Anders als an vielen Schulen waren Online-Formate an NRWs Hochschulen vom Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 einsatzbereit. An der Technischen Universität (TU) Dortmund und der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster zum Beispiel boten digitale Vorlesungen und Webinare die Möglichkeit, dem Studium in seiner Vielfalt an Angeboten nachzugehen.
Lob und Löcher: Studierende werden nicht vom System aufgefangen
David Wiegmann, Hochschulinformationsbüro (HIB) Dortmund, kann die Uni für ihr durchschaubares Konzept durchaus loben. Allerdings konnten Online-Formate nicht alles ersetzen, besonders keine Praktika. Die aber sind im Lehramtsstudium eben unerlässlich.
„Anders als an Schulen werden Studienabbrecher*innen nicht vom System aufgefangen und sind wahrscheinlich für immer weg“, beklagt HIB-Mitarbeiter der GEW NRW David Wiegmann. Das HIB Paderborn schätzt ein, dass Durchfallquoten und Durchschnittsnoten deshalb gleichgeblieben sind, weil viele Dozierende während der Corona-Pandemie häufiger ein Auge zugedrückt haben.
Ein bisschen Normalität im laufenden Sommersemester 2021
Einige Veranstaltungen und die Prüfungen finden im laufenden Sommersemester teils wieder in Präsenz statt. Viele Dozierende führen aufgrund der Schwierigkeit, die Studierenden via Videokonferenz zu kontrollieren, Open-Book-Formate durch. Das nimmt vielen Studierenden den Zwangscharakter und die Anspannung, die eine Überwachung per Videokonferenz hatte.
Herausforderungen und Belastungen für Studierende in der Corona-Pandemie
Dass die vergangenen digitalen Semester eine große Belastung für Studierende dargestellt haben, zeigt eine vom Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) durchgeführte Befragung an der WWU Münster, die im Juni 2021 veröffentlicht wurde. Durch die eingeschränkte Auswahl der Lernumgebung fühlen sich 1.189 von 1.850 Befragten belastet. Ihren Job haben 15,8 % verloren und 5,8 % mussten ihre Wohnung am Studienort aufgeben. Finanzielle Unterstützung durch BAföG oder die Überbrückungshilfe waren nicht ausreichend.
David Wiegmann merkt dazu an, dass die Corona-Nothilfen trotz Notlagesituationen von Studierenden nicht beantragt wurden. Grund sei, dass diese als nicht ausreichend und zu kompliziert in der Antragstellung angesehen wurden. Bei den digital durchgeführten Veranstaltungen fühlen sich 58,5 % unsicher in ihrer Mitarbeit und 89,4 % geben an, einen Austausch mit anderen Studierenden zu vermissen.
Hochschulen bieten Unterstützung an – leider nicht überall in NRW
Neben dem Gefühl der Isoliertheit stellen sich gesundheitliche Belastungen ein wie Müdigkeit und depressive Symptome. Damit einher gehen auch die zunehmenden Anfragen in Beratungsstellen. Die Studierenden wünschen sich zur Verbesserung der Situation laut der WWU-Studie alternative Lernräume und (psychologische) Beratung wie zum BeispielTipps zur Selbstorganisation und Motivation. Psychische Belastungen sollen anerkannt und enttabuisiert werden. Besonders wird eine Unterstützung der Studienanfänger*innen gewünscht, die sonst von höheren Semestern übernommen wird und im digitalen Semester ausbleibt.
Einige Studierendenvertretungen gehen auf diesen Unterstützungsbedarf ein: Der AStA der Universität Duisburg-Essen bietet beispielsweise einen Laptop-Verleih an. Doch das ist längst nicht überall in NRW so: David Wiegmann weiß, dass besonders bei Online-Klausuren Studierende mit mangelnder Technikausstattung oder langsamem Internet benachteiligt sind.
Wintersemester 2021/2022: neu integrieren und Nachteile ausgleichen
Wie geht es also im nächsten Semester weiter? Die Universitäten Münster und Dortmund planen für ein Präsenzsemester, in Paderborn hält man sich bedeckt. Die Impfbereitschaft unter Studierenden ist hoch und es gibt vereinzelt Impfangebote an den Universitäten.
Lisa und Lilly, zwei Studentinnen aus Münster, sprechen sicherlich vielen aus dem Herzen, die so wie sie noch nie eine Uni von innen gesehen haben. Sie fühlen sich verunsichert, was von ihnen erwartet wird, wenns endlich richtig losgeht mit dem Unileben. Sie wissen nicht, was in einem „normalen“ Semester auf sie zukommt, in dem unter anderem wieder Präsenzklausuren unter herkömmlichen Bedingungen stattfinden könnten. Lisa wünscht sich: „Ich will im nächsten Semester einfach ein normaler Ersti sein.“ Es wird eine Herausforderung, im Wintersemester 2021/2022 alle Studierenden (neu) zu integrieren und Nachteile auszugleichen. Dozierende und Studierende untereinander müssen mit viel Verständnis und Geduld zusammenarbeiten.