Studium 09.01.2020

Praxissemester am Weiterbildungskolleg

Ausbildung

Ein kritischer Erfahrungsbericht

40 Stunden unbezahlt für das Praxissemester arbeiten, viel dabei lernen und nebenher noch Geld für den Lebensunterhalt verdienen. Elisa Knitsch erklärt, wie das geht und was sich trotzdem ändern muss.

  • Autor*in: Elisa Knitsch
  • Funktion: absolviert zurzeit ihr Praxissemester
Min.

Im Oktober 2019 bin ich in mein Praxissemesters gestartet und unterrichte seitdem am Weiterbildungskolleg der Stadt Siegen. Freitags ist Seminartag, dann besuchen wir am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL) oder in der Uni verschiedene Begleitseminare. In meiner Bewerbung für das Praxissemester musste ich insgesamt fünf Schulwünsche angeben. Die Schulen werden, je nach Lage und Entfernung vom Wohnort, mit Hilfe eines Punktesystems geordnet. Ich suchte mir zwei Schulen im Raum Siegen sowie drei Schulen in der Peripherie Siegens aus und hatte sehr viel Glück: Das ZfsL teilte mir meinen Zweitwunsch zu. Mein Drittwunsch war schon eineinhalb Stunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln von meinem Wohnort entfernt. Die Fahrtwege zur vierten und fünften Schule wären noch weiter gewesen. Meine Freundin Louisa hatte nicht so viel Glück: Sie steht jeden Tag um 5 Uhr morgens auf und ist erst um 17 Uhr wieder zu Hause, weil sie zwei Stunden zu ihrer Schule fährt. Freitags, wenn sie zu ihrem ZfsL muss, hat sie sogar bis zu drei Stunden Fahrtzeit.

An meiner Schule fühle ich mich sehr wohl. Die meisten Kolleg*innen kommunizieren mit mir auf Augenhöhe und vertrauten mir ihre Schulklassen schon nach zwei Wochen an. Von den Schüler*innen sowie Kolleg*innen lerne ich sehr viel. Herausfordernd ist die Verzahnung von Theorie und Praxis, die nicht immer so einfach ist, wie es an der Universität häufig gelehrt wird.

Ein 40-Stunden-Job ohne Bezahlung

Obwohl wir bereits einen Bachelorabschluss haben und wie Referendar*innen in den Schulalltag eingebunden sind, bekommen wir für das Praxissemester kein Geld. Also müssen die meisten Studierenden neben ihrem Praxissemester arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Hier gibt es also noch massiven Verbesserungsbedarf. Die Bezahlung unserer Arbeit würde uns eine Menge Stress ersparen und sich damit auch positiv auf unser Engagement an den Schulen auswirken.

Um die erforderten Leistungen zu erfüllen, muss ich vier bis fünf Zeitstunden pro Tag an der Schule verbringen, sowie insgesamt 50 bis 70 Stunden unter Begleitung unterrichten. Meine Ansprechperson aus dem ZfsL kommt für fünf Unterrichtskontakte an meine Schule. Diese sind sehr arbeitsaufwendig, da alles sehr genau geplant werden muss. Gut, dass es hier noch keine Noten gibt! Die Reflexionsgespräche zielen darauf ab, mich selbst zu reflektieren und bis zum nächsten Unterrichtskontakt etwas zu lernen.

Zwischen Unterricht, Forschungsprojekt und Nebenjob

Als weitere Leistung während des Praxissemesters ist ein Studienprojekt vorgesehen, dass Theorie und Praxis vereinen soll. Das Studienprojekt ist ein Forschungsprojekt an meiner Schule, über das ich einen 20-seitigen Forschungsbericht schreibe und das zwei bis drei Stunden pro Woche in Anspruch nimmt. Das  Thema kann ich, im Gegensatz zu manchen Kommiliton*innen, relativ frei wählen. Das steigert natürlich meine Motivation. An vielen anderen Universitäten in NRW müssen Praxissemesterstudierende drei Studienprojekte durchführen, also eins pro Studienfach . Das wurde an der Universität Siegen zu meinem Glück vor zwei Semestern reduziert.

Ich komme insgesamt auf 40 Stunden, die ich pro Woche in mein Praxissemester investiere. Das ist zwar anstrengend, aber machbar, wenn nicht noch das Problem der Finanzierung des Lebensunterhalts wäre. Denn Miete und Essen muss ich ja weiter bezahlen. Das führt dazu, dass ich zusätzlich noch 18 Wochenstunden arbeiten muss. Und ich kenne eigentlich niemanden, der neben dem Praxissemester nicht noch arbeiten geht.

Praxissemester als praktische Berufsberatung

In Gesprächen mit meinen Kommiliton*innen wird mir immer wieder klar, dass die Idee des Praxissemesters eine gute Sache ist. Für mich selbst hat es meine Studienwahl bestätigt und ich weiß jetzt sicher, dass ich gerne als Lehrerin arbeiten möchte. Einigen meiner Kommiliton*innen geht es ähnlich. Andere haben gemerkt, dass sie beruflich nach der Uni doch lieber einen anderen Weg gehen möchten und sind froh, diese Erkenntnis bereits im Studium und nicht erst im Referendariat gewonnen zu haben.

Die Forderung nach der Wertschätzung unserer Arbeit durch eine angemessene Vergütung haben wir jedoch alle gemeinsam.