NRWs Universitäten verfügen aufgrund ihrer kontinuierlich angewachsenen Aufgaben mittlerweile über ein breites Repertoire an Beschäftigungsmöglichkeiten des akademischen Mittelbaus. Bei genauer Betrachtung handelt es sich hierbei aber nicht um Qualifikationsstellen für Nachwuchswissenschaftler*innen, deren Aufgaben in absehbarer Zeit erledigt sind. Es sind vielmehr neue Daueraufgaben hinzugekommen, die neben den klassischen in Forschung und Lehre bewältigt werden müssen.
Mittel aus der Hochschulvereinbarung NRW 2021 werden zu wenig in Dauerstellen investiert
Um diesen Entwicklungen gerecht zu werden, hatten sich das Land und die Hochschulen mit der Hochschulvereinbarung NRW 2021 darauf geeinigt, dass die Hochschulpaktmittel vom Land verstetigt und zum Teil in die Haushalte der Hochschulen übertragen werden. Die Universitäten versprachen im Gegenzug vermehrt Dauerstellen schaffen.
Eine Anfrage der SPD, welche Stellen mit den verstetigten Mitteln geschaffen wurden und ob die vertraglich vereinbarten Personalentwicklungs- und Stellenkonzepte – insbesondere für Dauerstellen – entwickelt wurden, fiel sehr ernüchternd aus: Wenn sich auch große Unterschiede zwischen den Hochschulen zeigen, gibt es immer noch zu viele, die trotz ihres Versprechens, gar keine oder nur Teilkonzepte vorweisen können.
Hochschulen nutzen weiterhin langjährige Befristungsmöglichkeiten
In der Gesamtbilanz fällt die Etablierung von Dauerstellen äußerst gering aus. Insgesamt deuten die Ergebnisse daraufhin, dass Dauerstellen neben der Professur von Seiten der Universitäten nicht gewollt sind. Nahezu unabhängig von der eigentlichen Tätigkeit der Kolleg*innen an Hochschulen wird auf fast jeder ausgeschriebenen Stelle „die Möglichkeit zur wissenschaftlichen Qualifikation“, sprich Promotion oder Habilitation, versprochen und unausgesprochen dieses Vorhaben auch vorausgesetzt oder angeregt. Denn dieses Vorhaben ermöglicht es die langjährige Befristungsmöglichkeiten des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) nutzen zu können.
Dauertätigkeiten werden als vorrübergehende Qualifikation verschleiert
In der hier eingenommenen Perspektive zeigt sich, dass die Promotion vor allen Dingen dazu dient, Dauertätigkeiten als vorrübergehende Qualifikation zu verschleiern. Die Hochschulen finden hierbei ganz eigene Wege Dauerstellen zu umgehen.
Bedauernswerte Beispiele sind die Beschäftigungsgruppen der Lehrkräfte für besondere Aufgaben (LfbA) und Beschäftigte in Sprachlehrinstituten. Kolleg*innen, die als wissenschaftlicher Nachwuchs die Wege in der Studieneingangsphase mit sogenannten Schreib- und Mathematikwerkstätten ebnen, an Schulen Kinder aus sogenannten bildungsfernen Schichten zum Studium motivieren oder geflüchteten jungen Menschen dabei helfen ein Studium an einer deutschen Hochschule zu bewältigen – sie alle haben befristete und größtenteils prekäre Beschäftigung gemein.
Obwohl diese Tätigkeiten für eine universitäre wissenschaftliche Karriere weitgehend nutzlos sind, weil sie höchstens ganz marginal einer Promotion dienen und mit Sicherheit zu keiner Professur führen, werden die Mitarbeitenden oft genug zur Promotion angeregt. Haben die Beschäftigten die Promotion in der vorgegebenen Zeit dann nicht erreicht, werden sie die Wissenschaft irgendwann verlassen müssen.
Für ausreichenden Lebensunterhalt: Parallel arbeiten in zwei oder drei befristeten Drittelmittelprojekten
Eine weitere Beschäftigungsgruppe deren Qualifikation mit der Bezeichnung und Behandlung als „Nachwuchs“ abqualifiziert wird, sind diejenigen Kolleg*innen, die jahrelang – zum Teil jahrzehntelang – auf Drittmittelstellen beschäftigt werden. Nach dem WissZeitVG muss die Laufzeit des Arbeitsvertrags mit der Laufzeit des Drittmittelprojekts übereinstimmen. Das führt in einigen Fällen zu einer deutlichen Verbesserung der Situation der Beschäftigten, wirft aber gleichzeitig auch wieder neue Probleme auf: Je nach Fachgebiet und Drittmittelgeber können sowohl der Stellenumfang als auch die Projektlaufzeit deutlich variieren. Hinzu kommt die Zergliederung des Projekts in Teilprojekte oder kurze Bewilligungszeiträume – beides führt unmittelbar zu kurzen Vertragslaufzeiten.
Weil häufig keine Vollzeitstellen vom Geldgeber finanziert werden, arbeiten Beschäftigte nicht selten an zwei oder mehreren Projekten gleichzeitig, damit sie ihren Lebensunterhalt auskömmlich finanzieren können. Außerdem werden die Akquise und die Vorbereitung von (Folge-)Projekten in der Regel nicht finanziert. Drittmittelbeschäftigte haben letztendlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie nehmen finanzielle Einbußen hin, das heißt sie begnügen sich mit einer halben Stelle und nehmen regelmäßig in Kauf übergangsweise vom Arbeitslosengeld zu leben, oder sie arbeiten deutlich mehr als die vorgesehene und bezahlte Bearbeitungszeit des Drittmittelprojekts. Es ist offensichtlich, dass sich bei diesem Szenario der positive Effekt, den Drittmittelforschung auf die Promotion haben kann, ins Gegenteil verkehrt.
GEW fordert mit Manifest und Kampagne Befreiung aus der Befristung!
Tätigkeiten neben der professoralen Forschung und Lehre sind mittlerweile längst nicht mehr Nachwuchspositionen, sondern vielmehr Inhalt eines Berufsbilds vieler Beschäftigter an den Universitäten. Mit dem Templiner Manifest und der Kampagne „Frist ist Frust“ hatte die GEW ein Zeichen gesetzt und die Anerkennung ihrer Expertise und ihres Berufs und damit die Befreiung aus der Befristung gefordert. Es ist höchste Zeit, dass Politik und Hochschulen mit ihren Versprechungen endlich ernst machen: Mit dem Geld aus den Hochschulpaktmitteln müssen die versprochenen Dauerstellen und Stellenkonzepte für den Mittelbau geschaffen werden!