Bildungspolitik 21.03.2022

Mehr Lehrkräfte mit einer Reform des Lehramtsstudiums?

Lehrkräftemangel

Mehr Plätze, kein Numerus Clausus – Yvonne Gebauers Pläne sind ein Anfang, aber noch nicht ausgereift

Die Bedingungen des Lehramtsstudiums müssen sich verbessern, damit dem Lehrkräftemangel in NRW begegnet werden kann. Davon ist der Landesausschuss der Studierenden der GEW NRW überzeugt!

  • Autor*in: David Wiegmann
  • Funktion: Referent für Hochschulpolitik und Lehre im AStA der TU Dortmund
Min.

Die nordrhein-westfälische Bildungsministerin Yvonne Gebauer möchte dem Lehrkräftemangel begegnen, und zwar durch Änderungen in der Lehrer*innenausbildung an den Universitäten. Neben zusätzlichen Studienplätzen soll nach den Vorstellungen der FDP-Politikerin auch der Numerus Clausus (NC) im Sonderpädagogik- und Grundschullehramt wegfallen. Grundsätzlich sind das gute Ideen, gerade in Hinblick auf schon jetzt über 4.000 unbesetzte Lehrer*innenstellen in NRW. Ohne finanzielle, personelle und räumliche Investitionen an den Hochschulen und ordentlichen Studienbedingungen werden die Pläne aber keine Verbesserung der Lage bringen.

Nicht der NC ist das Problem, sondern zu wenige Studienplätze

Dass es einen NC für Lehramtsstudiengänge braucht, liegt hauptsächlich am mangelnden Studienplatzangebot. An der Uni Wuppertal beispielsweise haben sich zum Wintersemester 2019/2020 rund 2.200 Leute für einen Platz im Grundschullehramt beworben, über 60 Prozent mussten abgelehnt werden. In ganz NRW gab es zu diesem Zeitpunkt laut Ministerium nur 2.300 Bachelorplätze. Die NC-Abschaffung würde das Problem nur verschieben. Es gäbe weiterhin zu wenige Plätze für alle, die studieren möchten.

Nach den ersten Äußerungen der Ministerin Anfang März 2022, die sich lediglich auf den Wegfall der Zulassungsbeschränkung für Lehramtsstudiengänge bezogen hatten, wurde nun nachgelegt: Mindestens 20 Prozent mehr Studienplätze sollen die Universitäten für das Grundschul- und Sonderpädagogiklehramt anbieten – ein effektiverer Weg, um mehr Lehrer*innen zu bekommen, als den NC einfach wegfallen zu lassen, meinen die Studierenden in der GEW NRW. Um die geplanten zusätzlichen Kapazitäten dafür nutzen zu können dem Lehrkräftemangel zu begegnen, müssen jedoch auch das Studium und seine Bedingungen an sich verbessert werden.

Nicht nur mehr Lehrer*innen ausbilden, sondern auch besser

Ein Aspekt, der bei der aktuellen Debatte untergeht, ist das Lehramtsstudium an sich. Schon jetzt hat NRW einen unterdurchschnittlichen Studierenden-Lehrenden-Betreuungsschlüssel. Viele Seminare sind überlaufen, zum Teil berichten Studierende im Erstsemester davon, nur eine von vier Veranstaltungen besuchen zu können, die sie nach Studienverlaufsempfehlung zu Beginn ihres Studiums belegen sollen. Wer wirklich mehr Lehramtsabsolvent*innen will, muss dafür sorgen, dass Studierenden keine Steine in den Weg gelegt werden. Denn übervolle Veranstaltungen führen nicht nur zu längeren Studienzeiten, sondern auch dazu, dass mehr Personen ihr Studium abbrechen.

Investitionen in mehr Professuren und den dazugehörigen akademischen Mittelbau sind schon jetzt notwendig, um Lehramtsstudierende besser begleiten zu können und so Studienabbrüche zu verhindern. Wo mehr Menschen studieren, müssen mehr Platz und mehr Ressourcen zur Verfügung stehen. Und es braucht auch Investitionen in die räumliche Infrastruktur an Hochschulen.

Wohnraum und seine Finanzierung: Kampagne „Kopf braucht Dach“

Mit dem Slogan „Kopf braucht Dach“ machte das Deutsche Studentenwerk vor einigen Jahren auf die mangelnde Finanzierung von Wohnheimplätzen aufmerksam. Mangelnder (günstiger) Wohnraum ist auch für Lehramtsstudierende ein Problem. Wer beispielsweise in Köln, Münster oder Bonn eine Wohnung sucht, muss tief in die Tasche greifen. Ein Weg zur Finanzierung ist dabei für viele der Nebenjob.
 
Doch gerade hier sind wieder Lehramtsstudierende benachteiligt. Sie müssen ein ganzes halbes Jahr ins Praxissemester – unbezahlt. In dieser Zeit ist für die meisten aufgrund des Aufwands für das Praktikum ein Nebenjob undenkbar. Für viele wird das Lehramtsstudium so unbezahlbar. Wer mehr Lehramtsabsolvent*innen will, muss deswegen auch an die Studienfinanzierung ran: Eine Reformierung des BAföG ist längst überfällig und im Praxissemester braucht es endlich finanzielle Unterstützung.

Die Probleme anpacken, die zum Numerus Clausus führen

NRWs Bildungsministerin Yvonne Gebauer hat am Ende ihrer fünfjährigen Amtsperiode erkannt, dass das Lehramtsstudium der Schlüssel ist, um dem Lehrkräftemangel zu begegnen. Auch wenn die Erhöhung von Studienplätzen ein Anfang ist, so braucht es mehr. Ohne Investitionen in Räumlichkeiten und Personal an Hochschulen für gute Lehr- und Lernbedingungen und einer generellen Erhöhung der Attraktivität des Lehramts – wie A 13 für alle im Einstiegsamt – bleibt der Vorschlag der Ministerin wirkungslos. Wenn diese Baustellen angegangen werden, kann auch dem Lehrkräftemangel mit ausreichend ausgebildeten Pädagog*innen begegnet werden.