten der Elternmitwirkung in den Einrichtungen und auf Jugendamtsbezirks- und Landesebene.

Im Gegensatz zum ersten Entwurf konnte die GEW NRW erreichen, dass keine Unterscheidung zwischen Erzieher*innen und Kindheitspädagog*innen gemacht wird, wenn Leitungsaufgaben übernommen werden. Eine verpflichtende Fortbildung, die nun nicht mehr vorgesehen ist, hätte zur guten Vorbereitung auf die Leitungsfunktion beigetragen.

1. Fachberatung: Was ist neu?

Erstmalig ist das Thema Fachberatung in das Gesetz aufgenommen worden. Die Träger sollen eine angemessene Fachberatung vorhalten. Im KiBiz werden die Aufgaben grob beschrieben und es soll eine finanzielle Unterstützung des Landes in Höhe von 1.000 Euro pro Kita und Jahr an den Träger geben.

Das sagt die GEW: Das ist ein positiver Schritt, allerdings könnte die Aufgabenbeschreibung der Fachberatung ausführlicher sein.

2. Was ändert sich an den Schließtagen für Kitas?

Die Gesetzreform schreibt eine Verringerung der Schließzeiten von bisher 30 auf maximal 27 Tage fest: „Die Anzahl der Schließtage, ohne Wochenend- und Feiertage, soll 20 und darf 27 Öffnungstage nicht überschreiten.“ (§ 27)

Das sagt die GEW: Das bedeutet weniger Zeit für Qualifikationen und Weiterbildungen der Mitarbeiter*innen. Die Verringerung der Schließzeiten müsste mit einer erhöhten Personalbemessungszeit einhergehen. Fort- und Weiterbildungszeiten müssen dort adäquat eingerechnet werden. Das ist bisher nicht der Fall.

3. Welche Regeln gibt es für Öffnungs- und Betreuungszeiten?

In § 27 des KiBiz wird neu festgeschrieben, dass „soweit organisatorische Möglichkeiten und festgelegte Kernzeiten dem nicht entgegenstehen, (auch) ein regelmäßiger Bedarf an unterschiedlich langen Betreuungszeiten je Wochentag erfüllt werden (soll)“. Dementsprechend sollen Eltern zukünftig die Möglichkeit haben, ihren Buchungsumfang in Höhe von 25, 35 oder 45 Stunden pro Woche unterschiedlich auf die Wochentage zu verteilen. Bisher ist das gesetzlich noch nicht möglich gewesen. Die Öffnungszeiten werden flexibler, vor allem früh morgens und abends soll es mehr Möglichkeiten der Betreuung geben. Die Kommunen sollen selbst entscheiden, wie sie das vor Ort gestalten. Das Land und die Kommunen finanzieren diesen Schritt der Flexibilisierung gemeinsam – zunächst mit 50 Millionen Euro und ab 2022 dann mit 100 Millionen Euro.

Das sagt die GEW: Diese Änderung ist aus Sicht der Eltern nachvollziehbar, für die Erzieher*innen und weiteren sozialpädagogischen Fachkräfte aber schlecht. Die Einrichtungen können nicht mehr langfristig planen, was zulasten der Beschäftigten und damit auch der Kinder geht. Zudem stellt sich die Frage, wer bei dem derzeitigen Fachkräftemangel die zusätzlichen Stunden übernehmen soll.

4. Werden Verfügungszeiten, also Zeiten zum Beispiel für die Vor- und Nachbereitung, die Beobachtung und Dokumentation sowie Elterngespräche, im Gesetz festgeschrieben?

Ganz neu wurden die Verfügungszeiten im Gesetzestext aufgenommen: Mindestens zehn Prozent der Betreuungszeit pro Gruppe wird es zukünftig geben.

Das sagt die GEW: Dass die Verfügungszeit im Gesetz steht, ist positiv. Die GEW NRW fordert aber mindestens 25 Prozent Verfügungszeit. Die Vor- und Nachbereitungszeit für Kinder mit einer Buchungszeit von 25 Stunden ist kaum weniger aufwändig als für Kinder, die 35 oder 45 Stunden betreut werden. Die Berechnung der Verfügungszeit nach der jeweiligen Betreuungszeit ist deshalb falsch.

5. Was ändert sich für die Leitungen?

Die Leitungszeiten werden erstmalig gesetzlich festgeschrieben (§ 29 Abs. 2):
„Der Einrichtungsleitung stehen je Gruppe mindestens fünf Stunden Leitungszeit wöchentlich zur Verfügung. Bei einer regelmäßigen Betreuungszeit von 35 Stunden erhöht sich die Leitungszeit auf mindestens sieben Stunden und bei einer regelmäßigen Betreuungszeit von 45 Stunden auf mindestens neun Stunden je Gruppe.“

Das sagt die GEW: Die Aufnahme der Leitungszeit in das Gesetz ist gut, allerdings ist diese an Buchungsstunden gebunden und insgesamt zu gering. Außerdem werden keine Leitungszeiten für die stellvertretenden Leitungen sowie ständigen Vertretungen festgelegt.

6. Wie gestalten sich die Elternbeiträge in Zukunft?

Ab dem Kindergartenjahr 2020/2021 wird es ein weiteres beitragsfreies Kitajahr geben, sodass die letzten beiden Kitajahre nicht mehr von den Eltern bezahlt werden müssen. Die Landesregierung nimmt dafür 200 Millionen Euro in die Hand, die aus Bundesmitteln des sogenannten Gute-Kita-Gesetzes kommen.

Das sagt die GEW: Ziel ist die beitragsfreie Bildung für alle Bereiche von der Kita über die Schule und Universität bis zur Volkshochschule, damit alle Kinder und Erwachsenen die gleichen Chancen auf Bildung haben und sie nicht von dem eigenen Geldbeutel oder dem der Eltern abhängen. Dennoch wäre es sicher sinnvoller gewesen, erst einmal für eine ausreichende Qualität und damit für Verbesserungen der Arbeitsbedingungen der sozialpädagogischen Fachkräfte in den Einrichtungen zu sorgen. Die GEW fordert weiterhin eine einheitliche Elternbeitragstabelle, die nicht vom Wohnort und dem Kassenstand der einzelnen Kommune abhängig ist.

7. Wird sich etwas an den Kindpauschalen und damit an der grundsätzlichen Finanzierung der Kitas ändern?

Nein, die Landesregierung hält weiter an den umstrittenen Kindpauschalen zur Finanzierung fest. Allerdings werden diese erhöht und, anders als bisher, dynamisch. Das heißt, sie werden unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kostenentwicklung jährlich erhöht. Dadurch sollen die Kitas mehr Planungssicherheit bekommen. Die tatsächliche Kostenentwicklung beinhaltet auch die Tariferhöhungen. Die neue Kindpauschale wird außerdem erhöht, indem die bisherige U3- und die Verfügungspauschale eingerechnet werden.

Das sagt die GEW: Die Finanzierung nach Kindpauschalen ist der falsche Weg, weil die Bedingungen und finanziellen Bedarfe in jeder Kita unterschiedlich sind. Personalkosten müssen aus Sicht der GEW real abgerechnet und Sachkosten mit Gruppenpauschalen erstattet werden. Anteilige Kindpauschalen widersprechen langfristiger Personalplanung. Sie sind unterjährig oft nicht umsetzbar. Die GEW befürwortet die Vereinfachung der vielen unterschiedlichen Pauschalen im Gesetz.

8. Was unternimmt die Landesregierung gegen den Fachkräftemangel und für die Qualifizierung der Fachkräfte?

Die Landesregierung plant eine Fachkräfteoffensive, um mehr Fachkräfte für die Kitas zu werben und damit dem Mangel entgegenzuwirken. Weiterhin sollen Träger, die Auszubildende aus der praxisintegrierten Ausbildung (PiA) anstellen und tariflich bezahlen, mit bis zu 8.000 Euro pro Jahr unterstützt werden.

Das sagt die GEW: Schon lange warnt die GEW vor dem Fachkräftemangel und fordert Maßnahmen, wie beispielsweise eine Bezahlung der angehenden Erzieher*innen während ihrer schulischen Ausbildung. Eine Fachkräfteoffensive ist unterstützenswert. Es bleibt aber abzuwarten, wie die Offensive ausgestaltet wird. Wir warnen vehement vor einer Deprofessionalisierung in den Kitas, indem zum Beispiel fachfremdes oder gering qualifiziertes Personal eingestellt wird, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Die Landeszuschüsse an die Träger, die PiA-Auszubildende aufnehmen, wertet die GEW als einen sinnvollen Schritt.

9. Profitieren die Familienzentren von der Gesetzreform?

Ja, die Zuschüsse werden von rund 13.000 auf 20.000 Euro erhöht. Ab dem Kindergartenjahr 2020/2021 fließen insgesamt rund 20 Millionen Euro zusätzliche Mittel in die Familienzentren.
 
Das sagt die GEW: Die Erhöhung des Zuschusses auf 20.000 Euro pro Kindergartenjahr bewertet die GEW positiv. Allerdings wäre eine Entbürokratisierung des Re-Zertifizierungsprozesses wünschenswert. Es ist notwendig, die Nachweise mit weniger Aufwand erbringen zu können, um Zeit für die eigentlichen Aufgaben zu haben.

Stand: 29. November 2019