Bildungspolitik 02.06.2021

Forderungen für ein gelingendes Referendariat

AusbildungCorona

Zukünftige Lehrer*innen im Vorbereitungsdienst in der Corona-Zeit entlasten

Die Phase des Vorbereitungsdienstes gehört auf dem Weg zum Lehrer*in werden zu einer der anstrengendsten und anspruchsvollsten. Die Rahmenbedingungen während der Corona-Pandemie erschweren diese Zeit zusätzlich: Lernen auf Distanz und Wechselunterricht unter anderem machen die Ausbildung nicht einfacher. Unterrichtsbesuche finden teilweise in vollem Umfang statt und Prüfungen müssen nach wie vor abgeleistet werden.

  • Autor*in: Anna Cannavo
  • Funktion: Jugendbildungsreferentin der GEW NRW
Min.

Der Blick auf die Bedürfnisse von Kolleg*innen im Vorbereitungsdienst kommt häufig zu kurz und wird in der Politik mit dem Verweis auf andere Zuständigkeiten oftmals nicht wahrgenommen.

Die junge GEW NRW fordert folgende Punkte für den Vorbereitungsdienst während der Corona-Pandemie:

1. Sonderregelungen für Staatsprüfungen (OVP §32a) bis mindestens März 2022 verlängern

Die Lehramtsanwärter*innen (LAA), die sich derzeit im Vorbereitungsdienst befinden, haben Unterricht nur unter den Bedingungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie kennenlernen dürfen – Unterricht unter regulären Bedingungen? Fehlanzeige!

Es ist davon auszugehen, dass es mindestens bis zu den Sommerferien 2021 Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie geben wird. In der kommenden Unterrichtspraktischen Prüfung (UPP) können weder ein regulärer Ausbildungsverlauf noch eine reguläre Unterrichtssituation abgebildet werden. Auch werden die Lehramtsanwärter*innen, die im November 2020 ihren Vorbereitungsdienst aufgenommen haben, den Großteil ihrer Ausbildung unter Pandemie-Bedingungen absolvieren. Allen Lehramtsanwärter*innen darf durch die Pandemie-Situation kein Nachteil entstehen! Die Sonderregelungen für Staatsprüfungen (OVP §32a) sollen daher bis mindestens März 2022 verlängert werden.

2. Anzahl der Unterrichtsbesuche verringern

Die Anzahl der Unterrichtsbesuche soll situationsbedingt gekürzt und zur Gewährleistung der Gleichbehandlung verbindlich geregelt werden. Weitere Unterrichtsbesuche sollen ausschließlich für Beratungszwecke durchgeführt werden. In der Langzeitbeurteilung des Zentrums für schulpraktische Lehrer*innenausbildung (ZfsL) sollen auch andere Formate – wie zum Beispiel Unterrichtseinsichtnahmen oder die Diskussion von Unterrichtsentwürfen – gleichwertig berücksichtigt werden können.

3. Einheitlichkeit und Transparenz bei den Prüfungsformaten

Weil Ausbildungsbedingungen höchst unterschiedlich sind und daher die Prüfungsanforderungen jeder Vergleichbarkeit entbehren, müssen flexible Prüfungsbedingungen geschaffen werden. Die LAA sollen bis März 2022 ein Mitspracherecht bei den Prüfungsformaten und der Prüfungslänge bekommen. Gleichzeitig sind die Prüfungskommissionen über die jeweiligen Ausbildungsbedingungen und Ausbildungszeiten in Schule und Seminar schriftlich zu informieren und gehalten, diese Bedingungen bei der Beurteilung angemessen zu berücksichtigen. Die Ausbildungsbedingungen sind zur Prüfungsakte zu nehmen.

4. Frühe Festlegung der Prüfungsform (Digital, Präsenz, Simulation)

Der ständige Wechsel der Beschulungssituation (Präsenzunterricht, Wechselmodelle, Notbetreuung, Lernen auf Distanz) stellt die Referendar*innen vor ein enormes Organisationsproblem. Entscheidungen werden häufig tagesaktuell gefällt. Unterrichtsbesuche und die UPP brauchen aber wochenlange Vorbereitungszeit und müssen der Lerngruppe entsprechend ausgerichtet sein. Die schriftliche Planung und die Festlegung der Prüfungsform darf nicht kurzfristig erfolgen und Prüfungsformate müssen mindestens einen Monat vor dem jeweiligen Prüfungstermin feststehen, um den Referendar*innen Planbarkeit zu gewährleisten. Sollte die Entscheidung pandemiebedingt auf ein alternatives Prüfungsformat gefallen sein, darf diese Entscheidung nur durch die Referendar*innen eigeninitiiert rückgängig gemacht werden. Das gilt auch, sofern kurzfristig doch Schüler*innen in den Schulen sein sollten.

5. Corona-Situation bei Prüfungen fair berücksichtigen (Handlungsfelder, Konzept in den Schulen)

Corona hat den Schulalltag auf den Kopf gestellt: Ein regulärer Schulalltag ist zwischen Distanzunterricht, Wechselmodellen und Notbetreuung nicht möglich. Die Referendar*innen lernen in dieser Zeit sehr viel. Sie werden Profis im Umgang mit digitalen Medien, in der Gestaltung flexibler Unterrichtsangebote und übernehmen Eigenverantwortung. Die klassischen Handlungsfelder und Ausbildungsnachweise bilden den derzeitigen Kompetenzzuwachs aber unzureichend ab, da der Bezugspunkt weiterhin den Schulalltag ohne Corona darstellt. 


Die Corona-Situation muss in den Langzeitbeurteilungen auch abseits der Unterrichtsbesuche berücksichtigt werden. Was coronabedingt nicht geleistet werden kann, darf nicht zum Nachteil werden. Stattdessen sollte der Fokus in den Prüfungen auf die neuen Kompetenzen der Corona-Jahrgänge gelegt werden.


Eine faire Berücksichtigung der Gutachten der Ausbildungslehrer*innen ist das Gebot der Stunde. Niemand kennt die jeweilige Ausbildungssituation der LAA so genau wie die Ausbildungslehrer*innen. Da die Seminarausbilder*innen nur sehr eingeschränkte Beobachtungsmöglichkeiten haben, sind die Gutachten in den Langzeitbeurteilungen (LZB) der Fächer verbindlich zu berücksichtigen. § 16(2) der OVP ist entsprechend zu anzupassen.

6. Jetzt erst recht! Eine solide Berufseinstiegsphase für alle Berufsanfänger*innen

Eine Umgestaltung der Berufseinstiegsphase für Berufsanfänger*innen ist eine fortlaufende Forderung der GEW NRW. Gerade in den ersten Berufsjahren entwickeln Lehrer*innen grundlegende und relativ beständige Umgangsweisen mit den Anforderungen des Berufsfeldes. Der Berufseinstieg sollte deshalb durch geeignete Unterstützungsangebote, die eine professionelle Einarbeitung an der jeweiligen Schule ermöglichen, begleitet werden. Für diese Übergangsphase sollten Austausch- und Feedbackmöglichkeiten sowie Freiräume für die Unterrichtsentwicklung zur Verfügung gestellt werden. Zudem benötigen Berufseinsteiger*innen spezielle Fortbildungsmaßnahmen, die zusammen mit den Kolleg*innen entwickelt werden sollten. Pandemiebedingt sind in einzelne Teile der Ausbildung komplett entfallen oder deutlich zu kurz gekommen.


Jetzt bedarf es erst recht einem tragfähigen Berufseinstieg mit Unterstützungsangeboten und einer professionellen Einarbeitung, damit entfallene Inhalte während der Ausbildung aufgefangen werden können. Beispielweise könnten Fachleitungen Junglehrer*innen mit gezielten Formaten der Beratung in der schulpraktischen Arbeit unterstützen.

Wir fordern die Landesregierung, das Ministerium für Schule und Bildung, die zuständigen Bezirksregierungen und das Landesprüfungsamt NRW auf die Bedarfe der Lehramtsanwärter*innen endlich wahr und ernst zu nehmen.