Social Media, das Internet sowie die ständige Erreichbarkeit via Smartphone haben uns allen eine nie dagewesene Informationsflut und Möglichkeit der Kommunikation beschert. Das ist großartig! Und im Grunde könnten wir an dieser Stelle das Magazin schließen und uns dem Informations- und Kommunikationsrausch hingeben. Oder nicht?
Die „schöne neue Welt“ bringt auch ihre Probleme mit sich. Probleme, mit denen viele Menschen noch nicht umgehen können oder sich schwertun. Doch deswegen Social Media und das Internet verteufeln? Nein, das wäre nicht richtig. Das wäre auch nicht zielführend, denn Social-Media-Plattformen, Suchmaschinen, Messenger und alle anderen Werkzeuge, über die wir „das Internet“ definieren, sind längst ein wichtiger Bestandteil unseres Alltags geworden.
Auch des schulischen Alltags, ob wir das wollen oder nicht. Im Grunde haben nahezu alle Schüler*innen ein Smartphone, Lehrer*innen ebenfalls. Alle haben somit jederzeit Zugriff auf das Netz und nehmen in irgendeiner Form an Social Media teil. Social Media sind die Kommunikationskanäle und Austauschplattformen im Netz. Sie ermöglichen Menschen, miteinander „chaotisch“ zu interagieren und Inhalte zu teilen. Social Media umfassen unter anderem soziale Netzwerke wie Facebook und Instagram, Videoplattformen wie YouTube und TikTok, Mikroblogging-Dienste wie Twitter, aber auch die Messenger wie WhatsApp oder Telegram gehören dazu. Sie sind der Ort, an dem alle senden und empfangen.
Gleichzeitig sind sie auch der Ort, an dem alle Teilnehmenden selbst bewerten müssen, ob eine Information korrekt dargestellt wurde oder nicht. An dieser Stelle können die Schulen ins Spiel kommen. Das Stichwort
lautet „Media Literacy“, also die Fähigkeit, Medieninhalte kritisch analysieren zu können sowie deren Auswirkungen zu verstehen. In Bezug auf das darin untergeordnete Fact-Checking können Schulen einen wichtigen, sogar interdisziplinären Beitrag leisten.
Was sind Fake News?
Der Begriff Fake News ist mit Donald Trump nach Europa herübergeschwappt. Bis dahin wurde er im deutschsprachigen Raum kaum verwendet, war jedoch quasi über Nacht auf einmal omnipräsent und wurde für jede Form der Falschmeldung verwendet. Doch das ist so nicht korrekt, denn Fake News lassen sich recht gut definieren. Auf Basis einer Studie der Stiftung Neue Verantwortung aus den Jahren 2017/2018 ergibt sich folgende Übersicht:
Fake News sind:
- Inhalte, die bewusst falsch und gezielt für eine hohe Viralität auf Social Media konstruiert und leicht verbreitbar sind
- Desinformation: gezielte Verbreitung von falschen oder irreführenden Informationen, um jemandem zu schaden
- Dekontextualisierung oder bewusst falsche Interpretation wahrer Informationen
- Manipulation eigentlich wahrer Informationen, zum Beispiel von Bildern. Hier sind „Hybridfälschungen“ sehr häufig zu finden. Unter „Hybridfälschung“ wird eine Kombination zweier Informationen verstanden, die die Gesamtaussage verfälscht. Wird ein Bild beispielsweise falsch beschriftet oder in einem falschen Kontext genutzt, wird von einem Hybridfake gesprochen
- Fabricated Content: frei erfundene Inhalte, meist aus kommerziellen Gründen, seltener ideologisch geprägt
Keine Fake News sind:
- Poor Politics: Fake News als politischer Kampfbegriff (auf Deutsch „Lügenpresse“) gegen etablierte, klassische Medienangebote
- Satire: Überspitzung von (politischen) Inhalten zur Gesellschaftskritik, aber in der Regel als solche auch erkennbar
- Schwacher Journalismus, dem handwerkliche Fehler unterlaufen oder der sich reichweitenstark auf Social Media auf Clickbaits verlässt, also darauf, durch neugierig machende Überschriften und Teaser höhere Zugriffe zu erhalten, wobei die dahinterliegenden Inhalte meist banal sind
- Die klassische Falschmeldung / Zeitungsente, sofern unbeabsichtigt und transparent korrigiert
- Die versehentliche falsche Meldung, die in der Regel korrigiert wird
Welche Methoden eignen sich besonders, um das Thema Fake News im Unterricht aufzugreifen?
Um unbekannte Informationen analysieren zu können oder gar als Falschmeldungen zu entlarven, gibt es zwei parallele Systeme. Diese sind zwar miteinander verbunden, funktionieren jedoch unterschiedlich. Diese Systeme heißen Debunking und Prebunking. Debunking ist der Prozess, Falschinformationen, Mythen oder Irrtümer zu widerlegen oder zu entlarven. Es kann auch bedeuten, dass man die Wahrheit hinter einer vermeintlichen Enthüllung oder Sensation aufdeckt und zeigt, dass die Enthüllung oder Sensation unbegründet oder unwahr ist. Debunking wird von Faktenprüfer*innen, aber auch von Journalist*innen, Wissenschaftler*innen oder
anderen Expert*innen durchgeführt, um die Öffentlichkeit vor Fehlinformationen und Täuschungen zu schützen und die Integrität von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Fakten zu wahren.
Debunking findet immer dann statt, wenn eine Falschmeldung vermutet wird. Debunking, so zeigt die Erfahrung, ist für den Unterricht an Schulen ideal geeignet. Das Prebunking hingegen ist etwas komplexer. Diese Technik zielt darauf ab, Falschinformationen oder Mythen vorzubeugen, indem Nutzer*innen für die Wirkmechanismen von Medien sensibilisiert und auf mögliche Fehlinformationen oder Täuschungen vorbereitet
werden. Auch das Prebunking kann im Unterricht thematisiert werden. Es bedarf aber einer gewissen Sensibilität für die Funktion von Medien und die Kenntnis über (manipulative) Kommunikation.
Welche Voraussetzung müssen für den Unterricht gegeben sein, wenn Schüler*innen den kritischen Umgang mit Fake News lernen sollen?
Wichtige Voraussetzung für eine Unterrichtseinheit zum Thema Fake News: Alle Schüler*innen müssen einen Zugang zum Netz und idealerweise ein Endgerät haben. Das kann ein Smartphone, Tablet oder besser ein Notebook beziehungsweise PC sein. In diesen Unterrichtseinheiten dürfen sie nicht nur, sondern müssen für die Übungen mit dem Netz arbeiten! Hier gilt: „Unterrichtsbeginn! Bitte alle hinsetzen und Handys an …“
Meine Erfahrung als Externer an Schulen hat gezeigt, dass sich für die Thematisierung von Fake News Projekttage sehr gut eignen; das Thema lässt sich aber auch in drei bis vier Doppelstunden an verschiedenen Schultagen behandeln.
Durchgeführt werden kann eine Fake-News-Unterrichtseinheit unabhängig von einem bestimmten Fach. Mimikama bietet beispielsweise drei Module an ( Seite 16), die interdisziplinär gestaltet sind. Soll das Thema in
einem bestimmten Unterrichtsfach behandelt werden, eignen sich Deutsch und Literatur sowie Geografie,
Politik und Soziologie sehr gut für die Umsetzung des Debunkings.
Worauf sollten Lehrkräfte besonders achten?
Debunking ist im Grunde ein Handwerkszeug auf dem Weg zum Ziel. Wichtig ist dabei die Vermittlung von Sorgfalt und auch einer gewissen Form von Disziplin bei der Analyse der Ergebnisse. Die Entschleunigung des Medienkonsums ist ein erwünschter Nebeneffekt. Neben dem Erkennen von Fake News ist es wichtig, in den Unterrichtseinheiten auch den Blick auf die Funktionen von Kommunikation, die Rolle von Medien und Social Media zu legen und ebenso auf das eigene Verhalten auf Social Media, sowohl als Konsument*in als auch als Produzent*in.
Dabei sollte unbedingt erklärt werden, was Social Media eigentlich wollen. Wir dürfen niemals vergessen, dass diese Plattformen ursprünglich aus rein wirtschaftlichen Interessen entstanden sind und die Betreiber*innen im Kern Geld verdienen wollen. Das funktioniert nur, indem sie Menschen maximal an ihre Plattform binden. Daher ist die Vermittlung eines bewussten und kritischen Umgangs mit Social Media sehr wichtig.
Das Ziel der Auseinandersetzung mit Fake News im Unterricht liegt daher nicht darin, jungen Menschen beizubringen, was richtig oder falsch ist, oder gar ein Wahrheitsmonopol zu errichten. Es muss darum gehen, ihnen Werkzeuge an die Hand zu geben, damit sie selbst in der Lage sind, Fremdinhalte zu bewerten und gleichzeitig bewusst und souverän mit der Informationsvielfalt auf Social Media und im Netz umzugehen.
Wie werden Lehrer*innen geschult?
Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder beauftragen Schulen externe Expert*innen zur Durchführung einer Unterrichtseinheit oder pädagogische Hochschulen oder Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung bieten
entsprechende Kurse zur Schulung an.
Mimikama-Module schulen kritischen Umgang
Modul 01 Social Media und Geolocating
Im Basismodul lernen Schüler*innen zunächst, was Social Media sind und wie sie funktionieren. Anschließend lernen sie, Suchmaschinen sowie die Bildersuche zu nutzen, bevor es um Geolocating geht. Geolocating ist die Fähigkeit, den Standort eines Objekts oder einer Person auf der Erde anhand eines Fotos oder Videos zu
bestimmen. Lernerfolg: Am Ende der Unterrichtseinheit können Schüler*innen prüfen, ob ein Bild oder Video tatsächlich an dem Ort aufgenommen wurde, an dem es laut Bild- oder Videobeschreibung aufgenommen worden sein soll. Geolocating schult die Schüler*innen darin, nicht auf Manipulationen hereinzufallen. Außerdem entschleunigt Geolocating den Informationskonsum. Es regt dazu an, sich Details sowie Bilder oder
Videos präziser anzuschauen und Situationen auf den Prüfstand zu stellen.
Modul 02 Account-Verifikation
In dieser Unterrichtseinheit nehmen Schüler*innen Onlineaccounts unter die Lupe. Dabei werden nicht nur Social-Media-Accounts bewertet, sondern auch Webseiten und deren Seriosität. Im Zentrum stehen die
Fragen: Wer steckt dahinter? Wie vertrauenswürdig ist die Person? Wie kann ich Vergleiche ziehen? Lernerfolg: Die Schüler*innen haben Methoden gelernt, mit denen sie einen Account bestätigen (verifizieren) oder zeigen können, dass es ein Fake-Account ist (falsifizieren).
Modul 03 Archivierung
Den Satz „Das Internet vergisst nichts“ haben viele Schüler*innen sicherlich schon gehört. In dieser Unterrichtseinheit geht es darum, ihnen anschaulich zu zeigen, was damit gemeint ist. Denn nur weil etwas gelöscht ist oder nicht bei Google auftaucht, bedeutet das nicht, dass der Inhalt fort ist. Jede*r hat die Möglichkeit, Webarchive zu nutzen, das heißt, jede*r kann beliebige Inhalte archivieren und auch abrufen. Webarchive sind nicht beeinflussbar und Löschanträge gibt es nicht. Lernerfolg: Dieses Modul sensibilisiert Schüler*innen eindrücklich für einen bewussten Umgang mit eigenen Bildern und Aussagen im Netz. Gleichzeitig erlernen sie handwerkliche Methoden der Archivierung, da Archive auch nützlich sein können.
DAS IST MIMIKAMA
Mimikama wurde 2011 gegründet. Der Verein ist eine internationale Anlaufstelle zur Aufklärung über Internetmissbrauch. Der Fokus des Vereins liegt auf den sozialen Medien. Neben der Überprüfung von zugesendeten Informationen und Gerüchten von Nutzer*innen gehören auch die Durchführung von Projekttagen an Schulen sowie die Fortbildung von Lehramtsanwärter*innen sowie Lehrkräften zur Arbeit des Vereins. Die Fortbildungen sind ähnlich aufgebaut wie die drei beschriebenen Module; das Niveau der Übungen ist jedoch auf eine erwachsene Zielgruppe ausgelegt. Abschließend erhalten die Teilnehmenden exemplarisches Material für den Unterricht.